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Franz Külp
brochen. Die noch auf dem Kondensator vorhandene Ladung wird mittels eines
Drehspulengalvanometers gemessen. Da das Entladen eines Kondensators gesetz
mäßig vor sich geht und die Kapazität und der Entladungswiderstand bekannt
sind, so läßt sich aus der noch vorhandenen Ladung des Kondensators die Zeit
bestimmen. Erwähnt sei hier noch, daß diese Methode die kleinsten Zeiten bis
etwa zu 0,0000001 Sekunde zu messen gestattet. Radakovic hat mittels seiner
Methode den Beweis erbracht, daß die Geschoßgeschwindigkeit nach dem Verlassen
der Mündung noch ein zweites Maximum besitzt.
Eine der geistreichsten Methoden ist sodann die von Crehore und Sqier
angewandte. Ganz populär ausgedrückt ist der Vorgang folgender: Eine brennende
Bogenlampe entwirft einen Lichtpunkt auf ein mit bekannter Geschwindigkeit
bewegtes, mit photographischem Papier bespanntes Brett. Beim Durchschießen
des ersten und zweiten Gitters wird das Objektiv kurz geschlossen. Auf dem ent
wickelten Papierstreifen wird dann eine schwarze Linie mit zwei weißen Unter
brechungen entstehen. Da die Geschwindigkeit des Brettes bekannt ist, gibt der
Abstand dieser Marken ein Maß für die Zeit. Das Geniale an dieser Methode ist,
daß das Schließen des Objektives nicht durch einen materiellen Deckel geschieht,
sondern durch die Drehung des polarisierten Lichtstrahles im elektro-magnetischen
Feld. Ein weiteres Eingehen auf diese geistreiche Methode würde indes hier zu
weit führen.
Zum Schluß ist noch die Methode der Geschwindigkeitsmessung zu erwähnen,
bei der die Zeit von vornherein bekannt ist und der in dieser Zeit zurückgelegte
Weg gemessen wird. Dies geschieht in der Weise, daß das Geschoß in einem bestimm
ten Zeitintervall zweimal hintereinander photographiert wird und dann auf der
Photographie der zurückgelegte Weg gemessen wird. Von diesem Verfahren wird
bei der Besprechung der Geschoßphotographie später die Rede sein. Hier wird auch
die Methode besprochen werden, die gestattet, die Geschoßgeschwindigkeit aus dem
Kopfwellenwinkel zu bestimmen.
Ballistische Photographie 1 ).
Wie bereits eingangs bemerkt wurde, spielen sich alle Vorgänge in der Ballistik
in äußerst kurzer Zeit ab, sodaß eine Beobachtung mit dem menschlichen Auge
nicht angängig ist. Aber auch die gewöhnliche Momentphotographie war nicht im
stande, diese raschen Bewegungsvorgänge im Bilde festzuhalten. Es mußten erst
ganz besondere Verfahren gefunden werden, die dies ermöglichten.
Wie eine einfache Überlegung zeigt, reichen die mit den modernen Schlitz
verschlüssen noch zulässigen Behchtungszeiten von 1 / 20 oo Sekunde in diesem Falle
nicht aus. Das moderne Infanteriegeschoß hat annähernd eine Anfangsgeschwindig
keit von 1000 Metern in der Sekunde. Es legt somit in einer 1 / 20 oo Sekunde einen
Geschoßweg von 5Q Zentimetern zurück. Wollen wir das Geschoß im Verhältnis
1:10 der natürlichen Größe* abbilden, so ergibt dies eine Unschärfe von 5 Zentimetern,
*) Am eingehendsten und gründlichsten sind die Methoden der ballistischen Photographie
behandelt in der Broschüre: Prof. Dr. B. Glatze 1, Die elektrischen Methoden der Momentphotographie,
Verlag von F. Vieweg in Braunschweig, 1915, mit 51 Abbildungen.