Volltext: Kriegsbilder aus den Hochalpen

172 Adolf Deye 
Freund und Feind hin und her und es war interessant zu beobachten , daß von diesem Standpunkte aus das Geräusch , mit dem die Geschosse die Luft durcheilten , viel ver - nehmlicher und naturgemäß anhaltender und langgezogener zu hören war als in den Stellungen . Zum Zeitvertreib erzählten wir uns von unseren Vergerlebnissen in Friedenszeiten und ich glaube , es wurde uns warm dabei , trotz der höchst unwirt - lichen Kälte , die allmählich die Luft zu erfüllen begann . Wie fern schien uns das alles gerückt und wir konnten kaum erfassen , daß es einmal wieder so werden könne , daß man im hellen , friedlichen Sonnenschein die Berge erklettern wird , ohne dabei ständig nach „ Deckung " suchen zu müssen — außer vielleicht gegen Steinschlag , gegen „ schönen , natürlichen , friedlichen Steinschlag " , der uns dann als „ Inbegriff der Gefahrlosigkeit " erscheinen würde — im Gegensatz zu — „ so manchem anderen " . 
Von den „ Drei Zinnen " sprachen wir , von der Palagruppe , der Marmolata , und es erschien uns fast sündhaft , damals die besten Kräfte aufgewendet zu haben für „ nicht dienstliche Angelegenheiten " . So war es bei munterer Wechselrede allmählich dunkler geworden und schließlich glaubten wir , ohne Gefahr weitergehen zu können . Das Seil trat jetzt in Anwendung und wir tasteten uns vorsichtig an Gratzacken und losen Felsblöcken vorwärts . Mit Genugtuung stellten wir fest , daß wir uns auf eine Seillänge schon gegenseitig nicht mehr sehen konnten und daß wir immer mehr eins wurden mit dem Dunkel der Felsen — alles Dinge , von denen man in Friedenszeiten weniger entzückt gewesen wäre . 
Unser Grat führte mit wechselnden Schwierigkeiten bald auf einen ausgeprägteren Gipfel . Die Arbeit des Steinmannbauens , die bei einer Erstbesteigung unter anderen Umständen wohl als unerläßlich gegolten hätte , ersparten wir uns . 
Vor uns ragte nun wieder ein höherer Gipfel auf , dessen Besuch wir als letztes Ziel in Aussicht genommen hatten , denn diese Erhebung ist nur noch durch eine schmale Scharte von dem damals im Besitze der Italiener gewesenen Gipfel getrennt . Unsere militärische Aufgabe konnten wir durch die vorangegangene Beobachtung schon teil - weise als erfüllt betrachten . Aber auch im weiteren Verlaufe der Nacht konnten wir noch manche nutzbringenden Erhebungen über Art und Standort der feindlichen Stel - lungen machen — doch kann ich hier nicht des näheren darauf eingehen . 
Jedes Geräusch auf das peinlichste vermeidend , setzten wir unsere immer aus - gesetzter werdende Kletterei fort . Da begann es langsam zu schneien , erst in einzelnen Flocken , denen wir keine Beachtung schenkten ; bald aber konnten wir es uns nicht länger verhehlen , daß da ein ganz den Regeln der Kunst entsprechender Schneesturm im Anzug sei . Wir beschleunigten unser Vordringen , denn unser Ziel war nicht mehr fern . Vor uns ragte in großer Steilheit unser Gipfel auf , drohend in seinen kühnen , schattenhaften Umrissen . Schon waren alle Griffe und Tritte mit einer dicken Schnee - schicht bedeckt . Alle zehn Schritte mußten wir stehen bleiben , um die Hände aufzu - tauen . Endlich standen wir unter dem letzten Grataufschwung , einer senkrechten Kante , deren Erkletterung mir viel zu schaffen machen sollte . Wäre ich an einem schönen , sonnigen Friedenstag hier gewesen — vielleicht hätte ich in einem späteren „ Turenbericht " geschrieben : „ Über ein hübsches , steiles Wandl schwierig und aus - gesetzt zum Gipfel " und es würde sich dann später sicher einer gefunden haben , der selbst die Bezeichnung „ schwierig " für „ einfach lächerlich " gehalten hätte . In diesem Falle aber will ich gerne zugeben , daß ich mir auf meine Kletterfähigkeit nichts zugute tun darf , denn als ich nagelscharrend aufwärtszukommen trachtete , konnte ich — und mein Begleiter mit mir — nicht genug meine große Unbeholfenheit bewundern . Als ich mich dergestalt einige Meter hinaufgearbeitet hatte , wäre ich gerne wieder um - gekehrt — wenn es nur so leicht gegangen wäre . So mußte ich vorziehen , weiter nach oben zu streben . Mit den Händen hatte ich einige splitterige Griffe ausge - graben , denen ich mein Körpergewicht anvertrauen mußte , was mein Sicherheits -
	        
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