Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Der Krieg und die erdkundliche Wissenschaft 
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öder ausgesprochen. Das wußte England genau, als es in den letzten 2 Jahrzehnten 
den Aufschwung von Deutschlands Handel und Verkehr sah; hier lag ihm der Kriegs 
grund und das Kriegsziel. Weil der Mensch nicht nur mit Gütern, sondern auch 
mit dem Geist an irdischen Raum, gebunden ist, soweit die Gedanken sich in körper 
haft greifbare Tatsachen umsetzen wollen, darum ist der Verkehr auch für die 
Welt der wissenschaftlichen und künstlerischen, der gesellschaftlichen und staatlichen 
Betätigung Raumbewältiger durch Post, Fernsprecher, Drahtung und Eunkenspruch. 
Was durch Kabelzerschneidung und Postdurchsuchung Großbritannien zu leisten 
wußte, um die Meinungen unter den Völkern zu beeinflussen, bekundet wiederum 
englische Herrschgewandtheit, die da weiß, daß nicht, was ist, die breite Menschheit 
im Tun und-Lassen bestimmt, sondern das, was man sie glauben läßt. So ist selbst 
die Lüge, ein tief verwundendes Kampfmittel in rücksichtsloser Hand, auf den Ver 
kehr angewiesen, um im Raume wirksam zu werden, und die Wahrheit an sich vermag 
sie nicht zu überwinden, es sei denn, daß man ihr durch Verkehrsbeherrschung 
Raumgewinn sichert. Krieg ist Ringen um Raum. „Die Entente war ein Welt 
verteilungssyndikat größten Stiles“, urteilt ein deutscher Sozialist. England, 
Frankreich und Rußland wollten Deutschland von den Gebieten kolonialer Rohstoffe 
und von Absatzmärkten für sein Großgewerbe ausschließen, auch von Stätten 
der Kapitalsanlage, Österreich-Ungarn aber Verfallen lassen und die Türkei auf- 
teilen; kurz, sie wollten Raum gewinnen, indem sie den Wettbewerb enden Raum 
nahmen. Die Erde ist für die Staaten eine unveränderliche Raumgröße; aber die 
Völker wachsen. Der Krieg entscheidet, wer Raum erhält und behält. 
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4. Die Landeseigenart im Kriege. 
Ist Verständnis für Lage und Raum Vorbedingung der geographischen Er 
kenntnis von jedem Stück Erdoberfläche, so setzt die Hauptaufgabe erdkundlicher 
Wissenschaft doch erst ein, wenn es an die nähere Erkundung der Wesenheit der 
Länder geht, ihres Formenschatzes, der Besonderheit des Lebens in ihnen. Wenn 
vorher Raum- und Volksgrößen, nebeneinander gehalten, erkennen ließen, daß 
in Land- und Menschenmassen an sich noch kein entscheidender Wert liegt, sondern 
in der Nutzbarkeit des Landes und der Tüchtigkeit des Volkes, so gilt es jetzt fest 
zustellen, welche geographischen Gegebenheiten für die kriegführenden Staaten 
von Bedeutung sind. In der Natur ist nichts böse oder gut an sich, schädlich oder 
nützlich für sich. Doch in Beziehung auf den Einzelmenschen oder die Menschheit tut 
sich die Welt relativer Werte auf. Auch der Gegenwartskrieg spitzt die Frage nach 
seinen Ergebnissen zu auf die Leistungsfähigkeit der in ihn verwickelten Staaten, 
und zum Staate gehört sein Land mit all seiner Eigenart und seinen Entwicklungs 
fähigkeiten. Wie muß nicht der Deutsche seinem Boden danken, wenn er inne wird, 
was an Ernten, Erzen, Kohlen ihm sein Land reicht, so daß es, mühsam zwar, 
das Volk darauf erhält, während die Feinde, vorweg die Briten, nach Zufuhren 
lechzen, die einen von Korn und Fleisch, die andern von Kohle und Erz! Selbst 
daß weder die Witterung in ihrer launischen Unberechenbarkeit noch die Scholle 
in ihrer Pflegebedürftigkeit es dem Menschen leicht macht, im deutschen Lande 
reich zu werden, hat den Vorzug, daß das Volk so zu Arbeit und Pflicht seit
	        
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