Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

benutzte der französische Marschall und brachte durch 
seine Bedingungen Deutschland in eine solche Lage, 
daß es nach Abbruch des Waffenstillstandes die Waffen 
mit einiger Aussicht auf Erfolg kaum wieder er- 
heben konnte. 
Aus Mangel an Raum können hier nur die wich- 
tigsten und schwersten Bedingungen mitgeteilt wer- 
den. Die Deutschen hatten binnen fünfzehn Tagen 
nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes das be- 
setzte Gebiet in Belgien, Frankreich und Luzcemburg 
zu räumen, ebenso Elsaß-Lothringen. Die deutschen 
Truppen, die nach Ablauf dieser Zeit noch nicht die 
betreffenden Gebiete verlassen hätten, sollten kriegs- 
gefangen sein. Die Deutschen sollten in gutem Zu- 
stände abliefern 2500 schwere Geschütze und 2500 
Feldgeschütze. 23000 Maschinengewehre, 3000 Minen- 
werfer, 1700 Jagd- und Vombenabwurfgeschütze. Das 
linke Nheinufer sollten die deutschen Armeen räumen. 
Diese Gebiete sollten besetzt werden durch die Truppen 
der Verbündeten, dazu die Brückenköpfe bei den wich- 
tigsten Rheinübergängen, Mainz, Koblenz, Köln, von 
je 30 Kilometer Durchmesser auf dem rechten Ufer. 
Dazu sollte eine neutrale Zone auf dem rechten Rhein- 
ufer geschaffen werden, die verlaufen sollte zwischen 
dem Fluß und einer Linie, gezogen parallel den Brücken- 
köpfen und dem Flusse in einer Breite von 10 Kilo- 
meiern von der holländischen bis zur schweizer Grenze. 
Alle militärischen Einrichtungen und alle Vorräte, die 
einen Monat nach Unterzeichnung des Waffenstill- 
stands nicht mit fortgeführt werden konnten, sollten 
zurückgelassen werden, ebenso die Lebensmitteldepots 
für die Zivilbevölkerung. Die Deutschen sollten 5000 
Lokomotiven und 150000 Eisenbahnwagen in gutem 
Zustand sowie mit allen Ersatzteilen und dem nötigen 
Gebrauchsgerät binnen 31 Tagen ausliefern und 
binnen 36 Tagen 5000 Lastkraftwagen und alle elsaß- 
lothringischen Eisenbahnen. Alle Vorräte an Kohlen, 
Betriebsmaterial, Schienen usw. für den Eisenbahn- 
betrieb aus dem linken Rheinufer hatten sie an Ort 
und Stelle zu belassen. In den zu besetzenden Ge- 
bieten wurde den Verbündeten das Recht der Re- 
quisition eingeräumt. Alle Kriegsgefangenen ohne 
Ausnahme hatten die Deutschen, ohne das Recht auf 
Gegenseitigkeit, sofort auszuliefern. Die Zurückge- 
lieferten konnten nach Belieben verwendet werden. 
Die Zurückführung der deutschen Kriegsgefangenen 
sollte beim Abschluß des Präliminarfriedens geregelt 
werden. Alle deutschen Truppen sollten sofort aus 
Österreich-Ungarn, Rumänien und der Türkei zurück- 
geführt werden, aus Rußland dann, wenn die Ver- 
kündeten es für ratsam erachten würden. Die Friedens- 
vertrüge von Brest-Litowsk und Bukarest sollten für 
nichtig erklärt und den Verbündeten freier Zuzug 
über Danzig und die Weichsel gewährt werden zu 
den von den Deutschen im Osten geräumten Gebieten. 
Ostafrika wurde den Engländern übergeben. Alle 
Zivilinternierten und Geiseln hatten die Deutschen 
ohne Recht auf Gegenseitigkeit binnen eines Monates 
zurückzugeben. Die Deutschen sollten Schadenersatz 
leisten, und „jeder nachträgliche Verzicht und jede nach- 
trägliche Forderung" seitens der Verbündeten und der 
Vereinigten Staaten wurde vorbehalten. Der Kassen- 
bestand der Belgischen Nationalbank sollte sofort zu- 
rückerstattet werden, ebenso sämtliche Dokumente, Bar- 
geld und Wertpapiere, die öffentliche und private 
Interessen in den besetzten Gebieten berührten. Das 
russische und rumänische Gold, das die Deutschen be- 
schlagnahmt hatten oder das ihnen ausgeliefert war, 
sollten sie den Verbündeten bis zur Unterzeichnung 
des Friedens in Verwahrung geben. Bezüglich der 
deutschen Seemacht wurde bestimmt: Sofortige Ein- 
stellung aller Feindseligkeiten zur See. Rückgabe 
aller Kriegsgefangenen ohne Recht auf Gegenseitig- 
keit, Auslieferung von allen deutschen Unterseebooten, 
6 Panzerkreuzern, 10 Linienschiffen, 8 kleinen Kreuzern, 
50 Zerstörern neuesten Typs, aller Unterwasserkreuzer 
und Minenleger, Abrüstung aller übrigen deutschen 
Kriegsschiffe, Beseitigung aller Minen und Sperr- 
anlagen, freie Einfahrt aller Schiffe der Verbündeten 
in die Ostsee, Besetzung aller Forts, Küstenwerke, 
Batterien und Verteidigungsanlagen. Alle Luftstreit- 
kräfte sollten stillgelegt und in den von den Ver- 
bündeten zu bestimmenden Flughäfen zusammen- 
gezogen werden. Deutschland räumt alle Häfen des 
Schwarzen Meeres und liefert alle beschlagnahmten 
russischen Kriegsschiffe aus. Alle Handelsschiffe der ver- 
bündeten Mächte werden ohne das Recht auf Gegen- 
seitigkeit zurückgegeben. Die Blockade Deutsch- 
lands bleibt im gegenwärtigen Umfange be- 
stehen. — Der Waffenstillstand wurde auf 36 Tage 
abgeschlossen. Wurden seine Bestimmungen nicht aus- 
geführt, so konnte er gekündigt werden. Die Kündi- 
gungsfrist betrug 48 Stunden. Um die Ausführung 
des vorliegenden Abkommens zu sichern, wurde die 
Einsetzung einer ständigen internationalen Waffen- 
stillstandskommission vorgenommen. Sie trat in Spaa 
zusammen. 
Der Führer der deutschen Abordnung war jener 
Matthias Erzberger aus Buttenhausen, der sich einst 
öffentlich gerühmt hatte, säße er nur erst mit Lloyd 
George am Verhandlungstische, so werde er in einigen 
Stunden den Frieden zustande bringen. Jetzt war 
er durch eine tolle Laune des Glückes Staatssekretär 
und deutscher Unterhändler mit dem Höchstkomman- 
dierenden der Ententetruppen geworden und konnte 
zeigen, was er zu leisten vermochte. In welcher 
Weise er da tätig war, dafür ein Beispiel, das in 
vielen Zeitungen erzählt und nicht dementiert worden 
ist. Foch verlangte 10000 Lokomotiven. „So viele 
haben wir überhaupt nicht", erwiderte Erzberger. 
Darauf Foch: „Nun, dann 5000". Erzberger: „Gut, 
5000 werden wir liefern." Wer so unterhandelt, 
kann allerdings in einigen Stunden — eine Groß- 
macht zugrunde richten. Vieles von dem Unglück, 
das nachher über Deutschland kam, war die Folge 
der vollkommenen Zerrüttung seines Transportwesens. 
Aber selbst wenn das deutsche Volk einen Klügeren und 
Geschickteren als diesen ehernen Berg selbstgefälliger 
974
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.