Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

ihm, die deutschen Stellungen bei Dommiers etwas 
zurückzudrücken. Am 19. Juni erlitten die Ameri- 
keiner eine verlustreiche Niederlage bei Seicheprey. 
Es trat nun auf der Westfront eine längere Kampf- 
pause ein, d. h. es fanden nur örtliche Kämpfe von 
geringerer Bedeutung statt. Zu Großangriffen waren 
die Heere auf beiden Seiten zu abgekämpft, sie mußten 
erst neu aufgefüllt und neu formiert werden. Dar- 
über sagt Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen: 
„Die Gesamtstreitkräfte, die die Vereinigten Staaten 
in den Monaten April, Mai und Juni nach Frank- 
reich herübergesandt hatten, wurden nach den vorlie- 
genden Nachrichten auf etwa 15 Divisionen ange- 
nommen. Zur Zeit konnten im Ganzen etwa 2V ame- 
rikanische Divisionen in Frankreich sein. Das war 
mehr, als ich für möglich gehalten hatte. Die Uber- 
legenheit, die wir im März der Divisionszahl nach 
besaßen, war damit ausgeglichen. Die Kopfstärken 
hatten sich um so schärfer zu unseren Ungunsten ver- 
schoben, als die amerikanischen Divisionen aus 12 star- 
ken Bataillonen bestanden. Da, wo wir aber bisher 
mit den schon längere Zeit in Frankreich befindlichen 
Divisionen gefochten hatten, waren wir auch in zahlen- 
mäßiger Unterlegenheit Herren der Lage geblieben. 
Es war nicht anzunehmen, daß die schnell eintreffenden 
Neuformationen mit geringerer Ausbildung besser 
kämpfen würden als die alten Divisionen. Kein Feind 
ist zu unterschätzen, er soll aber auch nicht überschätzt 
werden. Wie hätten wir sonst die Russen 1914 an- 
greisen und schlagen können! So lange unsere Truppe 
ihren inneren Halt behielt, würde sie mit jedem Feinde 
fertig werden, auch mit den starken amerikanischen 
Divisionen, auch wenn deren Nerven weniger ver- 
braucht waren als die der schon lange im Kampfe 
stehenden Armeen. Es fiel aber schwer ins Gewicht, 
daß die neu eintreffenden amerikanischen Verstärkungen 
französische oder englische Verbände an ruhigen Fronten 
frei machen konnten. Hierin lag eine Tatsache von 
ungeheurer Bedeutung; sie beleuchtet den Einfluß, 
den die Entsendung der Streitkräfte der Vereinigten 
Staaten auf den Ausgang des Krieges hatte. Ame- 
rika wurde damit kriegsentscheidende Macht." 
Eine sehr ernste Gefahr für die deutsche Armee 
lag in dieser Zeit in der Ausbreitung der Grippe, 
der sogenannten „Spanischen Krankheit", die wie eine 
unwiderstehliche Welle im Sommer 1918 über ganz 
Europa hinfuhr, im Herbste des Jahres dann in noch 
viel verhängnisvollerer Weise wiederkehrte und zahl- 
reiche Opfer forderte. Die Grippefälle im deutschen 
Heere traten im Juni und Anfang Juli so massen- 
Haft auf, daß sie, wäre ein englischer Angriff erfolgt, 
vielleicht zum Zusammenbruche hätten führen können. 
Aber wahrscheinlich herrschte die Krankheit auch unter 
den Ententetruppen, und ein Angriff erfolgte nicht. 
Ein viel schlimmeres Gift als das einer körper- 
lichen Seuche wurde während dieses Sommers in 
die Adern des deutschen Heeres eingeführt, das Gift 
sozialistischer und bolschewistischer Verhetzung. Es fand 
um so williger Aufnahme, als die Verpflegung an 
vielen Stellen kaum den geringsten Ansprüchen ge- 
nügte und die beiden letzten Großangriffe die Stim- 
mung der Truppen nicht gehoben hatlen. Sie hatten 
Siege gebracht, glänzende Siege, aber auch der ge- 
meine Mann fühlte, daß mit allen solchen Erfolgen 
nichts entschieden wurde, und die Verdrossenheit und 
Kriegsmüdigkeit erfaßte immer weitere Kreise. Der 
deutschen Heeresleitung war das natürlich nicht ver- 
borgen, aber noch glaubte sie das Heer so fest in der 
Hand zu haben, daß sie beschloß, zu einem neuen 
großen Schlage auszuholen. Er sollte da erfolgen, 
wo die Gegner am schwächsten waren, und das war 
die Gegend beiderseits von Reims. Der Angriff 
sollte mit zwei Heeren zugleich erfolgen. Das eine 
sollte von der Gegend östlich von Ehateau-Thierry, 
das andere aus der Gegend östlich von Reims auf 
Epernay vorstoßen. Drei Tage später als ursprüng- 
lich geplant war, begann der Angriff, am 15. Juli. 
Die Franzosen hatten sich auf ihn vorbereiten können, 
denn die Zusammenziehung der großen Artillerie- 
massen war ihnen nicht verborgen geblieben, auch 
hatten sie durch Gefangene mancherlei von Wichtigkeit 
erfahren. Ludendorff weist ferner darauf hin, daß 
ganz Deutschland durch Urlauber von dem bevor- 
stehenden Angriff bei Reims gewußt habe, und daß 
überall im Lande davon gesprochen worden sei. Das 
ist richtig. Fünf oder sechs Tage vor Beginn des An- 
griffes hörte der Schreiber dieser Zeilen mit an, wie be- 
urlaubte Soldaten einem älteren Herrn die Truppen- 
und Geschützansammlungen bei und hinter Reims ge- 
nau ! wilderten und die Aussichten erörterten, die ein 
dort geplanter deutscher Angriff wohl haben könne. Sie 
waren der Meinung, er werde einen ungeheuren Er- 
folg haben. Den hatte er aber leider nicht, sondern 
nur einen ganz bescheidenen. Wohl gelang der 
deutsche Marneübergang in der Frühe des 15. Juli, 
und das war eine ganz hervorragende Leistung, wenn 
man bedenkt, daß die Franzosen darauf vorbereitet 
waren. Auch drangen die deutschen Truppen tief in 
die feindlichen Stellungen ein. Aber dann kam der 
Kampf zum Stehen. So bei der westlichen der beiden 
angreifenden Armeen, die der Generaloberst von 
Boehn befehligte. Vor dem Angriffe der anderen 
Armee, an deren Spitze die Generale von Mudra 
und von Einem standen, wichen die Franzosen in 
ihre zweite Stellung zurück. Westlich von Reims 
kamen die Deutschen auch am 16. Juli noch lang- 
sam vorwärts, östlich von Reims nahmen sie einige 
Höhen und „verbesserten ihre Stellungen", wie der 
deutsche Heeresbericht sich vorsichtig ausdrückte. In 
Wahrheit war der Angriff, obwohl er 18909 Ge- 
fangene gebracht hatte, gescheitert, denn der geringe 
Geländegewinn wollte gar nichts besagen, und nun 
erfolgte ein riesiger Gegenangriff Fochs, der, wohl¬ 
unterrichtet von dem deutschen Angriffe, ein kolossales 
Heer südlich von Reims zusammengezogen hatte. Die 
deutschen Truppen, die über die Marne gegangen 
waren, wurden hart bedrängt, erlitten große Ver- 
luste und mußten in der Nacht vom 29. zum 21. Juli 
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