Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

seinem Thron hinweggefegt werden, so sah es sich 
schwer enttäuscht. Das bulgarische Volk erkannte, daß 
nicht er an dem Mißerfolge schuld war, und er be- 
hielt das Heft fest in der Hand. 
Bei dieser Lage der Dinge mußte der König von 
Anfang des Krieges an eine Niederlage Rußlands 
wünschen, denn die Petersburger Machthaber waren 
ebenso die Feinde seines Volkes wie seine persönlichen 
Feinde. Ein Sieg der Russen hätte Bulgarien zu 
einem Vasallenstaate des Zaren erniedrigt, ihn selbst 
zur völligen Unterwerfung oder zur Abdankung ge- 
nötigt. Darum ließ er sich weder durch Rußlands 
drohende Forderungen zu einem Anschluß an die En- 
tente bewegen, noch durch die Lockungen Englands, 
das ihm alle möglichen Gebiete versprach, die es selbst 
nicht besaß. 
Er wartete zu- 
nächst ab, auf 
welche Seite der 
Sieg sich nei- 
gen werde, und 
erst als Ruß- 
land die gro- 
ßen Schläge in 
Ealizien und 
Polen erhalten 
hatte, beschloß 
er, indenKrieg 
einzugreifen. 
Er begann Ver- 
Handlungen 
mit Serbien 
über eine frei- 
willige Heraus- 
gäbe Mazedo- 
mens. Aber der 
verblendeteKö- 
nig Peter und 
seine ebenso 
verblendeten 
Ratgeber dachten nicht an eine freiwillige Räumung 
des Landes, das sie durch ein verruchtes Bubenstück 
an sich gebracht hatten. Auch ein Druck der Vier- 
Verbandsmächte auf die serbische Regierung, Maze- 
donien um der großen, auf dem Spiele stehenden 
Interessen des Vierverbands willen herauszugeben, 
hatte keinen Erfolg. Bei den Türken dagegen fand 
der König ein verständnisvolles Entgegenkommen. 
Sie sahen ein, was er bedeutete, und gestanden ihm 
bereitwillig eine nicht unbedeutende Gebietsabtretung 
in Thrazien zu, eine „Grenzregulierung", durch die 
nicht weniger als 2000 qkm an Bulgarien fielen. 
Am 17. September wurde der Vertrag darüber ge- 
siegelt, trotzdem die Diplomaten der Vierverbands- 
mächte die verzweifeisten Anstrengungen gemacht 
hatten, ihn zu hintertreiben, denn sie wußten, was 
für sie auf dem Spiele stand. „Bei Bulgarien liegt 
die Entscheidung des Weltkrieges" hatte einer von 
ihnen erklärt, und das war nicht unrichtig. Griff Bul¬ 
garien im Verein mit den Mittelmächten die Serben 
an, so war eine Eroberung des nördlichen Serbien 
in kurzer Zeit zu bewerkstelligen, dann war der Weg 
frei zwischen Berlin, Wien und Konstantinopel. Die 
Mittelmächte konnten mit Futtermitteln und Roh- 
stoffen, die Türkei mit Waffen und Munition ver- 
sorgt werden. Infolgedessen konnten die Türken neue 
Truppenmassen von vielen Hunderttausenden ausrüsten. 
Von Konstantinopel führte der Landweg nach Bagdad 
und dem persischen Golf, nach Ägypten und dem 
Suezkanal. Ganz neue Möglichkeiten, England in 
seinen Lebensadern zu treffen, eröffneten sich dem 
neuen Vierbund, und deshalb war der 21. September 
einer der wichtigsten Tage des ganzen Krieges. 
Im September griff Bulgarien noch nicht in den 
Krieg ein. Es 
vollendete in 
Ruhe seine Rü- 
stungen, und es 
scheint, als hät- 
ten die bulga- 
tischen Diplo- 
maten die Vier- 
verbandsmäch- 
te noch jetzt im 
unklaren ge- 
halten, ob die 
Rüstungen für 
oder gegen sie 
gerichtet seien, 
denn die Ser- 
ben behaupte¬ 
ten später, sie 
seien von den 
englischen Di- 
plomaten in 
ihrem Lande 
gehindert wor- 
den, rechtzeitig 
das noch nicht 
ganz fertige Bulgarien anzugreifen, weil es noch nicht 
sicher sei, ob die bulgarische Armee sich nicht auf die Türken 
stürzen würde. Ob das der Wahrheit entspricht, muß 
dahingestellt bleiben. Möglich wäre es wohl bei der 
außerordentlichen Unfähigkeit der englischen Staats- 
männer. Lange indessen konnten sie nicht in dieser 
Täuschung gehalten werden, und so erließen England, 
Frankreich und Rußland am 4. Oktober ein Ultimatum 
an Bulgarien. König Ferdinand wurde aufgefordert, 
binnen vierundzwanzig Stunden „die Beziehungen 
zu den Feinden der slawischen Sache abzubrechen" 
und die deutschen Offiziere, die in bulgarischen Heeres- 
diensten ständen, zu entfernen. Wäre das Ultimatum 
ein Jahr früher gestellt worden, so hätte sich der König 
fügen müssen. Sein eigenes Volk würde ihn dazu 
genötigt haben. Jetzt wirkte die anmaßende und hoch- 
fahrende Sprache derer, die sich in harter Bedrängnis 
befanden, nur lächerlich. Bulgarien erteilte eine ab- 
lehnende Antwort und richtete sogleich ein Ultimatum 
Der erste „Zeppelin" auf dem Balkan: Ankunft des Lustschiffs über Sofia am 9. November. 
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