Die Aeronautik im Kriege
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Beihilfen zu den von Vereinen ausgeschriebenen Wettbewerben, zu wissenschaft
lichen Untersuchungen und dergleichen bestritten. Eine wichtige Ergänzung hierzu
waren der am 27. Januar 1912 ausgeschriebene Kaiserpreis von 50 000 Mark für
den besten, in allen Teilen rein deutschen Elugzeugmotor und die zahlreichen von
Vereinen des deutschen Luftfahrerverbandes veranstalteten Flugzeugwettbewerbe.
Die Prinz-Heinrich-Flüge, die Flugwochen in Berlin-Johannisthal, der Boden
see-Wasserflugzeugwettbewerb und viele andere dürften noch in guter Erinnerung
sein. Der Erfolg dieser Aufmunterungen übertraf die Erwartungen fast aller
Sachverständigen. Von den vier großen Weltrekorden in Flugleistungen ohne
Begleiter (Entfernung, Dauer, Höhe und Geschwindigkeit), welche bis 1913 gleich
sam selbstverständlicher Besitz der Franzosen waren, gingen kurz vor Kriegsaus
bruch drei in deutsche Hände über. Paul Viktor Stoffler legte am 16. September
1913 den bisher längsten Überlandflug innerhalb von 24 Stunden (2080 Kilometer)
auf einem 100 pferdigen Mercedes-Aviatik-Doppeldecker zurück; der längste ununter
brochene Flug (Dauerrekord) wurde am 11. Juli 1914 mit 24 Stunden 12 Minuten
von Reinhold Boehm auf einem 100 P. S. Mercedes-Albatros-Doppeldecker
ausgeführt, während Heinrich Oelericli am 14. Juli 1914 den geradezu erstaun
lichen Höhen Weltrekord von 8100 Metern auf einem 100 P. S.-Mercedes-Doppeldecker
der deutschen Flugzeugwerke in Leipzig schuf. Dem aufmerksamen Beobachter
mußte daneben die außerordentliche Steigerung der Leistungen von Militärfliegern,
welche bei Wettbewerben nur vereinzelt, z.B. bei den Prinz-Heinrich-Flügen, hervor
traten, mit Stolz auffallen. So konnte die deutsche Aeronautik, durch friedliche
unermüdliche Tätigkeit gefördert, vertrauensvoll an die Kriegsarbeit gehen.
2. Verwendung der Ballone ohne Triebwerk.
Bei den Luftfahrzeugen unterscheidet man jetzt im allgemeinen Ballone, d. h.
Fahrzeuge ohne 'Motor (Freiballon, Drachenballon, Fesselballon), Luftschiffe
(Fahrzeuge mit Motor, welche durch Gaszellen getragen werden) und Flugzeuge.
Wir wollen deren Bedeutung für den Krieg einzeln betrachten und mit den Ballonen
beginnen. Der freie Kugelballon kommt jetzt meist nur indirekt als Mittel zur
Ausbildung von Artilleristen und Fliegern in der Orientierung von oben in Frage.
Für Nachrichtendienst belagerter Festungen ist er in Przemysl benutzt; allerdings
ist dabei einer der geschicktesten österreichischen Freiballonführer in russische
Gefangenschaft geraten. Diese Verwendung des Freiballons wird sich mit Rücksicht
auf die Vervollkommnung der Flugabwehrkanonen immer mehr einschränken.
Dagegen ist der vielfach auch schon als veraltet angesehene Fesselballon zu einem
sehr wichtigen Hilfsmittel im Stellungskrieg und bei der Vorbereitung großer
Offensiven geworden. Auch die Feinde haben hierfür oft die deutsche Sigsfeld-
Parsevalsche Form des Drachenballöns angenommen, da sie viel ruhiger im Winde
steht als ein Kugelballon. Der walzenförmige Ballonkörper stellt sich infolge seiner
Verankerung schräg ein, so daß seine Unterfläche wie ein Drachen vom Winde
getroffen und gehoben wird. Um den mit Wasserstoff gas gefüllten Ballon prall
zu halten, hat er unten eine Kammer, in die durch den Wind Luft eingeblasen wird;
um ihn in den Wind zu stellen, ist um sein unteres Ende ein zweiter Luftsack mit
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