Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

arabien lebenden die nächsten dazu sein müßten, 
denn sie führten unter der russischen Knute ein 
elendes Leben, wie alle Fremdvölker des Zarenreiches. 
König Ferdinand dachte dagegen nicht an Beßarabien. 
Er glaubte, daß Rußlands Macht nie erschüttert 
werden könne, Österreich-Ungarn dagegen, wie auch 
die Dinge jetzt stehen mochten, schließlich doch besiegt 
und Zerschlagen werden würde, und er wollte dann 
nicht leer ausgehen, wenn die Stunde des Aufteilens 
der Beute herankam. Gering waren ja auch die 
Beutestücke nicht, die Rußland ihm versprach: Sieben- 
bürgen und die weiter südlich von Rumänen be- 
wohnten Gebiete, die Bukowina mit Czernowitz, bul- 
garisches Gebiet zwischen Rustschuk 
und Warna. Das Bedenkliche an 
der Sache war nur, daß der größte 
Teil dieser Ländermasse erst er- 
obert werden mußte. Aber das 
hielten die bestochenen Schreier der 
Gasse, Take Jonesku und Ge- 
nossen, für sicher, gaben sich wenig- 
stens den Anschein, es für sicher 
zu halten, und brachten dem Volke 
die Meinung bei, eine Regierung, 
die derartige Möglichkeiten, Ru- 
mänien groß zu machen, nicht 
benutze, müsse verjagt werden. In 
gleichem Sinne wirkte auf den 
König seine Gemahlin, die junge 
Königin Marie, ein. Sie war 
eine Frau von großer Schönheit, 
sehr gewandt im Intrigenspiel, 
und besaß einen starken Einfluß 
auf ihren Gemahl. Als Enkelin 
der Königin Viktoria von England 
und eines russischen Großfürsten 
war es nicht sehr verwunderlich, 
daß sie sich stark für die Entente 
ins Zeug legte, zumal da die leichtfertige und ober- 
flächliche Frau von den wahren Interessen des Landes, 
dessen Herrscherin sie geworden war, schwerlich eine 
Ahnung hatte. Die Rolle, die sie spielte, erinnerte 
lebhaft an das Ränkespiel der Kaiserin Eugenie vor 
Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im 
Jahre 1870. 
So ließ sich denn König Ferdinand dazu bewegen, 
seinem bisherigen Bundesgenossen den Krieg zu er- 
klären. An ernsten Warnungen hat es ihm nicht 
gefehlt. Peter Earp, fast der einzige unbestechliche 
Politiker Rumäniens, der schon immer ein Bündnis 
mit Rußland für das größte Unglück erklärt hatte, 
beschwor ihn noch in der verhängnisvollen Krön- 
ratssitzung, den Mittelmächten Treue zu halten und 
das Land nicht ins Verderben zu stürzen. Er soll 
sogar erklärt haben, komme es zum Kriege, so werde 
er seine Söhne zwar dem Vaterlande opfern, müsse 
aber gleichwohl wünschen, daß Rumänien mitbesiegt 
werde. Seine Stimme verhallte ungehört, die ebenso 
ruchlose wie törichte Tat wurde beschlossen. 
Sofort am Tage darauf, an: 28. August, er- 
klärte Deutschland an Rumänien den Krieg. Der 
Treubruch Ferdinands von Rumänien machte auf 
das deutsche Volk den tiefsten Eindruck. Wäre 
er von Geburt ein Rumäne gewesen, so hätten 
sich wenige über seine Haltung gewundert, aber 
daß ein deutscher Prinz, noch dazu ein Hohenzoller, 
eine solche Handlung begehen konnte, erfüllte alle 
Volkskreise mit dem gleichen Abscheu, und die 
Gestalt dieses Königs erschien den Deutschen noch 
verächtlicher als der wortbrüchige Savoyer auf 
dem Throne Italiens. 
Auch dem schlichtesten Manne erschien es ganz selbst- 
verständlich, daß Deutschland sich 
auf der Stelle entschlossen an die 
Seite des Bundesgenossen gegen 
den Verräter stellte. Die türkische 
Kriegserklärung an Rumänien er- 
folgte am 30. August, die bulga- 
rische am 1. September. 
In den gegen Deutschland ver- 
kündeten Ländern war natürlich 
die Freude groß, daß es endlich 
gelungen war, das so lange 
zögernde Rumänien zum Los- 
schlagen zu bringen. Die Klug- 
heit Bratianus wurde in allen 
Tonarten gepriesen, in der fran- 
zösischen Kammer hieß Rumänien 
von nun an „das edle", und es 
wurde ihm bescheinigt, daß es 
würdig sei, für die Kultur und 
den Fortschritt der Menschheit zu 
kämpfen. Selbstverständlich schrie- 
ben alle Zeitungen der Entente- 
länder, nun sei die große Wen- 
dung des Weltkrieges gesichert, der 
Zusammenbruch der Mittelmächte 
stehe unmittelbar bevor, einem neuen Feinde, der ein 
frisches Heer von über einer halben Million Mann 
heranführe, sei ihre geschwächte Kraft nicht mehr 
gewachsen. 
In Petersburg wußten die leitenden Kreise freilich 
sehr wohl, daß Rumänien mit seinen Kriegsvorbe- 
reitungen noch nicht ganz fertig war, daß es ihm vor 
allem noch an schwerer Artillerie und auch an Muni- 
tion fehle und daß sein Eintritt in den Krieg nicht 
gerade im glücklichsten Momente erfolgte. Statt aber 
diesen Augenblick noch einige Wochen oder Monate 
hinauszuschieben, hatte Rußland alles getan, uin 
Rumänien so schnell wie möglich in den Krieg hinein- 
zuHetzen, ja es hatte zuletzt geradezu mit dem Ein- 
marsch gedroht, denn die großen Heerführer der 
Entente hatten wieder einmal erkannt, daß der Balkan 
die Stelle sei, wo der Krieg entschieden werden müsse 
und wo er allein entschieden werden könne. Wenn 
Sarrail mit seinem Heer von Saloniki aus einen 
Gewaltstoß nach Norden unternahm und zugleich ein 
gewaltiges neues Heer über die Donau gegen Bul- 
König Ferdinand I. von Rumänien. 
602
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.