Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

jenes. Somit sind die Berichte nicht nachzuprüfen, 
und ob und wie weit eine oder die andere Partei 
im Vorteil war, ist nicht genau festzustellen. Vom 
April an wirkte die russische Revolution auch auf 
diesen Kriegsschauplatz ein und die Siege, die von 
den Türken gemeldet wurden, gewinnen eine gewisse 
Wahrscheinlichkeit. So die Einnahme von Müsch, 
als sich die Russen im April auf Erzerum zurück- 
zogen. Zu größeren Kampfhandlungen aber kam es 
bis Ende des Jahres nicht, und somit verschoben sich 
auch die Machtverhältnisse auf der Kaukasusfront nicht 
wesentlich. 
An der persischen Front geschah einiges, was nicht 
ganz ohne Bedeutung war. Im Januar waren die 
Türken in bemerkenswertem Vorschreiten. Am 2. 
siegten sie in einem größeren Gefechte bei Hamadan, 
am 9. Januar wurden die Russen aus der Stadt 
Devlet Abad vertrieben und flohen nach Nordosten 
und Südosten. Am 13. zogen die Türken in Nahat 
ein, am 29. in Diz Abad. Vom Februar bis Anfang 
Juli wurden keine Kämpfe gemeldet. Am 4., 5., 6. 
und 16. Juli ereigneten sich einige Gefechte, in denen 
die Türken siegreich blieben. Im ganzen aber ver- 
mochten sie auch hier während des ganzen Jahres 
keinen größeren oder gar entscheidenden Erfolg zu 
erringen. 
Auf dem syrischen Kriegsschauplatze hatten die Eng- 
länder das ganze Jahr über nach den Berichten der 
Türken Mißerfolge zu verzeichnen, und einige dieser Be- 
richte scheinen die Wahrheit gesagt zu haben. So der 
Bericht über die Schlacht bei Gaza am 26. und 27. März. 
Dort wurden vier englische Divisionen von einem 
Türkenheere geschlagen, ließen 3060 Tote auf dem 
Schlachtseide und zogen sich nach Südwesten zurück. 
Die Nachhut der Engländer wurde bis Wadi Gaza, 
7Kilometer südlich von Gaza, zurückgetrieben. Das 
war eine ganz beträchtliche Niederlage, und der Nach- 
richt darüber wurde von den Engländern nicht wider- 
sprochen. Am 19. April eröffneten sie eine neue 
Schlacht bei Gaza, nachdem sie Verstärkungen heran- 
gezogen hatten. Aber auch diesmal blieben die Türken 
Sieger. Auch das Eingreifen der englischen Flotte 
war ohne Erfolg. Bis Anfang November wurden 
nur unbedeutende Gefechte gemeldet. Aber dann 
änderte sich die Sache. Am 8. November meldeten 
die lTürken, daß ihre Front ohne nennenswerte Ver- 
luste vor der zahlenmäßigen Überlegenheit des Feindes 
„ein Stück" zurückgenommen worden sei. Der Kun- 
dige konnte daraus entnehmen, daß die Engländer 
auf diesem Kriegsschauplatze die Uberhand bekommen 
hatten, und das wurde am 17.November bestätigt, 
denn das hart umstrittene Gaza fiel in ihre Hände. 
Vom 20. bis zum 24. November tobte dann nördlich 
von Gaza eine neue große Schlacht, die nach den 
türkischen Berichten ein türkischer Sieg war und den 
Engländern große Verluste beibrachte. Merkwürdig 
war, daß diese türkischen Siege fast immer zur Folge 
hatten, daß der schwer geschlagene Feind vorrückte, 
während die türkischen Sieger weiter und weiter zu- 
rückwichen. So fand am I. Dezember in der Ge- 
gend von Naalin wieder einer der türkischen Siege 
statt, der die wunderbare Folge hatte, daß sieben 
Tage später es „den Engländern gelang, ihren An- 
griff näher an die Stadt Jerusalem heranzutragen". 
Die Türken „verlegten" darauf, wie sie sich anmu- 
tig ausdrückten, „die westlich und südlich der Stadt 
gelegenen Truppen auf die Ostseite", d. h. sie über- 
ließen die Stadt den Engländern. Am 8. Dezember 
rückte Old-England in Jerusalem ein. Auch den Mo- 
hammedanern ist Jerusalem eine heilige Stadt. Sein 
Fall mußte natürlich tief einwirken auf die Gemüter 
der Orientalen, ebenso wie der von Bagdad. Aber 
nicht nur den Orientalen bewies er das un- 
aufhaltsame Vordringen der englischen Macht, er 
zeigte auch den Deutschen und ihren Verbündeten, 
daß der Traum, England an seinem Lebensnerv, dem 
Suezkanal, zu treffen, endgültig ausgeträumt war. 
Das türkische Heer hatte überall versagt. Das lag 
an seiner Führung, die nirgendwo auf der Höhe 
stand, und es lag vor allen Dingen an seinem elen- 
den Verpflegungswesen und an der Lotterwirtschaft, 
die im ganzen Reiche herrschte. Der türkische Soldat 
war tüchtig und brauchbar, tapfer und genügsam 
und ganz geeignet, bei leidlicher Verpflegung und 
unter guter Führung Ausgezeichnetes zu leisten. Aber 
was war von einer Truppe zu erwarten, die häufig 
als Mittagsmahlzeit eine Hand voll Feigen erhielt 
und sonst nichts! Das Unwesen in der Türfei war 
in Deutschland vielen bekannt, aber niemand durfte 
etwas darüber sagen, ebensowenig wie etwas gesagt 
oder geschrieben werden durfte über die uns noch 
weit näherliegende Lotterwirtschaft in Osterreich und 
Ungarn. Denn unsere Bundesgenossen waren alle 
ehrenwerte Männer, über die kein Wort des Tadels 
oder auch nur des Mißfallens gesagt werden durfte 
— bis die ganze Bundesherrbchkeit in Trümmer fiel, 
wobei sich übrigens die Türkei immer noch ehrlicher 
und nobler benahm als die anderen. 
Der Friede von Brest-Litowsk. — Ausgang des Krieges mit Rumänien. — Friede 
von Bukarest. 
Qfm 15. Dezember 1917 war zwischen den bevoll- 
-^4-mächtigten Vertretern der russischen obersten 
Heeresleitung und den obersten Heeresleitungen der 
gegen Rußland verbündeten Mächte ein Waffen- 
stillstand unterzeichnet worden. Am 17. Dezember 
gab die deutsche Regierung halbamtlich bekannt, daß 
die Friedensverhandlungen demnächst beginnen sollten 
und unverbindliche Vorbesprechungen bereits im Gange 
seien. Am 22. Dezember wurden in Brest-Litowsk 
die Friedensverhandlungen eröffnet. An der Spitze 
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