Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

anderen Parteien, daß dann nicht nur der Krieg, 
sondern auch das Deutsche Reich aufhören werde. 
Sie konnten sich der Meinung der Cohn, Ledebour 
und Haase nicht anschließen, daß dann das Prole- 
tariat der feindlichen Länder, begeistert durch das 
deutsche Beispiel, ebenfalls ihrer Regierung die Mittel 
zur Fortführung des Krieges verweigern und so einen 
herrlichen Völkerfrieden, gegründet auf Recht und 
Gerechtigkeit, herbei- 
führen werde. Des- 
halb bewilligten sie 
im Herbste 1918 die 
neugeforderten Kre¬ 
dite von 15 Milli- 
arden Mark gegen die 
Stimmen der Unab- 
hängigen. Die 6. 
deutsche Kriegsan- 
leihe im März 1917 
hatte 12 Milliarden 
978 9407(10 Mark ge¬ 
bracht, die 7. im Ok- 
tober 1917 brach- 
te 12 Milliarden 
625600220 Mark, 
die 8. im April 1918 
brachte 14^ Milli- 
arden Mark, nach- 
dem am 18. März 
der Reichstag wieder 
gegen die Stimmen 
der Unabhängigen 
15 Milliarden Kriegs- 
kredite bewilligt hat- 
te. Das sei gleich 
hier bemerkt. Dieie 
Zahlen beweisen, wie 
fest die allerweitesten 
Kreise in Deutschland 
bis in das Jahr 1918 
hinein von der Uber- 
zeugung durchdrun- 
gen waren, daß der 
Krieg einen günsti- Gewaltsame Erkundung. Nach einer 
gen Ausgang neh- 
men werde, d. h. daß Deutschland zum mindesten 
seine Stellung in der Welt behaupten werde. Denn 
man soll doch nicht wähnen, daß die große Mehr- 
zahl der Kriegsanleihezeichner in Deutschland mit 
ihren Zeichnungen ein Opfer fürs Vaterland hätte 
bringen wollen. Die Kriegsanleihe erschien ihnen 
als ein gutes Geschäft mit ihrer fünfprozentigen Ver- 
zinsung und als ein sicheres Geschäft, denn sie hatten 
den Glauben, Deutschland werde am Ende oben 
bleiben. In England hatte die Regierung zum großen 
Teile die Mittel zur Kriegführung nicht durch An- 
leihen, sondern durch Steuern aufgebracht. Dabei 
waren fast unglaubliche Eingriffe in den Geldbeutel 
der Neichen und Besitzenden gemacht worden, 20, 
30, ja 50 vom Hundert der großen Einkommen waren 
als Kriegssteuern erhoben worden. Triumphierend 
riefen die deutschen Zeitungen, da sehe man ja deut- 
lich, wie viel größer die Opferwilligkeit des deutschen 
Volkes sei als die des englischen. Was in Deutsch- 
land freiwillig geleistet werde, das müsse in England 
erzwungen werden. Auch im Reichstage wurde 
diesem Triumphgefühle mehrmals Ausdruck gegeben 
sogar von Vertretern 
der Regierung, und 
so sonnte sich denn 
das deutsche Volk im 
Bewußtsein seiner 
hohen moralischen 
Überlegenheit. In 
Wahrheit lag die Sa- 
ganz anders, sie 
lag geradezu umge- 
kehrt. Das englische 
Verfahren war viel 
klüger, denn es be- 
wahrte den Staat 
vor der ungeheuren 
Schuldenlast, die sich 
allmählich auf das 
Deutsche Reich häuf- 
te, und es gab ihn, 
die Mittel, die Kriegs- 
gewinne ganz anders 
zu erfassen, als es in 
Deutschland geschah. 
Namhaftes, Durch- 
greifendes geschah in 
Deutschland gegen 
die Kriegsgewinne 
überhaupt nicht. Das 
solltenach Kriegsende 
geschehen, da wollte 
die Regierung zu- 
greifen, vorausge- 
setzt, daß das Paria- 
ment es erlaubte. 
Während des Krie- 
Olskizze von Wilhelm Buddenberg. g^S hütete sie sich, 
diese Leute zu ver- 
stimmen. Das englische Verfahren setzte aber auch 
eine viel größere Opferwilligkeit voraus. Das deutsche 
Volk hätte eine solche Besteuerung einfach nicht er- 
tragen, das müssen wir uns eingestehen, wenn wir 
ehrlich sein wollen. Das englische Volk ertrug sie, 
und darin liegt auch mit eine Erklärung dafür, wes- 
halb es zur Weltherrschaft berufen ist, das deutsche, 
zur Zeit, leider nicht. 
Immerhin beweisen die hohen Anleihezeichnungen 
in Deutschland, wie gesagt, wie sehr der weitaus 
größte Teil und gerade der besitzende und ausschlag- 
gebende Teil des deutschen Volkes von einem günstigen 
Kriegsende überzeugt war, und gerade deshalb war 
es für jeden Kanzler so schwer, ja geradezu unmög- 
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