Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Gleich Erfolg bringend verliefen für unsere Tapferen 
Kämpfe im Wippachtale und bei Görz, wo nicht ein einziger 
schmaler Graben in Feindeshand verblieb. 
Auf der Hochfläche von Vainsiz^a—Heiligengeist war den 
Italienern ein Anfangserfolg vergönnt, der unsere Führung 
veranlaßte, 15 km der Frontlinie auf zwei bis sieben Kilo- 
Nieter zurückzunehmen. Von da an scheiterten alle Versuche 
des Feindes durch mächtige Angriffe auf den Monte San 
Gabriele und gegen den Abschnitt nordöstlich davon, den 
unter großen Opfern errungenen ersten Raumgewinn zu einem 
operativen Erfolg auszubauen. Die Kriegslage am Jsonzo 
ist durch die Ereignisse bei Vrh und Vainsizza in keiner Weise 
beeinflußt worden. Das Ringen um den Monte San Gabriele 
im Besonderen wird stets dann anzuführen sein, wenn es 
Beispiele zähen, ruhmvollsten Verteidigungskampfes hervor- 
zuHeben gilt. Das italienische Kraftaufgebot in der 11. Jsonzo- 
schlacht — 48 Divisionen auf kaum ebensoviel Kilometer an- 
gesetzt — sucht an Masseneinsatz in allen Angriffsschlachten 
des Weltkrieges seinesgleichen. Die italienischen Verluste ent- 
sprechen dieser Gefechtsführung. Sie betragen — 20000 Ge- 
fangene mitgezählt — nach strengster Berechnung 230000 Mann, 
also fast ein Viertel einer Million. Die Heeresgruppe des 
Generalobersten von Voroevic darf auf den jüngsten Erfolg 
die beste Zuversicht setzen, daß an ihrem siegreichen Wider- 
stand auch fernerhin alle Anstürme des um Länderraub krieg- 
führenden Feindes zerschellen werden." 
Beginn der russischen Revolution. 
^I?icht nur die ungünstigen Witterungsverhältnisse 
4}^-lähmten im März die Angriffskraft des russischen 
Heeres, sondern noch etwas ganz anderes. Am 
12. März brach in Petersburg die Revolution 
aus, die den Zarenthron umstürzte, in Rußland das 
Unterste zu oberst kehrte, einen ungeheueren Wirrwarr 
in dem ganzen Riesenreiche hervorrief, seine Wider- 
standskrast untergrub und durch das alles für den 
Weltkrieg von der allergrößten Bedeutung wurde. 
Das alte Rußland, das jetzt in Trümmer fiel, 
war ein Beamten- und Polizeistaat, an dessen Spitze 
der Zar mit unumschränkter Gewalt stand. Seit 
einigen Jahren war auch eine sogenannte Volks- 
Vertretung vorhanden, die Duma. Sie war einge- 
führt worden, weil die Staaten, von denen Rußland 
sein Geld zu borgen pflegte, einem selbstherrlich re- 
gierten Staate nicht den Kredit gewähren wollten 
wie einem, der über eine Volksvertretung verfügte. 
Auch hatte es die Revolution von 1905 den leitenden 
Männern in Rußland wünschenswert erscheinen lassen, 
dem Volke das Gaukelspiel einer Verfassung vorzu- 
täuschen. Der Ausdruck des Volkswillens war die 
Duma keineswegs, denn die Beamten wußten die 
Wahlen schon so zu beeinflussen, daß stets eine Mehr- 
heit vorhanden war, die die Staatskredite bewilligte. 
War das geschehen, so hatte die Versammlung ihren 
Zweck erfüllt und konnte wieder nach Haufe gehen. 
Es wurde den Abgeordneten nicht verwehrt, gewaltige 
Reden zu halten über die Mißstände im Staate, über 
Judenverfolgung und dergleichen, aber die Reden 
kamen entweder gar nicht oder nur durch die Zensur 
entstellt oder verstümmelt zur Kenntnis des Volkes 
und hatten somit auch nichts zu bedeuten. Die 
Redefreiheit der Abgeordneten war zwar auf dem 
Papier zugestanden, es war ihnen auch Straffreiheit 
zugesichert für alle Äußerungen, die sie in ihrer Eigen- 
schaft als Volksvertreter tun würden, wie es aber 
damit stand, zeigte das Beispiel der sozialistischen 
Abgeordneten, die wegen ihres politischen Verhaltens 
während des Krieges nach Sibirien abgeschoben 
wurden. In Wahrheit hatte die Duma gar nichts 
oder nur sehr wenig zu bedeuten. Nach wie vor 
herrschte im heiligen Rußland die nach Rangklassen 
abgestufte Beamtenschaft, neben ihr der Adel, die 
höhere Geistlichkeit, die hohen Offiziere der Garde- 
regimenter, die Hofleute, die den Zaren beeinflußten 
und ihn zu den Maßnahmen beredeten, die ihnen 
nützlich und angenehm waren. Diese ganze herrschende 
Schicht, vor allem die auch der Krone am nächsten 
Stehenden, die Verwandten des regierenden Hauses, 
war eine zum großen Teil höchst verderbte und ver- 
rottete Gesellschaft, bestechlich, faul, beschränkt, kriechend 
nach oben, von verletzendem Hochmut nach unten, 
sitten- und gewissenlos, von jeher gewöhnt, vom 
Staatsgut so viel an sich zu bringen, wie es irgend 
möglich war. Ein früherer Zar hatte einmal die 
Äußerung getan, er fei in seinem Reiche der einzige 
Mann, der nicht stehle. Ganz so schlimm stand es 
ja nicht mehr in Rußland, es gab auch ehrliche Be- 
amte, aber sie waren noch immer durchaus die Aus- 
nähme. Es verstand sich von selbst, daß der re- 
gierende Klüngel der Todfeind jeden Fortschrittes war 
und jede freiheitliche Regung im Volke mit Grau- 
samkeit unterdrückte. In früheren Zeiten war ihnen 
das vorzüglich gelungen in den letzten Jahrzehnten 
aber war es ihnen immer schwerer geworden, ob- 
wohl sie vor den schärfsten Maßregeln nicht zurück- 
schreckten und die Verdächtigen zu Hunderten, ja zu 
Tausenden nach Sibirien oder in die Zuchthäuser 
und Festungen bringen ließen. Aber sie hatten es 
zulassen müssen, daß sich eine russische Industrie ent- 
wickelte, denn hätten sie es nicht zugelassen, so wäre 
Rußland bald völlig verarmt und hätte in der Welt 
nichts mehr bedeutet. So hatte sich ein wohlhabendes 
und verhältnismäßig gebildetes Bürgertum entwickelt, 
und ungeheure Menschenmassenhatten sich in den großen 
Industrie-Mittelpunkten zusammengeballt. Die Schicht 
des gebildeten Bürgertums strebte danach, Einfluß, 
und zwar wirklichen Einfluß, auf die Gesetzgebung 
des Staates zu gewinnen, die Mißwirtschaft, die mit 
den öffentlichen Geldern getrieben wurde, zu be- 
seitigen und ihrem Vaterlande die bürgerliche Frei- 
heit zu verschaffen, die alle übrigen Staaten Europas 
besaßen. Die Herrschaft des Zaren wollten ihre Ver- 
treter nicht beseitigen, aber sie wollten sie in eine 
verfassungsmäßige Monarchie umbilden. Dazu kamen 
ihnen die Niederlagen, die Rußland im Krieg erlitt, 
ganz gelegen. Sie waren Niederlagen derer, die zur 
Zeit den Staat beherrschten, und schwächten ihr An- 
sehen. Sie hofften, daß der Zusammenbruch Rußlands 
dem Zaren und den Großfürsten die Augen darüber 
öffnen würde, daß es so nicht weitergehen könne, 
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