Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Zur Psychologie des Krieges und der Erfindungen 
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Bedeutung. Vielfach findet man die Erscheinung, daß die Menschen bei bestimmten 
Veranlassungen immer die gleiche Vorstellungsverknüpfung bilden, sodaß dabei 
eine Art von automatischem Zwang in der Richtung der Vorstellungen entsteht . 
Ein Reichtum von assoziativen Verknüpfungen schützt den einzelnen Menschen 
gegen Erstarrung seines geistigen Lebens in immer gleichbleibenden automatischen 
Bahnen. Mit der Erweiterung des Vorstellungsmaterials, die für eine außerordent 
lich große Zahl von Soldaten durch den Feldzug entsteht, ist auch eine Bereicherung 
der Assoziationen gegeben, da von einem bestimmten Ausgangspunkt sich ver 
schiedene Ausblicke auf die erworbenen Erfahrungen zeigen. 
Neben den furchtbaren Schäden, die der Krieg unter den Völkern Europas 
anrichtet, darf vom Standpunkt der unbefangenen Untersuchung diese Bereicherung 
an Vorstellungsmaterial und Assoziationen bei den Teilnehmern an dem Feldzug 
nicht vergessen werden. Dabei habe ich an den vielen jungen Medizinern, die infolge 
meiner Aufgaben als akademischer Lehrer während des Krieges wieder zu mir ge 
kommen sind, nicht selten eine eigentümliche Selbstverkennung beobachtet, die 
darin besteht, daß sie das umfangreiche Vorstellungsmaterial, das sie erworben 
haben, selbst noch nicht richtig einschätzen. Es liegt sozusagen in Bereitschaft, 
ohne schon genügend angewendet zu werden. Viele Feldzugsteilnehmer klagen 
sogar über die Einschränkung der geistigen Interessen, während sie sehr rasch 
in der Unterhaltung ein bedeutendes Wissen über die Erfahrungen des Feldzuges 
zeigen. Während sie sich dem gewöhnlichen Gang des Lebens und dem schematischen 
Unterricht bis zu gewissem Grade entfremdet fühlen, zeigt sich bei ihnen die große 
Erweiterung des Vorstellungsmaterials und der Assoziationen durch den Krieg. 
IV. Die Bildung von psychischen Komplexen. 
In der experimentellen Psychologie und Pathologie der letzten Jahrzehnte 
ist immer mehr die Lehre von den Vorstellungskomplexen in den Vordergrund 
getreten. Es handelt sich um die Erscheinung von fixierten Vorstellungsgruppen, 
die aus einer Reihe von Momenten der persönlichen Anlage und der Lebensereig 
nisse hervorgegangen sind, und in denen meist Vorstellungselemente mit Affekten 
eng verflochten sind. Diese Beobachtungen umfassen das normal-psychologische 
und psycho-pathologische Gebiet gleichzeitig. 
Gerade in dieser Beziehung hat der große Krieg eine ganze Menge von Er 
scheinungen geboten. Am klarsten waren diese Erscheinungen im Anfang des 
Krieges nach der Mobilmachung, als der psychische Komplex des Krieges alle Einzel 
nen mit größter Gew r alt ergriffen hatte. Wenn man dabei lediglich das Affekt 
moment der Begeisterung, in manchen Fällen vermischt mit Sorge um Ange 
hörige und persönliche Verhältnisse, betont, so wird man psychologisch dem ge 
samten Zustand nicht vollständig gerecht. Das Wesentlichste bestand, abgesehen 
von den Gefühlsmomenten, in der vollständigen Einstellung des ganzen Vorstellungs- 
lebens auf den Krieg und die damit zusammenhängenden Dinge. Nun sind 
allerdings im Laufe des Krieges diese starken Gefühlserregungen zum Teil mehr in 
den Hintergrund getreten, andererseits haben sich bei Vielen bestimmte Affekte 
zwar in der Stärke der Erscheinung gemildert, aber in Wirklichkeit noch mehr
	        
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