Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

ganzen Front in erbittertem Ringen ab. Die An- 
greifenden erlitten natürlich die schwersten Verluste 
und erreichten in der Tat so gut wie nichts, aber 
lächerlich genug war es, wenn eifrige deutsche Kriegs- 
berichterstatter die mühsame Abwehr des Angriffes 
als einen großen Erfolg priesen. Der deutschen 
Kriegsleitung, versicherten sie, komme es nicht sowohl 
darauf an, einen großen Geländegewinn zu machen 
und weiter vorzudringen, sondern darauf, daß die 
Feinde möglichst hohe blutige Verluste hätten und 
dadurch „zermürbt" würden. „Zermürbung" war 
das Schlagwort des Tages, und dabei hätte sich 
jeder sagen können, daß den Franzosen ihre Neger- 
verluste total gleichgültig waren, und daß die ame- 
rikanischen Hilfstruppen jeden Ausfall an Menschen 
leicht ersetzen 
konnten. Foch 
war in der Lage, 
soviel Leute op- 
fern zu können, 
wie er wollte, 
während der 
deuische Ersatz 
immer schwieri- 
ger wurde, und 
das schlimmste 
war.daßderfran- 
zösische Ober- 
befehlshaberdas 
ganz genau 
wußte. — Plan- 
mäßig räumten 
die Deutschen 
ihre Stellun- 
gen nördlich der 
Marne und gm- 
gen in die Li- 
nie zurück, die sie sich zu weiterem Widerstande 
ausersehen hatten. Der Rückzug gelang und wurde 
in guter Ordnung vollzogen trotz heftigen Nach- 
dringen? der Franzosen, aber von da an hatten die 
Deutschen die Initiative verloren und befanden sich 
lediglich in der Abwehr. Die Gesetze des Handelns 
auf dem Kriegsschauplatze der Westfront schrieb von 
nun an der Marschall Foch vor. In der Nacht vom 
1. zum 2. August wurde die deutsche Front hinter 
die Vesle zurückverlegt, die feindlichenAngriffe gegen 
die neue Stellung wurden überall abgewiesen. 
Von da an meldeten die deutschen Heeresberichte 
fast jeden Tag größere gescheiterte Teilangriffe der 
Fochschen Heere, aber auch fast jeden Tag eine wei- 
tere Zurückverlegung der deutschen Linie. Auf dem 
Marneschlachtfelde ging Boehn am 2. August weiter 
zurück, an demselben Tage wurden starke englische 
Angriffe bei Upern abgewiesen. Am 3. August er- 
folgte ein Zurücknehmen der deutschen Front bei 
Albert, am 4. August bei Montdidier und Fismes. 
Die nächsten Tage hörte man nur von Erkundungs- 
gefechten und weniger bedeutenden Angriffen, bis dann 
über den 8. August eine deutsche Niederlage gemeldet 
wurde. Aber wie wurde sie gemeldet? So, daß nie- 
mand auch nur im entferntesten die furchtbare Ve- 
deutung dieses Ereignisses zu erkennen oermochte. 
Der amtliche Heeresbericht darüber lautete: 
„Zwischen Ancre und Avre griff der Feind gestern mit 
starken Kräften an. Durch dichten Nebel begünstigt, drang 
er mit seinen Panzerwagen in unsere Infanterie- und Artil- 
lerielinien ein. Nördlich der Somme warfen wir den Feind 
im Gegenstoß aus unseren Stellungen zurück. Zwischen Somme 
und Avre brachten unsere Gegenangriffe den feindlichen An- 
stürm dicht östlich der Linie Morcourt-Harbonnieres-CaiX 
-Fresnoy — Contoire zum Stehen. Wir haben Einbuße an 
Gefangenen und Geschützen erlitten. Durch Gefangene, die 
wir machten, wurden Engländer mit australischen und kana¬ 
dischen Hilfskorps sowie Franzosen festgestellt." 
Nun, wir haben also eine kleine Schlappe erlitten. 
Unsere unver- 
gleichlichen Feld¬ 
herren und un¬ 
ser ebenso un- 
vergleichliches 
Feldheer werden 
sie schon bei näch- 
ster Gelegenheit 
wieder gut ma- 
chen — so mochte 
der deutsche Bür¬ 
ger denken, der 
diesen Bericht 
las. Der Erfah- 
rene mochte sich 
sagen, daß die 
Schlappe recht 
bedeutend sein 
mußte, wenn der 
Heeresbericht 
Verluste an Ge- 
fangenen und 
Geschützen ausdrücklich zugab. Was aber der Tag 
wirklich bedeutete, konnte kein Mensch ahnen. Wir 
erfahren es nachträglich aus den Kriegserinnerungen 
Ludendorffs, der darüber schreibt: 
„Der 8. August ist der schwarze Tag des deutschen Heeres 
in der Geschichte dieses Krieges. Schlimmeres erlebte ich nur 
in den Ereignissen, die vom 15. September ab sich an der bul- 
garischen Front abspielten und das Schicksal des Vierverbandes 
besiegelten. 
Am 8. August früh bei dichtem Nebel, der noch durch 
künstlichen verstärkt wurde, griffen Engländer, vornehmlich mit 
australischen und kanadischen Divisionen, und Franzosen zwi- 
schen Albert und Moreuil mit starken Tankgeschwadern, im 
übrigen aber mit keiner großen Überlegenheit an. Sie brachen 
zwischen Somme und Luce-Bach tief in unsere Front ein. 
Die dort stehenden Divisionen ließen sich vollständig über- 
rennen. In ihrem Stabsquartier wurden Divisionsstäbe von 
feindlichen Tanks überrascht. Die Einbruchsstellen erweiterten 
sich sehr bald über den Luce-Bach; die noch bei Moreuil 
tapfer sich wehrenden Truppen wurden aufgerollt. Nach Norden 
gebot die Somme Halt. Unsere nördlich davon kämpfenden 
Truppen hatten den gleichen Anprall siegreich abgewehrt. Die 
am Tage vorher als übermüdet abgelösten Divisionen, die in der 
Gegend südwestlich Peronne standen, wurden seitens des Ar- 
meekommandos der 2. Armee sofort alarmiert und in Marsch 
gesetzt. Gleichzeitig wurden von ihnen alle irgendwie verfüg- 
baren Truppen gegen die Einbruchsstellen vorgezogen. Die 
Heeresgruppe Rupprecht setzte Reserven mit der Bahn dorthin 
Ein deutsches weittragendes Geschütz in Feuerstellung. Nach einem Aquarell für die 
„Jllustrirte Zeitung" von dem Kriegsteilnehmer Albert Reich. 
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