Volltext: Deutsche Naturwissenschaft, Technik und Erfindung im Weltkriege

Krieg und Kultur 
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derblom, gefunden, der aus persönlicher Anschauung dem religiösen Leben in 
allen beteiligten Völkern mit tiefstem Verständnis gerecht wird. Auch auf 
R. Kjellens gedankenreiche Ausführungen „Der Geist von 1914“ sei hingewiesen. 
Der Reichtum an religiösen Schriften in unserer Kriegsliteratur und ihre innere 
Höhe ist ein beredtes Zeugnis für die Energie, mit der sich das religiöse Denken 
auf das erschütternde Erlebnis des Krieges richtet. Nicht nur Predigten und 
Erbauungsbücher aller Konfessionen zeigen eine starke, eindringende Erhebung des 
religiösen Empfindens. Auch die führenden Männer der theologischen Wissenschaft 
aus allen Lagern haben ihre Stimme erhoben. Die Fülle des Wertvollen, was sie 
an geschichtlicher und sittlicher Betrachtung gegeben haben, ist ein unverlierbarer, 
reicher Besitz. Es können hier nur Namen wie Harnack, Troeltsch, Loofs, Hauck, 
Deißmann, Faulhaber, Keppler, Mausbach, Pfeilschifter genannt werden. Und 
zu diesen Stimmen gesellen sich religiös gerichtete Persönlichkeiten, die nicht von 
Beruf der Kirche oder der Theologie dienen, wie Ulr. v. Wilamowitz.-Moellendorff , 
der ergreifende Worte gefunden hat. 
Wie aber wirkt der Krieg in religiöser Hinsicht auf das Volksleben ? Zweifel 
los war eine mächtige Erhebung des religiösen Empfindens mit dem Ausbruch des 
Krieges verbunden, die durchaus tief und echt war. Das Ewige griff in die Zeitlich 
keit ein, fühlbar auch für solche, die ihm fern gewesen waren. Und wer möchte aus 
machen, welche Stärke des Ertragens, welche Macht des Duldens die Religion 
denen gegeben hat, die von den Wellen des Leides überflutet waren? Vollends 
in der Not der Schlacht und angesichts des Todes wird sich Ungezählten derer, 
die draußen stehen, der Gottesglaube als eine Kraft bewährt haben. Dafür haben 
wir zahllose Zeugnisse. Wie aber ist die Religion des Krieges innerlich gestaltet- ? 
Wo sie vorhanden ist, da trägt sie ganz elementare Züge. Sie hat oft die Kirchen 
gefüllt, aber sie ist meist nicht bewußte Kirchlichkeit, sie hat etwas Überkonfessio 
nelles gewonnen und dabei oft einen stark nationalen Ton. Der gewaltige Gott des 
Alten Testaments, den das alte Lied feiert: „Der Herr ist der rechte Kriegsmann“, 
er schreitet auch durch unsere Zeit. Es wäre aber verfehlt, wollte man nur die 
positive Seite betonen. Zeiten der Not erwecken im Menschen alle urmenschlichen 
Triebe wieder, primitives Denken tritt wieder zutage, uralte Wasser rauschen. 
Es ist primitive Religion, wenn daheim und draußen der Aberglaube in allen 
Formen neu aufblüht. Alb. Hellwigs Werk „Weltkrieg und Aberglaube“ gibt in 
grausamer Sachlichkeit ein buntes Bild von den Äußerungen solches urmenschlichen 
Glaubens, von seinen Schutzmitteln, seihen Weissagungen usw. Und endlich ist 
daheim und im Heere die Masse derer nicht gering, die sich überhaupt ablehnend 
gegen die Religion verhalten. Wie die Zahl derer groß ist, die aus der Not des Volkes 
nicht das Bewußtsein der sittlichen Pflicht gewinnen, sondern in ihr Anlaß zum 
Gewinn finden, so ist mit der Gewohnheit des Krieges auch — bei Gebildeten wie 
Ungebildeten — die Gleichgültigkeit und die bewußte Ablehnung der Religion 
geblieben, wo sie vorher bestand. Auch darüber liegen uns zahlreiche Stimmen aus 
dem Heere vor. Daneben aber treten Stimmen hervor, die von suchender Hoffnung, 
von ernster Mühe um die Lösung tiefster Lebensfragen zeugen, ohne daß der religiöse 
Ton gewonnen wird. Auch das religiöse Kulturbild des Krieges ist unermeßlich 
reich; es bedarf ganz objektiver Behandlung.
	        
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