Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

QTnfctng November 1916 stand die Sache der ver- 
-^-kündeten Mittelmächte so günstig, wie sie während 
des ganzen Krieges nicht gestanden hatte. Die große 
Offensive der Franzosen und Engländer hatte nicht 
das mindeste erreicht. Sarrail war mit seinem bunt- 
scheckigen Heer fast zum Gespött geworden; die Teil- 
nähme Rumäniens am Kriege hatte die Entscheidung 
zugunsten der Entente nicht herbeigeführt, wie es der 
Traum der Pariser und Londoner Staatsmänner 
und ihrer Völker 
gewesen war. Sie 
hatte im Gegen- 
teil den Mittel- 
mächten und ihren 
Verbündeten Ge- 
legenheit gegeben, 
zu zeigen, wie un- 
gebrochen ihre An- 
griffskraft war 
und hatte ihnen 
neue bedeutende 
Kraftquellen er- 
öffnet, denn ein 
großer Teil Ru- 
mäniens war be- 
reits von ihnen 
erobert worden, 
und der baldige 
Fall der Haupt- 
stadt schien unab- 
wendbar. Auch 
wirtschaftlich hat- 
ten sie ihre Überlegenheit über ihre Feinde gezeigt. 
Zur Überraschung der ganzen Welt hatten sie be- 
wiesen, daß sie die ungeheuren Kosten der Krieg- 
führung leichter aufzubringen vermochten als ihre 
Feinde. Während Rußland, Frankreich und Italien 
in die Schuldknechtschaft Englands versanken und 
England in immer stärkere finanzielle Abhängigheit 
von Amerika geriet, hatten sie sich aus eigener Kraft 
auf den Füßen gehalten. Ihre Versorgung mit 
Lebensmitteln war zwar knapp, aber daß sie aus- 
zuhungern wären, glaubten selbst ihre Feinde nicht 
mehr, obwohl sie noch immer davon redeten, und 
die Neutralen lachten darüber. Dazu kam, daß die 
absolute Herrschaft der Engländer auf der See durch 
die gewaltigen v-Boots-Erfolge immer mehr in 
Frage gestellt wurde. Nach jeder Richtung hin er- 
öffneten sich ihnen also günstige Aussichten für die 
Zukunft. Um so gewaltiger war die Überraschung 
der Welt, als in dieser Lage die beiden Kaiser und 
die mit ihnen verbündeten Herrscher ein Friedens- 
angebot an ihre Feinde ergehen ließen. 
Der Vater dieses Gedankens war wohl ohne Zweifel 
der Deutsche Kaiser. Es wurde zwar im ungarischen 
Abgeordnetenhaus davon geredet, die erste Anregung 
Die tote rumänische Schwarmlinie in Kronstadt, die durch Flankierung mit einem 
Maschinengewehr weggefegt wurde. (Welt.Preh.Photo.) 
zu dem Friedensangebote sei vom österreichisch-unga- 
rischen Auswärtigen Amt ausgegangen, und Graf 
Andrassy wies verschleiert darauf hin, daß es wohl 
der Person des neuen Herrschers zuzuschreiben sei, 
aber ein Brief, den der Deutsche Kaiser schon am 
31. Oktober 1916 an den Reichskanzler v. Bethmann- 
Hollweg gerichtet hatte, beweist ziemlich deutlich das 
Gegenteil. Der Brief, der ebenso bedeutungsvoll 
für die Vorgeschichte des Friedensangebotes ist, wie 
er ein grelles Licht 
fallen läßt auf die 
Seelenstimmung 
Gemütsrich- 
Kaiser Wil- 
Helms II., lautete 
nach der Veröf- 
fentlichung in der 
„Norddeutschen 
Allgemeinen Zei- 
tung" vom 14. 
Januar 1917: 
„Neues Palais, 
31. 10. 1916. 
lieber Veth- 
mann! Unser Ge- 
sprach habe Ich noch 
nachher gründlich 
überdacht. Es ist 
klar, die in Kriegs- 
psychose befangenen, 
von Lug und Trug im 
Wahn des Kampfes 
und im Hätz gehal¬ 
tenen Völker unserer 
Feinde haben keine 
Männer, 
, die im¬ 
stande wären, die den moralischen Mut besäßen, das befreiende 
Wort zu sprechen. Den Vorschlag zum Frieden zu machen, ist eine 
sittliche Tat, die notwendig ist, um die Welt — auch die Neu- 
tralen — von dem auf allen lastenden Druck zu befreien. Zu 
einer solchen Tat gehört ein Herrscher, der ein Gewissen hat und 
sich Gott verantwortlich fühlt und ein Herz für seine und die 
feindlichen Menschen, der, unbekümmert um die eventuellen ab- 
sichtlichen Mißdeutungen seines Schrittes, den Willen hat, die 
Welt von ihren Leiden zu befreien. Ich habe den Mut dazu, 
Ich will es auf Gott wagen. Legen Sie Mir bald die Noten 
vor und machen Sie alles bereit. (gez.) Wilhelm, I.E." 
Also schon Ende Oktober hatte der Kaiser den 
Entschluß gefaßt, eine Unternehmung zur Herbei- 
führung des Friedens einzuleiten. Die Friedensnote 
selbst wurde am 12. Dezember den Vertretern der 
Mächte, die in den feindlichen Ländern die deutschen 
Rechte wahrnahmen, den Vertretern von Spanien, 
der Schweiz und Nordamerika, überreicht zur Über- 
Mittelung an alle die Mächte, die sich mit Deutsch- 
land und seinen Verbündeten im Kriege befanden. 
Noch an demselben Tage teilte sie der Reichskanzler 
den Abgeordneten des deutschen Volkes im Reiche 
mit. Ihr Wortlaut war der folgende: 
„Der furchtbarste Krieg, den die Geschichte je gesehen hat, 
wütet seit bald 2L/2 Jahren in einem großen Teile der Welt. 
Diese Katastrophe, die das Band einer gemeinsamen, tausend- 
jährigen Zivilisation nicht hat aufhalten können, trifft die 
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