Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

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Felix Lampe 
nendes Reich. Hier ist nicht fortschreitende Ausbreitung vom Mittelpunkt her 
kennzeichnend, sondern ein naturtriebhaftes Zusammenstreben raumgetrennten 
Streubesitzes, der zuvor sprunghaft erworben war. Das süd-, ost- und nord 
afrikanische Gebiet britischen Einflusses möchte sich die Hand reichen und 
erträgt ungern das deutsche Ostafrika als trennenden Zwischenblock, ungern 
weiterhin Arabien und das türkische Vorderasien als hemmendes Glied zwischen 
Ägypten und Indien, wie es Indien nicht unlieb über die holländischen und deutschen 
Inseln der malaiischen Welt mit Australien sich zusammenschließen sähe. So sind 
ihm Ägypten und noch früher das Kapland wertvolle Zwischenglieder von Indien 
nach Europa gewesen, Zypern, Malta und Gibraltar solche vom Morgenland zur briti 
schen Heimat. Auf diese Weise ist einst auch der preußische Staat aus getrennten 
Stücken im Drang nach Zusammenschluß herangewachsen, und dem gleichen 
«Drang entspricht trotz aller Bedenken gegen die durch ausbeutende Mißwirtschaft 
und Schlafkrankheit mitgenommenen Länder von Belgisch-Kongo der Wunsch, 
Kamerun mit dem deutschen Ostafrika in Verbindung zu bringen. Solches afrikani 
sche West-Ost-Reich kreuzt das britische Kap-Kairo-Afrika ganz ähnlich, wie die 
Bahn von,Berlin über Bagdad zum Persergolf den britischen Drang zum Reiche 
rings um das Indische Meer, oder den russischen nach dem Besitz von Bosporus 
und Dardanellen. Den Staatsmann, nicht den Geographen kümmert dabei die 
Form des Wachstums und Zusammenschlusses, ob es sich um völlige staat 
liche Einverleibung handelt, um bloß wirtschaftliche Angliederung, sei es 
unter Vertragsabschlüssen staatlicher Art oder nur unter Stützung des privaten 
Unternehmergeistes und Vermögens nebst rein geistiger Kulturarbeit. Zweckmäßig 
keitserwägungen und Rücksicht auf das Gesamtbild, das der Vergleich des Kräfte 
spieles im eigenen Staate und in den Nachbarreichen aufweist, werden die Wahl 
über die Art treffen lassen, wie sich der Drang nach Wachstum über den Raum hin 
äußern soll. Im einzelnen sind gewiß wieder viele landeskundlich bedingte Tatsachen 
in diesem Kräftespiel erkennbar. Die Hauptsache bleibt doch die Grundeigenschaft 
jedes gesunden Lebens, wachsenden Raum zu beanspruchen. Auch das alte Deutsche 
Reich der früheren Kaiserzeit, dann seine Einzelglieder^ fürstliche Herrschaften, 
Ritterorden wie Kaufmannsbünde, wünschten stets weitere Räume und schufen 
sie sich, solange sie gesund blieben. Wenn das heilige römische Reich deutscher 
Nation seit dem 13. Jahrhundert dagegen Raum verlor, so war das ein Schwäche 
zeichen. Das neue Deutsche Reich ist von vornherein auf ganz erheblich engere 
Grundfläche gebaut, als selbst das in den letzten Zügen liegende von 1806 noch 
besaß; deshalb bedarf es, weil es innerlich ungleich kraftvoller ist, in dem Maße mehr 
Boden, als es sich entfaltet, landwirtschaftliche Flächen zur Ernährung des wachsen 
den Volkes, Kohlen- und Erzgebiete für das Gewerbeleben, günstige Küsten für den 
Handel und überseeische Länder, um Rohstoffe hervorzubringen, wie sie das Groß- 
gewerbe braucht, alles das, damit es seinem Volke sichere Arbeits- und Lebens 
bedingungen gewähre. Welche Form der Aneignung gesucht und gefunden werde, ist 
Sache des Staatsmannes; aber auch im nicht staatlich einverleibten Nachbarlande wird 
die Saugwtirzel, die das deutsche Wirtschaftsleben hineinsenkt, oder wird die Fülle 
rein geistiger Blüten, Blätter und Früchte, die der starke Baum deutschen Lebens 
über den fremden Boden streut, als Auslandbeeinflussung empfunden und scheel
	        
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