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Pilatus: Neugierig macht mich das auf den Geklagten,
Das ist so gar nicht nach Verbrecherart.
Was hat der Hohe Rat denn gegen ihn?
Nikodemus: Sie klagen ihn des Hochverrates an.
Pilatus: Das, meine ich, ist ihre eig'ne Krankheit,
Von der sie selbst noch nicht genesen sind.
Ich tu', was möglich, und ich sag' euch nur,
Kann ich der Sippe einen Possen spielen,
Mit wahrer Herzensfreude wird's geschehen,
Sie sollen nicht auf ihre Rechnung kommen.
Nikodemus: Für diese Worte sei gesegnet, Herr,
Nun ist mir nicht mehr bang um meinen Heiland.
Nur eins erbitt' ich: Bleibe unbeugsam
Und halte fest an dem gegebenen Wort.
Sie werden alles tun, dich umzustimmen,
Und dann war' schrecklich einmal dein Gericht.
Pilatus (stolz): Ich habe mein Gericht in meiner Brust.
Nie gibt ein Römer seine Ehre preis,
Das kann euch beiden vorderhand genügen.
Christus vor Pilatus.
Platz vor dem Lithostroton, das eine offene Vorhalle der Burg Antonia
ist, zu der eine Freitreppe hinaufführt. Am Fuße der Treppe steht Christus
gebunden zwischen zwei Knechten. Hinter ihm drängt sich das Volk, an seiner
Spitze Kaiphas mit den Priestern. Pilatus erscheint oben, umgeben von
einer Wache.
Pilatus (mit unterdrücktem Hohnlachen in der Stimme):
Ein neuer schwerer Fall! Ein Hochverräter! .
Und ihr bringt heute selber den Rebellen?
Seit wann verratet ihr denn euresgleichen?
Sonst hatten wir doch immer schwere Not,
Euch einen von der Sorte abzujagen,
Und ihr halft ihm beim Leugnen meisterlich.
Kaiphas: Das alles weißt du von der Klage schon?
Pilatus: Ja, oder soll's ein Tempelopfer fein,
Mit dem im Dunkel ihr den Weg verfehlt?
Das wäre zwar ein etwas starkes Stück,