Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

zurzeit etwa 12 bis 13 Milliarden Mark eingezahlt sein dürften. 
Wir halten auf etwas über 13 Milliarden, die jetzt so gut wie voll 
eingezahlt sind, und mit der bevorstehenden Kriegsanleihe werden 
wir, wie ich zuversichtlich hoffe, auch hinsichtlich der gezeich- 
neten und damit für die weitere Kriegführung gesicherten 
Summen wieder allen anderen voran sein. Österreich-Ungarn 
hat durch langfristige Anleihen bisher nahezu8Milliarden Kronen 
aufgebracht, eine Leistung, die angesichts des Standes von Wirt- 
schaft und Volksreichtum der Donaumonarchie die größte An- 
erkennung verdient. Frankreich, das berühmte Land der Rentner, 
bleibt hinter diesen Ziffern weit zurück. Der Neinertrag seiner 
langfristigen Anleihen, der sogenannten „Obligations de la 
defense nationale", erreicht kaum 2 Milliarden Franks, das 
ist etwa ein Viertel dessen, was Österreich-Ungarn bisher auf 
diesem Wege geleistet hat. Den ganzen großen Nest seines 
Kriegsbedarfes hat Frankreich nur im Wege des kurzfristigen 
Kredits decken können. Es hat rund 8 Milliarden Franks 
durch kurzfristige Schatzscheine aufgenommen, die nun jeden 
Augenblick in größeren Beträgen fällig werden, daneben 
6A/2 Milliarden Franks durch Inanspruchnahme der Bank von 
Frankreich. Dazu kommt noch ein Kredit von l^ Milliarden 
Franks, den Frankreich sich unter recht harten Bedingungen 
von England hat einräumen lassen. Von Rußland, Italien 
und den kleineren Ententegenossen will ich hier nicht reden, 
man soll auch gegen Feinde nicht ohne Not grausam sein." 
Am 16. März 1916 konnte Helfferich im Reichs- 
tag erklären: 
„Wir haben bisher im finanziellen Kampf allen die Spitze 
geboten. Keiner unserer Gegner hat das Maß unserer Lei- 
stungen auch nur annähernd erreicht. Wir haben ohne alle 
Kunstgriffe mit steigendem Erfolg in drei gewaltigen Anleihen 
rund 25 Milliarden aufgebracht. Frankreich hat in seiner ein- 
zigen großen inneren Anleihe, der Siegesanleihe, noch keine 
10 Milliarden Mark seiner Kriegsausgaben konsolidieren können. 
England hat durch konsolidierte Anleihen bisher 18 bis 19 Mil- 
liarden aufgebracht. Englands erste Anleihe haben wir mit 
dem Ergebnis unserer zweiten, seine zweite Anleihe mit dem 
Ergebnis unserer dritten geschlagen. Auf unsere dritte Anleihe 
hat England, dessen zweite im Juni vorigen Jahres aus- 
gegeben wurde, bisher eine dritte nicht folgen lassen. Seine 
kurzfristigen Scheine wachsen ins Ungemessene, sie werden Ende 
des Monats einschließlich der fünfjährigen Amerikaneranleihe 
nicht weit von 15 Milliarden entfernt sein. Trotzdem zögert 
und stockt der englische Schatzsekretär. Er hat die seit Monaten 
dringend nötige neue Anleihe vom November aus den Januar, 
vom Januar auf den März verschoben, und auch der März 
hat bisher noch keine Ankündigung gebracht. Die Bedingungen, 
mit denen der Junianleihe zu einem großen Erfolg oerholfen 
werden sollte, zeigen ihm den Weg. Eine mit weniger als 
5 Prozent verzinste Anleihe ist nicht mehr möglich. Eine 5pro- 
zentige Anleihe bedeutet aber die automatische Hinaufkonver- 
tierung von mehr als 20 Milliarden ^/sprozentiger Anleihe. 
Sogar das Projekt einer großen Lotterieanleihe scheint in eng- 
tischen Finanzkreisen als rettender Ausweg aus der schweren 
Lage ernsthaft erwogen worden zu sein. Im Juli betrug 
die durch den Krieg aufgelaufene Schuld Englands 55 Mil- 
liarden Mark, wovon nur 19 Milliarden durch langfristige 
Anleihen gedeckt waren." 
Was nun die Ausgaben anbelangte, die der Krieg 
forderte, so betrugen die Kosten der Kriegführung 
für Deutschland durchschnittlich vom Anfang des 
Krieges bis Mitte des Jahres 1915 etwas über 
2 Milliarden Mark im Monat, also täglich die statt- 
liche Summe von rund 66 Millionen Mark. In 
England waren sie in den ersten Monaten des Krieges 
viel niedriger, stiegen aber dann schnell, erreichten 
um die Mitte des Jahres 1915 die Höhe der deut¬ 
schen, betrugen Anfang 1916 schon 90 Millionen, um 
die Mitte des Jahres 120 Millionen täglich. Frank- 
reich gab täglich 80 Millionen Franken aus; Ruß- 
land 31 Millionen Rubel. Die ungeheure Ausgabe 
Englands erklärte sich daraus, daß es die finanziell 
schwächeren Staaten des Vierverbands mit zu ver- 
sorgen hatte, vor allem Rußland, das längst nicht 
mehr vermochte, aus eigener Kraft den Krieg zu 
führen — wenn es das überhaupt jemals vermocht 
hatte — und das ganz und gar von der Hilfe des 
geldgewaltigen Bundesgenossen lebte. Eine amerika- 
nische Anleihe, die dazwischen einmal von Rußland 
abgeschlossen wurde, war ohne Belang; England 
zahlte mit schwerem Seufzen. Die Unterhandlungen, 
die der russische Finanzminister Bark mit den eng- 
tischen Staatsmännern zu führen hatte, waren oft 
sehr unerquicklicher Natur, denn die Briten wußten 
es genau, daß all ihr schönes Geld rettungslos ver- 
loren war, wenn der Krieg nicht mit einem voll- 
kommenen Siege abschloß. Das nun wieder war nur 
dann möglich, wenn Rußland nicht vorzeitig die 
Waffen niederlegte, und deshalb erpreßte den Eng- 
ländern die russische Drohung, einen Sonderfrieden 
abschließen zu wollen, immer neue Riesensummen. 
Auch Italien mußte von Zeit zu Zeit durch Ee- 
Währung größerer Anleihen bei der großen Sache der 
Menschlichkeit und Zivilisation festgehalten werden. 
Den Gesamtaufwand für den Krieg berechnete 
Helfferich im März für Deutschland und seine Bundes- 
genossen auf 50 bis 55 Milliarden Mark. Davon 
brachte Deutschland die Hauptmasse auf und zwar 
nicht nur für sich, sondern auch für die mit ihm ver- 
bündeten Völker. Sie alle erhielten Anleihen von 
ihm, besonders die Türkei, die bei den Verhältnissen 
ihrer Finanzen sonst nimmermehr in der Lage ge- 
wesen wäre, einen so gewaltigen Krieg durchzuhalten. 
Die Kriegskosten der Vierverbandsmächte betrugen 
nach der Aufstellung des deutschen Schatzsekretärs 
100 bis 105 Milliarden Mark. „Das Verhältnis", 
sagte er im Reichstag, „ist also etwa wie 1:2; es ist 
umgekehrt proportional den erzielten Erfolgen gegen- 
über und hat die Tendenz, sich weiter zu unseren 
Gunsten zu verschieben." 
Die Meinung, die England zu Kriegsanfang ge- 
hegt und die fast alle Leute in den neutralen Län- 
dern geteilt hatten, Deutschland werde durch das eng- 
lische Geld unterdrückt werden, hatte sich als voll- 
kommen irrig erwiesen. Die englischen Minister und 
Parlamentsredner prahlten nicht mehr mit ihren 
„silbernen Kugeln", und über die Frage, wer die 
letzte Million aufbringen werde, wurde in England 
nicht mehr gesprochen. Dagegen erwartete das „see- 
beherrschende" Volk nun alles von der Wirkung der 
Blockade Deutschlands, und die englischen Zeitungen 
wurden nicht müde, der Welt zu versichern, der 
Hunger und der Mangel an Rohstoffen werde die 
Deutschen doch noch auf die Knie zwingen. Mit 
jedem Monat verstärkte daher England den Druck auf 
die neutralen Länder, die mit Deutschland Handels- 
beziehungen unterhielten, und suchte sie zu zwingen, 
diese Handelsbeziehungen abzubrechen. Unglaublich 
war die Geduld und Unterwürfigkeit, die nicht nur 
die kleinen, sondern auch die großen neutralen Mächte 
den immer dreister werdenden Übergriffen Englands 
gegenüber entfalteten. Schon gleich nach Beginn des 
Krieges hatte England auf hoher See die deutschen 
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