Volltext: Der Weltbrand Band 3 (3; 1920)

Die Kriegsfackel loderte hell auf und steckte die Welt in Brand. 
— Als dann die Kosaken des Zaren plündernd und brennend 
oie Landesgrenze überschritten, da löste die Sozialdemokratie 
das Wort ein, das die besten ihrer Führer dem deutschen 
Volke gegeben: sie stellte sich in die Dienste des Vaterlandes 
und bewilligte die Mittel zu seiner Verteidigung. 
Das Schicksal Ostpreußens zeigt, was Deutschland drohte, 
wenn das deutsche Volk nicht einmütig zusammengestanden 
hätte, um den russischen Eroberungszug aufzuhalten. Der 
todesmutigen Tapferkeit unserer Truppen, die in aufopfernder 
Hingabe die furchtbaren Strapazen eines Winterfeldzuges int 
Osten überwanden, ist es nach monatelangen opferreichen 
Kämpfen gelungen, Ostpreußen von dieser Geißel zu befreien. 
Aber nicht nur im Kampfe um die nationale Unabhängig- 
keit und Selbständigkeit Deutschlands hat die Sozialdemokratie 
ihre Pflicht getan, sie hat auch im Innern des Landes, vor 
allem auf dem Gebiete der Volksernährung und Kriegsfür- 
sorge, die Interessen der arbeitenden Volksschichten gegeil 
Lebensmtttelwucher und bureaukratische Engherzigkeit mit allen 
Kräften vertreten. 
Getreu den Pflichten, die allen sozialistischen Parteien 
durch ihre Grundsätze und durch Beschlüsse internationaler 
Kongresse auferlegt sind, hat die deutsche Sozialdemokratie 
vom ersten Tage der furchtbaren Kriegstragödie an für die 
Herbeiführung eines baldigen Friedens gewirkt. Schon bei der 
Bewilligung der ersten Kriegskredite am 4. August 1914 gab 
die sozialdemokratische Reichstagsfraktion durch den Mund des 
Genossen Haase eine Erklärung ab, in der es wörtlich heißt: 
,Wir fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung 
erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein 
Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft 
mit den Nachbarvölkern ermöglicht/ 
Die gleiche Erklärung wiederholte die Fraktion bei der Ve- 
willigung der weiteren Kriegskredite am 2. Dezember 1914. 
Und als der Retchstag zu seiner dritten Kriegstagung zu- 
sammentrat, hat am 10. März 1915 Genosse Haase namens 
der Fraktion ausgeführt: 
,Meine Partei, als die Vertreterin des internationalen 
Sozialismus, ist stets die Partei des Friedens gewesen und 
sie weiß, daß dies für die Sozialisten der anderen Länder 
ebenso wie für sie gilt. Unser Wunsch ist ein dauerhafter 
Friede, ein solcher, der nicht neue Verwickelungen in sich schließt, 
nicht Keime neuer Zwietracht enthält. Das wird erreicht 
werden, wenn kein Volk das andere vergewaltigt, wenn die 
Völker vielmehr ihre Aufgabe in dem friedlichen Austausch 
der Kulturgüter erblicken. . .. Gerade der Starke darf zuerst 
die Friedenshand ausstrecken/ 
Am 29. Mai d. I., nach dem Eingreifen Italiens in den 
Krieg, hat der Genosse Ebert im Reichstag, nachdem er diese 
den Krieg verlängernde Verschärfung der Kriegslage bedauert, 
namens der Partei erklärt: Mehr und mehr macht sich überall 
das Verlangen geltend, dem Entsetzen endlich ein Ende zu 
machen. Trotz der verschärften Situation glauben wir, getreu 
unserer sozialistischen Weltanschauung, auch heute dieser 
Friedenssehnsucht Ausdruck geben zu sollen. Dabei wissen wir 
uns in Ubereinstimmung mit großen Schichten aller Völker, 
die mit uns erstreben: einen Frieden ohne Vergewaltigung 
eines andern Volkes; einen Frieden, der ein dauerndes Zu- 
sammenwirken aller Kulturvölker wieder ermöglicht. Darum 
wenden wir uns mit Entschiedenheit gegen diejenigen Ve- 
strebungen, die den Frieden abhängig machen wollen von 
allerlei Eroberungen. Wir haben von Anfang an den Stand- 
punkt eingenommen, daß wir jeden Eroberungskrieg verurteilen. 
Daran halten wir fest!' 
Diese Ausführungen wurden in der gleichen Sitzung vom 
Genossen Scheidemann scharf unterstrichen. Ebenso hat von 
der Tribüne des preußischen Abgeordnetenhauses unsere Partei 
ihr Verlangen nach Frieden zum Ausdruck gebracht. Der 
Parteivorstand hat in der Weihnachtsnummer des ,Labour 
Leader', dem Organ der englischen unabhängigen Arbeiter- 
partei. eine Kundgebung veröffentlicht, in der es heißt: 
,Unsere wärmste Sympathie ist in dieser schicksalsschweren 
Zeit bei allen Bestrebungen, die auf eine rasche Beendigung 
dieses männermordenden Völkerringens gerichtet sind/ 
Am 12. und 13. April d. I. traten die Vertreter der Partei- 
leitungen der Sozialdemokratie Deutschlands, Österreichs und 
Ungarns in Wien zu einer Besprechung zusammen, die eine 
Kundgebung zeigte, in der es in bezug auf den Frieden heißt: 
Die sozialdemokratischen Parteien, die von jeher und ihrem 
Wesen nach für die Verbrüderung der Völker wirken, sind die 
berufenen Verkünder der Friedenssehnsucht. Diese entspringt 
dem Willen und der Kraft der Selbstbehauptung, nicht etwa 
dem Gefühl der Schwäche. Daraus aber folgt mit Not- 
Wendigkeit, daß nur ein Friede möglich ist, der kein Volk de- 
mütigt, daß nur ein solcher Friede das dauernde Zusammen- 
arbeiten aller Kulturvölker gewährleisten wird. 
Die bei der Zusammenkunft vertretenen Parteien stehen 
auf dem Boden der Beschlüsse der internationalen Sozialisten- 
kongresse, insbesondere des Kopenhagener Kongresses von 1910 
und halten in diesem Sinne beim Friedensschluß folgende 
Sicherungen für notwendig: 
den Ausbau der internationalen Schiedsgerichte zu obli- 
gatorischen Einrichtungen zum Zwecke der Schlichtung 
aller Streitigkeiten zwischen den einzelnen Staaten; 
die Unterwerfung aller Staatsverträge und Vereinbarungen 
unter die demokratische Kontrolle der Volksvertretungen; 
die internationale vertragsmäßige Einschränkung der Rü¬ 
stungen mit dem Ziele der allgemeinen Abrüstung; 
die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes aller Völker. 
Weiter erklären die Vertreter der sozialdemokratischen Parteien 
Deutschlands. Österreichs und Ungarns: ,die Tatsache, daß die 
sozialdemokratischen Parteien der kriegführenden Länder ihr 
Land und Volk verteidigen, darf kein Hindernis sein, die 
internationalen Beziehungen aller sozialistischen Parteien zu- 
einander aufrechtzuerhalten sowie die Tätigkeit ihrer interna- 
tionalen Einrichtungen fortzuführen/ 
Aber die deutsche Sozialdemokratie hat sich keineswegs 
damit begnügt, in solchen öffentlichen Kundgebungen immer 
von neuem der Friedenssehnsucht und dem Friedenswillen 
des werktätigen Volkes Deutschlands Ausdruck zu geben. Keine 
Schwierigkeiten und Widerstände, keine Verdächtigungen scheu- 
end, ist der Parteivorstand mit zäher Ausdauer bestrebt ge- 
wesen, die durch den Kriegsausbruch so jäh unterbrochenen inter- 
nationalen Verbindungen wieder anzuknüpfen, mit den Bruder- 
Parteien aller Länder darüber zu verhandeln, wie gemeinsam 
für die Herbeiführung des Friedens gewirkt werden kann. 
Auch allen diesem Zwecke dienenden Bestrebungen der 
Sozialisten der neutralen Staaten sind wir gerne entgegen- 
gekommen. 
Als das EXekutivkomitee der Internationale mit der An- 
regung hervortrat, im Haag mit den sozialistischen Parteien 
der kriegführenden Länder einzeln über die Möglichkeit einer 
gleichzeitigen Friedenskundgebung zu verhandeln, stimmte der 
Vorstand der deutschen Sozialdemokratie dem unter der Vor- 
aussetzung zu. daß auch die französische Parteileitung einver- 
standen sei. Obwohl deren Zusage noch nicht vorlag, begaben 
sich auf Einladung Mitglieder des deutschen Parteivorstandes 
im März nach dem Haag, wo sie erfuhren, daß wohl die 
Engländer, nicht aber die Franzosen zu solchen Verhandlungen 
bereit waren. 
Trotzdem haben sie mit den Mitgliedern des EXekutiv- 
komitees dort in freundschaftlicher Weise verhandelt. Sie gaben 
dabei ihrer Bereitschaft Ausdruck, zunächst auf das Zustande- 
kommen einer Sitzung des Internationalen Bureaus hinzu¬ 
arbeiten und alle Maßnahmen zur Förderung des Friedens- 
gedankens zu unterstützen, die von den sozialistischen Parteien 
der kriegführenden Länder ergriffen werden. 
So hat die deutsche Sozialdemokratie durch ihre berufenen 
Vertretungen den sozialistischen Grundsätzen und den Be- 
schlüssen der Internationalen Kongresse getreu für den Frie- 
den gewirkt. 
Mit schmerzlichem Bedauern muß dem gegenüber konstatiert 
werden, daß bisher alle Versuche internationaler Verständigung 
gescheitert sind vornehmlich an dem Verhalten der sozialisti- 
schen Partei Frankreichs, die an ihrer mit dem Zaren ver- 
bündeten Regierung durch mehrere hervorragende Mitglieder 
beteiligt ist. Sie billigt rückhaltlos deren Politik, die darauf 
gerichtet ist, den Krieg bis zur Niederlage Deutschlands, ,bis 
zur Vernichtung des deutschen Militarismus', fortzuführen, 
und hat sich gegen eine Zusammenkunft des Internationalen 
Sozialistischen Bureaus ausgesprochen. 
Nach der Kundgebung unserer Reichstagsfraktion für den 
Frieden im Dezember 1914 machte der französische Minister- 
Präsident am 22. Dezember in der Deputiertenkammer folgende 
Ausführungen: 
,In der jetzigen Stunde ist nur eine Politik möglich: Kampf 
ohne Gnade bis zur endgültigen, durch einen völlig siegreichen 
Friedcn gesicherten Befreiung Europas ... 
Getreu seiner Unterschrift im Vertrage vom 4. September, 
wo es seine Ehre und somit auch sein Leben einsetzte, wird 
Frankreich die Waffen erst niederlegen, wenn es das verletzte 
Recht gerächt, die gewaltsam geraubten Provinzen für immer 
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