Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

und Schürer des Aufstands, Liebknecht und die 
Luxemburg, verhaftet, und nach ihrer Verhaftung 
von Negierungstruppen und wütenden Volkshaufen 
ermordet. Auch in zahlreichen anderen Städten kam 
es im Januar zu blutigen Unruhen und fast überall 
wurde gestreikt, d. h. die kleinen Minderheiten der 
Radikalen streikten und zwangen die ruhigen und 
besonnenen Arbeiter zur Niederlegung der Arbeit. 
— Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur Na- 
tionalversammlung statt. Sie ergaben eine schwache 
bürgerliche Mehrheit, was die Radikalen in verschie- 
denen Bundesstaaten, wo sie die Macht hatten, z. V. 
in Braunschweig, veranlagte, ihr den Gehorsam zu 
kündigen. Die Versammlung wurde nicht nach Ber- 
lin einberufen, da die Regierung fürchten mußte, daß 
sie dort unter die Herrschaft der Straße geraten würde, 
sondern nach Weimar. Hier trat sie 
am 6. Februar zusammen. Sie war 
hervorgegangen aus Wahlen, an denen 
alle Deutschen, die das 20. Lebensjahr 
überschritten hatten, teilnehmen konnten, 
ohne Unterschied des Geschlechts. Auch 
ein paar Dutzend Frauen befanden sich 
unter den Erkorenen der Nation, aber 
es kann leider »nicht gesagt werden, 
daß auch nur eine von ihnen die Zu- 
ziehung des weiblichen Geschlechtes zum 
Parlament als eine zwingende Not- 
wendigkeit erwiesen habe. Sie zeigten 
sich politisch nicht dümmer aber auch 
nicht klüger als der Durchschnitt ihrer 
männlichen Kollegen, und die ganze 
Versammlung mit Ausnahme von zehn 
oder zwölf Leuten bestand aus Mittelmäßigkeiten oder 
solchen, die an Geist, Bildung und Charakter weit unter 
der Mittelmäßigkeit standen. Dem entsprach ihre Lei- 
stung. Sie wählte einen Reichspräsidenten, den 
bisherigen Reichskanzler Friedrich Ebert, und da nach 
der Lage der Dinge nur ein Sozialdemokrat für 
diesen Posten in Betracht kam, so tat sie damit noch 
den besten Griff, den sie tun konnte, denn Ebert 
war zum wenigsten ein ruhiger und wohlmeinender 
Mann. Die neue Reichsregierung bildete im Austrage 
des Präsidenten der Ministerpräsident Scheidemann. 
Sie setzte sich zusammen aus Sozialdemokraten, Zen- 
trumsleuten und Demokraten. Zu erwähnen ist nur, 
daß Noske Reichswehrminister, und der demokratische 
Graf Vrockdorff-Rantzau Minister des Auswärtigen 
wurden. 
Die Hauptaufgabe der neuen Regierung sei, den 
Frieden so bald wie möglich herbeizuführen und ihn 
so günstig wie möglich für Deutschland zu gestalten. 
Aber sie war nicht imstande, diese beiden Aufgaben 
zu lösen. Am 6. Februar 1919 war die National- 
Versammlung in Weimar zusammengetreten, am 
13. Februar war die neue Regierung fertig, aber 
Woche auf Woche, Monat auf Monat verrann, und 
der Friede wurde nicht abgeschlossen. Immer wieder 
ließen sich die Feinde nur zu einer Verlängerung 
Prof. vi-. Hugo Preutz. 
(Phot. H. Noack, Berlin.) 
des Waffenstillstandes bereit finden, und jedesmal 
mußte sie mit neuen Demütigungen, Verzichten und 
Abtretungen erkauft werden. Die tollste Forderung 
erhoben sie im Januar. Da verlangten die Entente- 
staatsmänner, daß ihnen die deutsche Handelsflotte 
ausgeliefert werde. Eher würden sie Deutschland 
weder mit Lebensmitteln versorgen, noch den Waffen- 
stillstand verlängern. Erzberger lieferte sie aus oder 
vielmehr „stellte sie ihnen zur Verfügung", wie er 
sich ausdrückte. Das Eigentum an den Schiffen 
blieb den Deutschen, wie er erklärte, „absolut gesichert 
mit der Sicherung, die jeder internationale Vertrag 
bieten kann." Natürlich waren sie vom Augenblicke 
der Auslieferung an für Deutschland verloren. Doch 
wurde darauf der Waffenstillstand um vier Wochen 
verlängert. Am 14. Februar erfolgte eine weitere 
Verlängerung unter der Bedingung, 
daß die Deutschen nicht mehr gegen die 
Polen vorgingen, die bereits einen großen 
Teil der gemischtsprachigen Gebiete im 
Osten Deutschlands mit ihren Truppen 
überflutet hatten, immer weiter nach 
Westen vordrängten und die ärgsten 
Gewalttaten gegen Deutsche ausübten. 
Noch wäre die deutsche Reichswehr stark 
genug gewesen, sich dieser Banden zu 
erwehren, ja sie sogar über die Grenze 
zurückzuwerfen. Aber die deutsche Re- 
gierung fügte sich und nahm eine von 
Foch bestimmte Demarkationslinie an, 
über die hinaus keine deutschen Trup- 
pen vorgehen durften und durch die das 
Gebiet, das die Polen bereits besetzt hat- 
ten, in deren Hand blieb. Im weiteren Verlaufe der Un¬ 
terhandlungen gestattete die deutsche Regierung sogar, 
daß ein polnisches Heer, das aber zum Teil aus Franzo- 
sen bestand und französischen Offizieren untergeben war, 
auf deutschen Eisenbahnen durch das Reich nach Polen 
geschafft wurde, natürlich mit Geschützen, Munition und 
anderem Kriegsmaterial, angeblich um gegen die Bol- 
schewisten geführt zu werden. Clemenceau, Foch 
und Lloyd George wußten, daß sie den Deutschen alles 
bieten konnten, und Wilson, der nach Europa ge- 
kommen war und von Paris aus den obersten Schieds- 
richter der Welt spielen wollte, hatte ihnen gegenüber 
nichts mehr zu sagen, seitdem das deutsche Heer 
zerbrochen war. Seine Verbündeten, die vorher nach 
seiner Hilfe geschrieen hatten, brauchten ihn ja nun 
nicht mehr. Er war ihnen vielmehr geradezu lästig, 
denn er mußte Rücksichten auf sein Volk nehmen, das 
eine Vernichtung des deutschen Volkes nicht wünschte 
und schon aus Handelsrücksichten gar nicht wünschen 
konnte. Das hatten die unsinnigen Narren und 
Phantasten in Deutschland, die ihr Land wehrlos 
gemacht hatten, nicht bedacht, daß sie selbst ihren 
schwärmerisch verehrten Friedenshort Wilson matt 
gesetzt und zur Ohnmacht verurteilt hatten. Selbst 
wenn er den Deutschen einen besseren Frieden hätte 
erwirken wollen — was allerdings sehr zweifelhaft 
980
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.