Volltext: Dur und Moll aus dem Schulleben 1. Bändchen (1. Bändchen / 1918)

in der zweiten Bedeutung erinnere. Hat mir eines der Kin 
der durch seine Dummheit oder Faulheit — Trotz oder Wi 
derspenstigkeit muß freilich mit anderen Mitteln bezwungen 
werden — besonders warm gemacht, so lasse ich es nach 
sitzen, gebe ihm eine angemessene Strafaufgabe und zum 
Schlüsse muß es noch säuberlich in Lateinschrift 20- oder 
30mal den Namen der antiken Stadt „J-bi-dum" nieder 
schreiben. Die Sache ist dann wieder für einige Zeit er 
ledigt." 
So mein Freund R. Ich bedankte mich für seine Auf 
klärungen und beschloß, mir die Worte Rudolf von Habs- 
burgs und die des Türkenbesiegers wohl zu merken. Auf 
den Zauberring mußte ich allerdings noch lange verzichten, 
denn ich habe erst sechs oder sieben Jahre später geheiratet. 
Mein lieber N.! Ich muß Dir ehrlich gestehen, daß 
der Zauberring bei mir sehr oft versagt hat — meine 
Frau, die mir schon einige Minuten über die Achsel guckt, 
weil sie sich nicht erklären kann, weshalb ich Dir heute so 
lang schreibe, behauptet sogar, eine solche Wirkung sei bei 
mir „ganz ausgeschlossen" — denn die Ruhe und Selbst 
beherrschung meines Freundes R. habe ich nur stets be 
wundern, aber n i e erreichen können. („Stimmt", sagt 
meine Frau und entfernt sich schleunigst.) 
Eines aber habe ich immerhin gelernt: Die Geduld 
wieder zu f i n d e n und wenn ich sie auch hundertmal ver 
loren habe. 
Als ich im vergangenen Sommer das Grab meines 
verewigten, unvergeßlichen Freundes R. in P. besuchte, da 
fand ich es voll blühender Blumen. Es müssen wohl die 
Tränen, die seine dankbaren Schüler und Schülerinnen bei 
seinem Leichenbegängnisse auf seinem Grabeshügel vergossen 
haben — der geliebte Lehrer hat zwei Generationen in dem 
selben Orte unterrichtet — diese Blumenpracht hervor 
gezaubert haben. 
Und nun muß ich wohl schließen. Unsere Rosl — Du 
kennst ja unseren 15jährigen Ungestüm zur Genüge — hat 
heute einen etwas phantastischen Aufsatz über „Drei 
Wünsche" geschrieben, den ich ihr zur Reinschrift noch durch 
sehen mußte. Als ich damit fertig war, sagte sie: „Vater, 
was für drei Wünsche hättest denn du?" 
Da denke ich an Freund R. mit seinen „drei G" und 
sage: „G's und sein, g u t sein und g's ch e i t sein." 
Die Rosl schaut mich an und sagt dann nachdenklich: 
„Geh, Vater, du hast allweil was Absonderliches!"
	        
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