Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

weil die Engländer bei einem Vertragsbruch von den 
Deutschen gebührend zurückgewiesen waren. Der 
Gouverneur hatte ihnen erlaubt, mit einem unbe- 
waffneten Boote in den Hafen einzufahren und sich 
davon zu überzeugen, daß dort liegende deutsche 
Schiffe nicht mehr betriebsfähig waren. Sie fuhren 
aber mit bewaffneten Booten ein und versuchten die 
Besatzung der beschädigten Dampfer gefangenzu- 
nehmen. Dafür erhielten sie deutsches Feuer und 
erwiderten das durch eine furchtbare Beschießung 
der offenen Stadt, wobei das Wohnhaus des Gou- 
verneurs zerstört wurde. Sie hatten die bemerkens- 
werte Unverfrorenheit, sich dann noch über die deutsche 
Hinterlist zu beschweren. 
Das Jahr 1915 brachte eine Reihe von Gefechten, 
über die nichts Näheres bekanntgeworden ist. Sie 
scheinen für die Deutschen günstig verlaufen zu sein. 
Jedenfalls sahen die Engländer ein, daß sie mit ganz 
andern Streitkräften würden auftreten müssen, wenn 
es ihnen gelingen sollte, Lettow-Vorbeck zur Über¬ 
gabe zu zwingen. Diese Streitkräfte standen ihnen 
aber nicht zu Gebote, denn sie brauchten auf ihren 
zahlreichen Kriegsschauplätzen in Europa und Asien 
jeden Mann. Deshalb wandten sie sich an die süd- 
afrikanische Union mit der Bitte, die Niederwerfung 
des deutschen Widerstandes in Ostafrika zu übernehmen. 
Der Antrag fand im Parlament zu Kapstadt heftige 
Gegner, aber Botha und sein Anhang setzten es doch 
durch, daß er angenommen wurde. 
In Deutschland war die Entrüstung groß, als die 
Meldung kam, daß die einstmals so heiß geliebten 
und schwärmerisch verehrten Buren sich noch einmal 
zu Bütteln Englands machen wollten. Angesehene 
deutsche Zeitungen redeten von Verrat an der ger- 
manischen Rasse, von Treulosigkeit und anderen bösen 
Dingen. Leider aber konnte von dem allen gar 
keine Rede sein. Das deutsche Volk erntete hier nur, 
was die unglaublich sprunghafte und fahrige Poli- 
tik seines Kaisers gesäet hatte. Wilhelm II. hatte die 
Buren zu ihrem Kampfe gegen England bekanntlich 
ermutigt, seine Regierung hatte erklärt, die Selb- 
ständigkeit der Burenstaaten auf alle Fälle stützen 
zu wollen. Statt dessen hatte der Kaiser während 
des ganzen Burenkrieges eine äußerst freundliche 
Haltung gegen England eingenommen, und die süd- 
afrikanische Unabhängigkeit zu schützen, war ihm gar 
nicht eingefallen. Wie konnte man also in Deutsch- 
land hoffen oder gar erwarten, daß die Buren sich 
deutschfreundlich erweisen würden? Dazu kam, daß 
ihnen die Engländer die Meinung beigebracht hatten, 
der deutsche Kaiser werde, falls er siegen sollte, die 
Herrschaft über ganz Südafrika an sich reißen, und 
unter deutsche Herrschaft wollten sie nicht kommen. 
Sie dachten dabei an soldatischen Drill, Polizeiregierung, 
Aktenwirtschaft und Bevormundung durch die Juristen 
— alles Dinge, die ihnen die Haut schaudern machten. 
So wurde denn mit beträchtlicher Mehrheit der Feld- 
zug gegen Ostafrika beschlossen. An die Spitze des 
Burenheeres trat General Smuts, sein Unterbefehls¬ 
haber wurde General van Deventer. Etwa 40000 
Mann weißer und 20000 Mann farbiger Truppen 
brachte die Union bis Mitte Februar 1916 auf, dazu 
Artillerie und Kriegsmittel, denen Lettow-Vorbeck weder 
an Zahl noch an Güte etwas Gleichwertiges entgegen- 
zustellen hatte. Allein das genügte den Engländern 
noch nicht. Sie boten auch noch andere Vasallen- 
Völker gegen die deutsche Kolonie auf, die Belgier 
und die Portugiesen, die ansehnliche Truppenmengen 
und gleichfalls viele Geschütze und Maschinengewehre 
ins Feld führen mußten. Nach menschlichem Ermessen 
mußte der deutsche Oberbefehlshaber in wenigen 
Monaten zur Waffenstreckung gezwungen werden, 
zumal da er von vier Seiten her zugleich angegriffen 
werden konnte. 
In der Tat gelang es ihm zwar, sich im Felde 
zu halten, aber er mußte überall, wo ihn die Uber- 
macht erreichte, zurückgehen. Smuts ging mit seinem 
Heere am 8. März gegen die Linie Taveta—Rombo 
vor und hatte bis zum 12. Oldorobo, Taveta und 
Moschi erobert. Am 17. März besetzte er Aruscha 
und war damit Herr des ganzen Kilimandscharo- 
gebietes. Van Deventer hatte die Ausgabe, die deutsche 
Zentralbahn zu besetzen und nahm sie Ende März 
in Angriff. Die Deutschen leisteten aber so heftigen 
Widerstand, daß er mehrmals gezwungen wurde, 
seinen Vormarsch einzustellen und Verstärkungen her- 
anzuziehen. Unter diesen Kämpfen seien die bei 
Kondoa—Jrangi erwähnt, die vom 9. bis 11. Mai 
andauerten. In allen Fällen sind wir vorläufig 
nur auf englische Berichte angewiesen. Man kann 
also nur sagen: An dem und dem Tage sollen die 
oder jene Gefechte gewesen sein und sollen den oder 
jenen Ausgang genommen haben. Soviel steht aber 
fest, daß die Engländer Anfang Juni Tanga und 
Pangani besetzt hatten, und daß die Deutschen etwa 
Mitte Juni Usambara räumen mußten. Ende 
Juli 1916 erreichte Deventer Dodoma und damit 
die Zentralbahn. 
Auch vor den Belgiern, die unter General Tom- 
beur von Mitte April an ihre Angriffe begannen, 
mußte die kleine deutsche Streitmacht unter Major 
v. Langenn, beständig fechtend, zurückweichen. Sie 
gingen in fünf Abteilungen vor, die eine auf Ni- 
ansa, die andere auf Kigali, die dritte spaltete sich 
und zog gegen diese beiden Orte. Die vierte ver- 
suchte zu einem Teil Usambara, zum andern Ud- 
jidji zu erreichen. Die fünfte marschierte von der 
Missionsstation Karema am Tanganjika-See gegen 
Tabora. Mitte Juni waren alle die von ihnen er- 
strebten Orte in ihre Hände gefallen. 
Auch den Portugiesen, die über den Rowuma in 
die deutsche Kolonie vorstießen, konnten die schwachen 
deutschen Kräfte, die ihnen gegenüberstanden, kein 
Halt gebieten: Sie zeigten sich ihnen zwar in jeder 
Hinsicht überlegen, aber die Ubermacht war zu groß. 
So ging eine Station nach der andern verloren. 
Im Januar 1917 war die ganze Küste in englischer 
Hand, ebenso das ganze Eisenbahnnetz und alles Land, 
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