Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

den Hauptquell der englischen Kriegsstärke erfolgte wiederum 
am hellen Tage. 
Ein Geschwader unserer Großflugzeuge unter Führung 
seines Kommandeurs, des Hauptmanns Kleine, stieß um 
11 Uhr vormittags gegen London vor. Der Angriff richtete 
sich in erster Linie gegen die am Ostrande der City gehäuften 
Maqazine, Rüstungsbetriebe und die London- und St. Catherine- 
Docks. Vei klarer Sicht belegte das Geschwader die Speicher, 
Lagerhäuser, Bahnanlagen und Docks auf dem Nordufer der 
Themse, zwischen dem Bahnhof Charingcroß und den Docks 
östlich Tower-Bridge in einviertelstündigem Angriff mit genau 
gezielten Bomben: die Einschläge lagen gut, ihre Wirkung 
zeigte sich in dichten Rauchwolken und starken Explosionen, 
ii. ct. wurde der Bahnhof Charingcroß mehrfach getroffen. 
Die London-Bridge erhielt ebenfalls einen Volltreffer. 
Ein Nebenangriff richtete sich zu gleicher Zeit gegen den 
befestigten Hafen Margate; auch hier wurde gute Wirkung er- 
reicht. 
Das Abwehrfeuer der englischen Artillerie setzte ein, als 
unsere Flugzeuge sich der Küste näherten, folgte dem Ge- 
schwader während der ganzen Dauer seines Fluges über eng- 
lischern Boden und steigerte sich über London zu äußerster 
Heftigkeit. Feindliche Flugzeuge stiegen in großer Zahl hoch 
und warfen sich unseren Flugzeugen entgegen. Sie vermochten 
aber ebensowenig wie das ArtiUeriefeuer das Geschwader an 
der plangemäßen Durchführung seines Auftrages zu hindern. 
Ein feindliches Flugzeug wurde im Luftkampf abgeschossen. 
Unsere Flugzeuge sind bis auf eines, das ohne feindliche Ein- 
Wirkung infolge Motorschadens auf See niedergehen mußte, 
sämtlich in ihre Heimathäfen zurückgekehrt." 
Höchst eindrucksvoll und anschaulich berichtete 
Reuter über den Vorgang wie folgt: 
„Der gestrige Luftangriff auf London war der größte, der 
bisher stattgefunden hat. Der Angriff bot einen merkwürdigen 
Anblick. Die Flieger näherten sich langsam und in geschlossenen 
Formationen. Sie hoben sich deutlich gegen den Himmel ab 
und sahen einem Schwärm großer Drosseln ähnlich. Man 
hatte den Eindruck, als ob sie für den Hagel von Granaten, die 
ringsumher krachten, nur Verachtung hätten. Sie flogen sehr 
niedrig. Nur die inneren Flugzeuge warfen Bomben ab, die 
äußeren erfüllten die Nolle von Beschützern. Sie weilten nur 
12 bis 15 Minuten über der City und legten außerordentliche 
Kühnheit an den Tag. Da sie sehr niedrig flogen, setzten 
sie sich der größten Gefahr aus. Die Straßen waren um diese 
Zeit, 9,30 Uhr, von Menschen angefüllt. Als die ersten Pfeifen 
ertönten, wollte man kaum glauben, daß feindliche Flieger 
im Anzüge seien. Die Abwehrbatterien schössen vorzüglich 
und bereiteten dem Angreifer einen heißen Empfang. Als die 
feindlichen Flieger die City überflogen hatten, stellten die Ab- 
wehrbatterien das Feuer ein, und englische Flieger stiegen 
auf, um den Feind anzugreifen. Schließlich verschwanden 
die kämpfenden Geschwader im Nebel, nur das Rasseln der 
Maschinengewehre blieb noch zu hören." 
Die englische Regierung gestattete nicht, daß über 
den Sachschaden, den der große Luftangriff angerichtet 
hatte, irgendetwas veröffentlicht wurde. Nur die 
sehr hohe Zahl der Opfer wurde angegeben, wobei 
es freilich sehr unsicher war, ob die Zahlen stimmten. 
Um die hochgehenden Wogen der Verbitterung über 
das Versagen des Abwehrdienstes zu besänftigen, 
machte die britische Admiralität dem Volke weis, 
zehn der deutschen Flugzeuge seien auf dem Rück- 
wege abgeschossen worden. Aber sie machte damit 
wenig Eindruck. „Der deutsche Fliegerangriff auf 
London am 7. Juli", schrieb die „Daily News", 
„hat eine Erregung verursacht, wie sie so tief bei 
früheren Gelegenheiten noch nicht beobachtet wurde. — 
Der Fall liefert den Beweis, daß London gegen- 
wärtig jedem Angreifer offen liegt, der fein Ziel un- 
beirrt verfolgt, und daß es möglich ist, uns — bei 
verhältnismäßig geringen Verlusten für die Angrei- 
fer — schwerwiegenden Schaden zuzufügen." Sie 
schloß ihren Aufsatz mit den Worten: „Ein sicherer 
Schutz gegen Luftangriffe kann einzig und allein 
durch die Vertreibung der Deutschen aus Belgien er- 
reicht werden." Sie sprach damit sicherlich die Mei- 
nung aller einsichtigen Briten aus, aber sie gab ihren 
Landsleuten freilich einen schlechten Trost, denn nicht 
einmal der hoffnungsseligste Mensch in England 
konnte an eine baldige Befreiung Belgiens glauben. 
Deutsche Luftangriffe auf England wurden im 
Juli nicht wiederholt. Aber andere Schicksalsschläge 
blieben den Briten nicht erspart. Der Verlust eines 
ihrer Zerstörer, der am 6. durch ein deutsches U-Boot 
in der Nordsee versenkt wurde, konnte sie ja ziem- 
lich kalt lassen, denn sie hatten eine große Anzahl 
solcher Schisse. Um so bitterer empfanden sie den 
Untergang ihres stolzen Linienschiffes „Vanguard", 
der am 9. Juli erfolgte. Es flog in einem englischen 
Hasen in die Luft, wahrscheinlich infolge von Selbst- 
entzündung des Pulvers, und 38 Offiziere und über 
800 Mann fanden dabei den Tod. Das Schiff war 
erst im Jahre 1909 gebaut, seine Wasserverdrängung 
betrug über 23000 Tonnen. Das erregte große Be- 
stürzung, besonders da schon zwei englische Schiffe, 
„Bulwark" und „Prinzeß Irene", infolge innerer 
Explosion in die Luft geflogen waren. Doch war 
damit das Unheil, das dieser letzte Monat des dritten 
Kriegsjahres über England brachte, noch nicht er- 
schöpft. Am 22.Juli verloren sie eins ihrer Untersee- 
boote durch ein deutsches. Am 26. versenkte ein deutsches 
U-Boot unter Führung des Kapitänleutnants Stein- 
brinck einen großen, von Zerstörern gesicherten Kreuzer 
der Diadem-Klasse, die Ariadne, von 11150 Tonnen 
durch Torpedoschuß, und diese Versenkung geschah 
noch dazu im englischen Kanal. An demselben Tage 
ereilte das Verhängnis den bewaffneten englischen 
Hilfskreuzer „Otway" (12077 Tonnen) in den nörd- 
lichen Gewässern. Er wurde torpediert und sank 
in 20 Sekunden. 
Die Verluste der Franzosen im Juli waren un¬ 
wesentlich. Sie verloren am 6. ein U-Boot, am 12. 
einen Minensucher, am 19. den Patrouillendampfer 
„Edouard Eourbiere". Alle Abgänge der feindlichen 
Kriegsflotten waren den Unterseebooten zuzuschreiben. 
Sie erfolgten durch Torpedos oder durch Minen, 
die von den Unterseebooten gelegt waren. Noch viel 
furchtbarer aber räumten diese kleinen Ungetüme 
unter der feindlichen Handelsflotte auf und unter 
den Schiffen neutraler Länder, die das deutsche Sperr- 
gebiet zu durchfahren wagten. Im Juni versenkten 
sie 1016000 Tonnen, im Juli 811000 Tonnen. In 
dem halben Jahr, das am 31. Juli verflossen war 
seit Ankündigung des unbeschränkten Tauchboot- 
krieges, hatten also die Deutschen fast 572 Millionen 
Tonnen versenkt. Daß die Welttonnage einen der- 
artigen Abgang nur wenige Jahre ertragen konnte, ohne 
völlig zusammenzuschrumpfen, war klar. „Die Ver- 
Kündeten", schrieb die „Daily Mail", „hatten am 
Jahresanfang 40 Millionen Tonnen, aber wenn die 
Verluste in dieser Weise weitergehen, drohen uns sicher 
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