Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Die vorstehenden Zahlen geben nur die einwand- 
frei von uns festgestellten oder vom Feind selbst zu- 
gestandenen Verluste wieder. Die tatsächlichen Ver- 
luste werden aber nicht unerheblich höher sein, da 
der Feind an der Verheimlichung von Schiffsver- 
lusten durch Minen häufig ein großes Interesse hat. 
An den Verlusten der 300 Kriegsfahrzeuge sind 
beteiligt: 
England mit 177 Einheiten von 688390 Tonnen 
Frankreich mit 48 Einheiten von 109000 Tonnen 
Rußland mit 36 Einheiten von 91540 Tonnen 
Italien mit 25Einheiten von 76450 Tonnen 
Japan mit 8 Einheiten von 26875 Tonnen 
Vereinigte Staaten. Portugal, Rumänien mit 6 Ein- 
heiten von 8551 Tonnen. 
Die Eesamtkriegsschiffverluste der Entente erreichen 
nunmehr nahezu den Bestand der deutschen Flotte 
zu Beginn des Krieges. Er betrug 1019417 Tonnen". 
In der zweiten Hälfte des Dezember wurden diese 
Schiffsverluste nicht unerheblich vergrößert. Am 17. 
sank ein amerikanisches Unterseeboot durch Zusammen- 
stoß mit einem deutschen, wobei auch seine ganze 
Besatzung den Tod fand. In der Nacht zum 23. 
Dezember liefen an der holländischen Küste drei 
englische Zerstörer auf Minen und gingen mit 13 
Offizieren und 600 Mann unter. An demselben 
Tage versenkten die Deutschen im Irischen Kanal 
den bewaffneten Truppentransportdampfer „Stephan 
Furneß", wobei 6 Offiziere und 95 Mann ihr Leben 
verloren. Den englischen Minensucher „Arbutur" 
bohrten sie in den Grund. Am 26. Dezember lief 
nach deutschen Angaben ein großes englisches Kriegs- 
schiff, dessen Name nicht festgestellt werden konnte, 
in der Nähe des Firth of Förth auf eine Mine und 
ging unter. Am 30. Dezember versenkte ein deutsches 
Unterseeboot unter Führung des Oberleutnants zur 
See Obermüller vor Alerandria einen großen be- 
waffneten, durch Fischboote und Torpedozerstörer 
stark geführten, vollbesetzten Truppentransportdampfer 
und vernichtete dann in kühnem Angriff den 
Zerstörer der Sicherung „U 08" durch Torpedotreffer. 
Arn 31. lief das englische Hilfsschiff „Osmanjeh" 
(4041 Bruttoregistertonnen) vor der ägyptischen 
Küste auf eine Mine und versank mit 199 Mann 
der Besatzung. 
Diese Verluste an ihrer Kriegsmacht zur See waren 
den Engländern und ihren Verbündeten ärgerlich 
und empfindlich, aber sie hatten doch nur die Be- 
deutung von Nadelstichen. Viel bedenklicher für sie 
war der Schaden, den ihre Handelsflotte beständig 
durch den Unterseebootkrieg erlitt. Es wurden 
in den letzten fünf Monaten des Jahres 1917 versenkt: 
im August 808000 Bruttoregistertonnen 
im September 672000 Bruttoregistertonnen 
im Oktober 674000 Bruttoregistertonnen 
im November 607000 Bruttoregistertonnen 
im Dezember 702000 Bruttoregistertonnen. 
Damit stellte sich der bisherige Erfolg des unein- 
geschränkten Unterseebootskrieges auf 8958000 Ton¬ 
nen. Die Engländer bestritten diese Zahlen allerdings 
und gaben sie als bedeutend niedriger an, und es 
mag sehr wohl möglich sein, daß einzelne deutsche Unter- 
seebootskommandanten höhere Versenkungsziffern an- 
gaben, als sie in Wahrheit aufzuweisen hatten. Auf 
bewußter Unwahrheit braucht das ganz und gar 
nicht zu beruhen. In der Hitze des Gefechtes mögen 
ihnen wohl hin und wieder die Schiffe, die sie ver- 
senkten, größer erschienen sein, als sie wirklich waren. 
Dem sei aber, wie ihm wolle — die Wirkung ihrer 
Tätigkeit war jedenfalls derartig, daß sie den Eng- 
ländern schwere, sehr schwere Sorge bereitete. Ihre 
Zeitungen redeten ganz offen darüber, daß der Schiffs- 
räum in einem alle Befürchtungen übersteigenden 
Maße sich verringere, daß es unmöglich sei, in derselben 
Schnelligkeit Schiffe zu bauen, wie die Deutschen 
sie versenkten, und daß man also das Ende der eng- 
lischen Handelsflotte genau vorausberechnen könne, 
wenn kein durchgreifendes Abwehrmittel gefunden 
werde. Vis Ende 1917 war ein solches Mittel nicht 
gefunden. Infolgedessen herrschte in London eine 
immer zunehmende Teuerung und eine beträchtliche 
Knappheit an Lebensmitteln. Einige Nahrungsmittel, 
z.B.Zucker, waren nur in ganz geringen Mengen vor- 
handen, und der Ernährungsminister Lord Rhondda 
mußte gegen Ende des Jahres zu ihrer Rationierung 
schreiten. Aber im großen und ganzen hungerte 
das englische Volk bei weitem noch nicht in dem 
Maße wie das deutsche. Denn erstens kamen doch 
noch viel mehr Nahrungsmittel nach England als 
nach Deutschland. Zweitens hatte sich England von 
der Errichtung der „Kriegsgesellschaften" ferngehal- 
ten, die in Deutschland das Leben furchtbar verteuern 
halfen. Es waren z. V. Fische oder Zwiebeln in reich- 
licher Menge auf dem Markt zu haben — natürlich zu 
hohen Preisen, aber sie waren doch wenigstens noch 
zu haben, und die Arbeiterschaft, die zum größten 
Teile ungeheure Löhne erhielt, hatte das Geld, sie 
zu kaufen. Da bewarb sich eine „Kriegsgesellschaft" 
beim Staate um das Recht, sie allein bewirtschaften 
zu dürfen, d. h. sie sollte allein das Recht des Ein- 
kaufes und Verkaufs der betreffenden Waren haben, 
damit sie gerechter verteilt werden könnten und den 
gewissenlosen Spekulanten entzogen würden. Der 
Staat begünstigte das, gab seine Einwilligung, und 
von dem Augenblicke an war die Ware vom offenen 
Markte verschwunden und blieb auch verschwunden, 
oder sie kam nach einiger Zeit zu fabelhaften Prei- 
sen wieder zum Vorscheine. Sonderbar, sehr son- 
derbar und schwer zu erklären. Aber es war so. 
Von den Männern, die so zum Wohle des deut- 
schen Volkes wirkten, gehörte ein unverhältnismäßig 
großer Teil Elementen an, die aus anderen Staa- 
ten zugezogen waren und sich die Knappheit in 
deutschen Landen zunutze machten. Von diesem 
Wesen — manche nannten es ein Unwesen — blieb 
das englische Volk verschont und hatte schon des- 
halb weniger zu leiden als das deutsche. Noch we- 
niger litt unter dem Kriege das amerikanische Volk, 
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