Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

um Menschheitsfragen zu kümmern und zu sorgen, 
dahinter hätte die Sorge um ihr Volk zurückzutreten. 
Aber seinen Weltbeglückungs- und Friedensträumereien 
und über seinen Parteistreitigkeiten hatte es das deutsche 
Volk versäumt, sich so wehrhaft zu machen, wie es 
feine gefährdete Lage in der Welt erforderte. Vor 
dem Kriege feilschte der Reichstag bei Fragen des 
Heereswesens — es erscheint uns jetzt wie ein übler 
Witz — um jede lumpige Million Mark mit der 
Negierung, und diese wagte es nicht, das Notwendige 
gegen den Widerstand der Volksboten durchzusetzen, 
wie ihr denn Kraft, Folgerichtigkeit und Stetigkeit 
vollständig mangelten. Als dann der Krieg begann, 
fehlte das Notwendige an allen Ecken und Enden. 
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft und auch 
sonst fast in jeder Hinsicht ungenügend vorbereitet, 
ging das deutsche Volk in den Krieg, den es an- 
geblich gewollt und heraufbeschworen hat. Das Tollste 
aber war, daß dann auch während des Krieges weder 
die Regierung, noch die große Masse des Volkes das 
Wesen dieses Kampfes klar erkannten. Die Regierung 
träumte immer weiter von Verständigung und Ver- 
söhnung und tat alles halb oder gar nicht oder zu 
spät, und das Volk zersplitterte seine Kraft in Partei- 
streitigkeiten, die immer wilder und erbitterter wurden. 
Das Genie zweier großer Feldherren, die Tapferkeit 
des Heeres, die Opferwilligkeit bestimmter Volkskreise 
ermöglichten den Deutschen, trotzdem vier Jahre hin- 
durch die siegreiche Führung des Krieges, ja, nach 
dem Zeugnis des Lord Churchill, hätte Deutschland 
um ein Haar den Krieg gewonnen. Aber dann kam 
der Zusammenbruch der Bundesgenossen, an die uns 
eine verrückte Staatskunst geschmiedet hatte, es kam der 
Zusammenbruch des Kriegswillens in der deutschen 
Arbeiterschaft und infolgedessen der Zusammenbruch 
des verführten und verhetzten Heeres, und endlich löste 
die Revolution das Heer selbst vollständig auf, noch 
ehe der Friede geschlossen war und machte Deutsch- 
land vollkommen wehrlos. Das kann nicht alles mit 
der Hungerpsychose entschuldigt und erklärt werden, 
denn gerade der Teil des Volkes, der am meisten 
gedarbt und gehungert hat, der kleine Mittelstand, hat 
treu und fest durchgehalten. Die Hetzer und Schürer 
dagegen verstanden es zumeist, trotz der allgemeinen 
Not recht behaglich zu leben, gehörten auch zum größ- 
ten Teile der „unabkömmlichen Konfession" an. 
So kam es, wie es kommen mußte. Übersieht 
man alle die ungeheuren Fehler und Versäumnisse, 
die vor dem Kriege und während des Krieges ge- 
macht worden sind, so muß man sagen: Nur ein 
Wunder Gottes konnte uns den Sieg verschaffen. 
Er hat sehr wohl gewußt, weshalb er ein solches 
Wunder nicht tat. Das deutsche Volk mußte wieder 
einmal, wie schon mehrmals im Laufe der Geschichte, 
in eine harte Zucht genommen werden. 
An seiner Zukunft brauchen wir trotzdem nicht zu 
verzweifeln. Ein Volk, das selbst nach dem Dreißig- 
jährigen Kriege wieder hoch emporzukommen ver- 
mochte, trägt wohl unzerstörbare Lebenskräfte in sich 
und so wird es auch aus seiner jetzigen Schmach und 
Erniedrigung den Weg zur Höhe wiederfinden. Wir, 
die eine Zeitlang gehofft haben, den Anbruch des 
deutschen Tages in der Geschichte mitzuerleben, sind 
freilich aufs grausamste enttäuscht worden. Es mag 
Jahrzehnte dauern, ehe Deutschland auch nur frei 
wieder atmen kann. Aber einst wird kommen der Tag, 
da Bismarcks Schöpfung sich aus ihren Trümmern 
erheben und unser Volk unter den Völkern der Erde 
den Platz einnehmen wird, der ihm trotz aller seiner 
Schwächen gebührt. Darauf wollen wir hoffen, daran 
wollen wir glauben, dafür wollen wir arbeiten und 
im Hoffen und Glauben und Arbeiten nicht ver- 
zagt, noch müde werden! 
Paul Schreckenbach. 
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