Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

So war der Stand der großen russischen Offensive 
unter Brussüow, nachdem sie einen Monat angedauert 
hatte. Sie roar erfolgreich genug gewesen. Die Vu- 
kowina war den Österreichern und Ungarn zum weit- 
aus größten Teile wieder entrissen worden, und bei 
ihrem Rückzug hatten ihnen die Russen eine gewaltige 
Menge von Gefangenen und Geschützen abgenommen, 
wenn auch die russische Beute nicht so maßlos war, 
wie ihre Siegesberichte fabelten. Auch das Ziel, Italien 
zu entlasten, war erreichte Das österreichisch-ungarische 
Vordringen in Norditalien mußte aufhören. Statt dessen 
schritten nun die Italiener wieder zu einer neuen Offen- 
sive, deren sich die Österreicher und Ungarn tapfer, aber 
mit ungenügenden Kräften erwehrten. Nicht erreicht war 
dagegen durch Rußland ein Durchbruch des österreichisch- 
ungarischen Heeres, nicht erreicht die Wiedereroberung 
Ealiziens, und deshalb zögerte auch Rumänien noch, 
sich der russischen Sache anzuschließen. Es mußte um 
so mehr Bedenken tragen, als jeder einsah, daß Rußland 
diese Art des Vorgehens nicht lange werde aushalten 
können. Die Menschenschlächtereien des Großfürsten 
Nikolai Nikolajewitsch wurden von Vrussilow noch über- 
boten, die Massen wurden von hinten beschossen, in 
das Maschinengewehrfeuer ihrer Feinde hineingehetzt, 
ohne Rücksicht darauf, wieviele dabei zugrunde gingen. 
Die Verluste waren denn auch grauenhaft hoch, so 
hoch, daß hohe russische Offiziere eine Denkschrift an 
den Zaren richteten, in der sie ihn baten, dem Morden 
Einhalt zu tun, denn Rußland könne, wenn dieses 
Heer vernichtet sei, kein neues mehr aufstellen. Dabei 
war doch nur gegen das österreichisch-ungarische Heer 
in der Bukowina ein Erfolg erreicht worden. Bothmer 
stand noch unbezwungen da, Linsingen ging sogar zu 
erfolgreichen Gegenangriffen über, und Deutschland 
warf neue Massen an die bedrohte Front und brachte 
seinem Bundesgenossen wirksame Hilfe. 
Die Ereignisse zur See und in der Luft im Juni und Juli 1916. 
OTm letzten Tage des Mai und am ersten Tage des 
-^.Juni war die Seeschlacht am Skagerrak geschlagen 
worden, die erste wirklich bedeutende Niederlage zur 
See, die England seit den Tagen Ruyters und Tromps 
erlitten hatte. Kaum waren einige Tage seitdem ver- 
flogen, und kaum hatte sich England von seiner ersten 
furchtbaren Bestürzung erholt, so gingen die englische 
Regierung, Admiralität und Presse daran, der Welt 
Sand in die Augen zu streuen. Aber es half ihnen 
nichts, daß sie mit aller Kunst der Lüge die Schlacht 
in einen britischen Seesieg umzuwandeln suchten. Es 
wirkte vielmehr auch auf die Neutralen nur lächerlich, 
wenn Churchill erklärte, die letzte Unsicherheit über 
die definitive Unterlegenheit der deutschen Flotte unter 
die englische sei nun beseitigt, und die Schlacht sei ein 
Schritt zur Erringung des vollständigen Sieges ge- 
wesen. Man lachte über den Bericht des Admirals 
Beatty, der die englischen Verluste daraus erklären 
wollte, daß die Deutschen eine bessere Beleuchtung zum 
Schießen gehabt hätten, man lachte über die pomp- 
haften Telegramme, die der englische König an seine 
Flotte und ihre heldenhaften Führer absandte, und 
worin er sie für ihre großen Taten pries, und man 
lachte erst recht, als endlich nach Wochen der Bericht 
des englischen Flottenführers Iellicoe erschien, der in 
höchst gewundenen Worten zu beweisen suchte, daß die 
Engländer trotz ihrer großen Verluste gesiegt hätten 
und daß die Deutschen noch viel schwerere Verluste 
gehabt haben „müßten". Es war nicht anders: der eng- 
lische Ruhm, unangreifbar und immer siegreich zur 
See zu sein, hatte einen starken Stoß erhalten. Nun 
sollte England die Wahrheit des alten Sprichwortes 
erfahren: „Ein Unglück kommt selten allein". Wenige 
Tage nach der verhängnisvollen Schlacht am Skagerrak 
sah sich der Oberbefehlshaber der britischen Seestreit- 
kräfte gezwungen, zu seinem „großen Bedauern" zu 
berichten, das Kriegsschiff „Hampshire" sei westlich 
von den Orkney-Inseln durch eine Mine oder durch 
ein Torpedo versenkt worden, und es bestehe wenig 
Hoffnung, daß irgend jemand mit dem Leben davon- 
gekommen sei. Es war auch wirklich niemand mit 
dem Leben davongekommen, und an Bord dieses 
Schiffes hatte sich Lord Kitchener mit seinem ganzen 
Stabe, auch japanischen Offizieren, befunden. Er war 
im Begriff gewesen, nach Rußland zu reisen, um den 
Zaren zu beraten, als ihn der Tod ereilte. Mit ihm 
verlor England seinen fähigsten General und den ein- 
zigen Organisator großen Stiles, den es besaß. Sein 
Verlust war für die britische Macht verhängnisvoller 
als die Niederlage in einer großen Schlacht. Ob 
Kitchener wirklich bei den Orkney-Jnseln starb oder 
ob er an der Seeschlacht teilgenommen und dabei 
seinen Tod gefunden hat, wie von vielen Seiten 
behauptet wurde, kann jetzt nicht entschieden werden. 
Ungefähr zehn Wochen nach seinem Tode setzte die 
englische Regierung eine ungeheure Belohnung auf 
das Auffinden seiner Leiche aus. 
Die Größe der englischen Niederlage wurde in den 
ersten Tagen des Juni durch Berichte des deutschen 
Admiralstabes in das richtige Licht gestellt. Am 
3. Juni wurde von ihm gemeldet: 
„Um Legendenbildungen von vornherein entgegenzutreten, 
wird nochmals festgestellt, daß sich in der Schlacht vor Skager- 
rak am 31. Mai die deutschen Hochseestreitkräfte mit der ge- 
samten modernen englischen Flotte im Kampf befunden haben. 
Zu den bisherigen Bekanntmachungen ist nachzutragen, daß 
nach amtlichem englischen Bericht noch der Schlachtkreuzer 
„Jnvineible" und der Panzerkreuzer „Warrior" vernichtet 
worden sind. Bei uns mutzte der kleine Kreuzer „Elbing", der 
in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni infolge Kollision mit 
einem anderen deutschen Kriegsschiff schwer beschädigt worden 
war, gesprengt werden, da er nicht mehr eingebracht werden 
konnte. Die Besatzung wurde durch Torpedoboote geborgeu, bis 
auf den Kommandanten, 2 Offiziere und 18 Mann, die zur 
Sprengung an Bord geblieben waren. Letztere sind nach einer 
Meldung aus Holland dnrch einen Schlepper nach Bmuideu 
gebracht und dort gelandet worden." 
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