Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

auf, wurden selbst davon angesteckt und schrieen 
ebenso begeistert wie die anderen „Viva l'Italia", 
„Viva la guerra". Nur die Sozialdemokraten, ins- 
besondere ihr Blatt „Avanti", blieben fest, waren 
unentwegt Gegner des Krieges und hatten den Mut, 
ihre Meinung auch ferner mit der größten Schärfe 
zu vertreten. 
Selbst in diesen kritischen Tagen wurden die Ver- 
haudlungen zwischen Italien und Osterreich-Ungarn 
noch fortgesetzt. Aber es waren von feiten Italiens 
nur Scheinverhandlungen. Salandra und Sonnino 
stellten derartige Forderungen, daß nur ein besiegtes 
und gedemütigtes Osterreich-Ungarn sie hätte an- 
nehmen können. Sie verlangten u. a. außer dem von 
Osterreich-Ungarn schon Gebotenen Abtretung von 
Tirol bis Bozen, weiter Länderstrecken, die von Süd- 
slaven bewohnt waren, und vor allen Dingen Be- 
fetzung dieser Gegenden durch Italien, ehe der Krieg 
beendetwäre. Darein konnte Osterreich-Ungarn niemals 
willigen, denn wer bürgte ihm dafür, daß nicht die 
Italiener, wenn sie im Besitze des Gewünschten waren, 
noch weit härtere Forderungen erhoben! Somit mußte 
es denn zum Kriege kommen. Der König war nun 
auch völlig von der Kriegspartei gewonnen worden. 
Er tat dem Königtum die Schande an, d'Annunzio 
eine längere Unterredung zu gewähren, wobei er den 
moralisch verkommenen Menschen mit Worten der 
Herzlichkeit und Bewunderung überhäufte. Der eitle 
Dichter telegraphierte darauf an seine Pariser Freunde: 
„Die Schlacht ist gewonnen. Ich habe von der Höhe des 
Kapitols aus zu einer unermeßlich begeisterten Volksmenge 
gesprochen. Die Glocken läuteten Sturm, und die Rufe des 
Volkes drangen zum schönsten Himmel der Welt empor. Ich 
bin trunken vor Wonne. Nach dem französischen Wunder 
werdet ihr das italienische Wunder sehen." 
Das Wunder, das zunächst zu sehen war, bestand 
in einem völligen Umschwenken der Kammer und des 
Senats. Es war kein Geheimnis, daß noch vor acht 
Tagen die große Mehrheit der Kammer und die über- 
wältigende Mehrheit des Senats gegen den Krieg 
gewesen war, aber das Gebrüll der Gasse hatte seine 
Wirkung in vollstem Maße getan. Als am 20. Mai 
Salandra in einer schwülstigen Rede vor der Kammer 
für den Fall eines Krieges außerordentliche Befugnisse 
für die Regierung verlangte, stimmten nur 74Ab¬ 
geordnete dagegen, 407 dafür, und im Senat gab 
überhaupt nur einer, Fürst Camporeale, des Fürsten 
Bülow Schwager, seine Stimme gegen Salandra ab. 
Nun wurde der Dreiverbandsvertrag in Wien ge- 
kündigt. Aber die österreichisch-ungarische Regierung 
erwiderte, grimmigen Humors voll, sie nähme die 
Kündigung nicht an, da kein Grund vorliege, den 
Vertrag aufzuheben. Italien begründete die Auf- 
Hebung des Vertrages dadurch, daß Osterreich-Ungarn 
im August 1914, ohne seinen Bundesgenossen in Rom 
zu fragen, Serbien den Krieg erklärt habe. Dadurch 
sei das Gleichgewicht auf dem Balkan gestört. Der 
in Frage kommende Artikel des Dreibund-Vertrages 
aber erklärte, daß nur territoriale Verschiebungen auf 
Patriotische Kundgebungen in Innsbruck am 23. Mai bis tief in die Nacht hinein nach Bekanntwerden der Kriegserklärung Italiens 
an Osterreich-Ungarn. Nach einer Zeichnung für die „Jllustrirte Zeitung" von A. Reich. 
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