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I n die Behandlung der psychischen Vorgänge ist im Zusammenhang mit der
allgemeinen geistigen Entwicklung allmählich immer mehr die naturwissen
schaftliche Methodik eingedrungen. Diese beruht einerseits auf der genauen Beob
achtung der psychischen Erscheinungen, andererseits auf dem Experiment, bei dem
die Beobachtungen unter bestimmten absichtlich gewählten Bedingungen gemacht
werden. Besonders zur einwandfreien Klarstellung von Ursachen ist das Experiment
als Ergänzung der einfachen Beobachtung in vielen Fällen unbedingt notwendig,
wenn sich auch oft schon bei der bloßen Beobachtung ein Kausalzusammenhang
mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erschließen läßt. Wenn die Psycho
logie im Rahmen des vorliegenden Buches über deutsche Naturwissenschaft, Technik
und Erfindung im Weltkrieg eine Stelle gefunden hat, so geschieht dies in der An
schauung, daß sie in der eben entwickelten Weise einen Gegenstand und Teil der
Naturwissenschaft bildet. Es ist daher von vornherein eine klare Abgrenzung des
Themas gegen die philosophische und metaphysische Richtung bei der Behand
lung der seelischen Vorgänge gegeben. Es handelt sich daher hier lediglich um
eine Darstellung der seelischen Erscheinungen, die in dem großen Kriege hervor
getreten sind, im wesentlichen durch ihn bedingt sind oder durch ihn zur deutlichen
Betätigung gekommen sind. In dem Buch über ,,Krieg und Seelenleben“ 1 ) habe
ich eine Reihe von besonderen Punkten und Gebieten, in denen bestimmte geistige
Eigenschaften während des Krieges klar zutage getreten sind, hervorgehoben und
dabei folgende Einteilung gewählt:
I. Einleitung. Gruppierung der psychologischen Gebiete. II. Militärpsycho
logie. III. Psychologie des Krieges. IV. Bereitschaft. V. Patriotismus. VI. Kriegs
tüchtigkeit als erbliche Eigenschaft. VII. Die militärische Verwendung der geistigen
Arbeiter. VIII. Heerführer. IX. Der geistige Zustand der Verwundeten und
Ermüdeten. X. Zur Psychologie der Aussage. XI. Spionage. XII. Feldpostbriefe.
XIII. Krieg und Volksbildung. XIV. Erfindungen. XV. Psychologie des Kapitals.
XVI. Psychologie der Presse. XVII. Psychologie der Stände. XVIII. Religion
und Aberglaube. XIX. Völkerpsychologie: 1. die Franzosen; 2. die Russen;
3. die Engländer; 4. die Italiener; 5. die Deutschen. XX. Psychopathologie des
Krieges.
Ich möchte jedoch im jetzigen Zusammenhang, in dem die Naturwissen
schaft, Technik und Erfindung in den Vordergrund gestellt ist, das Thema in
wesentlich anderer Weise behandeln, indem ich von den geistigen Einzelfunktionen
und den aus ihrer Verbindung hervorgehenden Eigenschaften ausgehe und darstelle,
wie sich diese im Kriege verhalten.
*) Verlag von O. Nemnich in Leipzig. 1916.