Volltext: Der Weltbrand Band 2 (2; 1917)

niemand darüber im unklaren, daß sie in der 
strengsten Neutralität zu verharren wünschten, und 
sie hielten auch alle Gebote der Neutralität in 
ehrenhafter Weise. In Spanien war von jeher eine 
Partei für den Anschluß an Frankreich gewesen, denn 
die „Phrase von der lateinischen Schwesternation" 
verwirrte auch hier die Köpfe aber sie drang nicht 
durch, und es bestand auch keine Aussicht darauf, 
daß sie den Sieg erringen könne. Dazu war das 
Mißtrauen gegen England viel zu tief eingewurzelt. 
Die Schmach von Gibraltar brannte dem stolzen Volke 
auf der Seele, und jeder einsichtige 
Spanier 'mußte sich ja sagen, 
daß ein Sieg Englands nicht 
nur die Verewigung die 
ser Schmach bedeuten 
würde, sondern daß 
in diesem Falle 
auch die spani- 
schen Besitzun- 
gen in Nord- 
afrika schwer 
bedroht wä- 
ren. Die Eng- 
länderscheinen 
deshalb dieVe- 
mühungen, Spa- 
menin den Krieg 
hineinzuziehen,mit 
der Zeit aufgegeben 
zu haben. Sie fanden 
dort zu wenig Entge- 
genkommen. Ein Teil der 
öffentlichen Meinung war sogar 
entschieden deutschfreundlich. : In 
Amerika wurde selbstverständlich 
so weiter gehetzt und geschürt und 
mit Lüge und Bestechung gear- 
beitet wie am Anfang des Kriege 
oder vielmehr schon vor dem Kriege. 
Es mußte auf alle Fälle verhin- 
dert werden, daß der Einfluß der 
Deutschamerikaner und der Iren 
ein Ausfuhrverbot für Kriegsbedarf und Waffen er- 
zwang, denn geschah das, so konnte England den Krieg 
einfach nicht weiterführen. Ob die englischen Staats- 
männer wirklich so töricht waren, zu wünschen, Amerika 
inöge am Krieg teilnehmen, ist kaum zu denken, denn 
dann hätte Amerika seine Lieferungen einstellen müssen, 
um erst einmal seine eigenen Arsenale zu füllen. Es 
hätte sich auch durch Beschlagnahme der deutschen Schiffe 
in seinen Häfen den Grundstock einer großen Handels- 
flotte schaffen können, was den Engländern ein überaus 
peinlicher Gedanke war. Die Hilfe einer Macht, die 
kaum hunderttausend Soldaten unterhält, sonst auf 
Freiwillige angewiesen ist, war in diesem Kriege 
nicht hoch einzuschätzen, besonders da der letzte Bürger- 
krieg in Amerika gezeigt hatte, daß die Freiwilligen 
zum größten Teil aus Deutschen und Iren bestanden, 
Der Präsident der italienischen Abgeordneten- 
kammer, Marcora, der Dichter Gabriele 
d'Annunzio (x) und der Bürgermeister von 
Genua, General Massoni (in Zivil), begeben 
sich zum Felsen von Ouarto bei Genua zu 
der am 5. Mai stattfindenden Enthüllungs¬ 
feier des dein Gedächtnis der Garibaldiner 
gewidmeten „Denkmals der Tausend", die 
als Massendemonstration für den Krieg in 
Szene gesetzt wurde. 
die sich sicherlich jetzt nicht hätten anwerben lassen. 
Sollte trotzdem das Bestreben der englischen Regierung 
dahingegangen sein, Amerika zum Losschlagen gegen 
Deutschland zu bewegen, so blieb es erfolglos. Jni 
Westen der Union war das Volk entschieden gegen 
den Krieg. Im Osten mochte zwar die von England 
erkaufte Presse den Anschein erwecken, als wollten 
wirklich die Iankees mit über Deutschland herfallen, 
aber das alles war nur „Bluff". An den deutschen 
Schiffen war nicht der zehnte Teil von dem zu ver- 
dienen, was an Munitionslieferungen zu verdienen 
war, und somit war dem Volke und 
der Regierung der Vereinigten 
Staaten ihr Weg klar vor- 
gezeichnet. Das Geschäft 
über alles! I'be du- 
siness kor ever! 
Auch auf dem 
kau halte der 
Dreiverband mit 
seinem Werben 
kein Glück, ob- 
wohl er hier 
alle Minen 
springen ließ, 
Lockungen, Be- 
stechungen und 
Drohungen ab- 
wechselnd oder gleich- 
zeitig anwandte. 
Griechenland hatte sich, 
dank der Weisheit seines 
Königs, nicht in das Aben- 
teuer von Gallipoli verstricken 
lassen; der dreiverbandfreundliche 
Minister Venizelos war durch Gu- 
naris ersetzt, der keine Lust zeigte, 
den Engländern die Kastanien aus 
dem Feuer zu holen und sich dabei 
die Finger zu verbrennen. In 
Bulgarien bestand eine große rus- 
senfreundliche Partei, aber sie hatte 
nicht die Macht. In dem Volke und 
in der Regierung lebte noch zu frisch die Erinnerung an 
den Verrat, den Rußland im letzten Balkankriege an Bul- 
garien begangen hatte, und Serbien war allzu verhaßt, 
als daß man sich in Sofia hätte entschließen können, 
ihm direkt oder indirekt Hilfe zu leisten. Rumänien, 
das im Jahre 1878 von Rußland um Beßarabien 
betrogen worden war, stand noch immer mißtrauisch 
bei Seite. Manchmal schien es, als ob der russische 
Rubel und der englische Souvereign siegen würden, 
durch die mehrere hervorragende Politiker und Volks- 
männer, sowie ein Teil der Presse bestochen worden 
waren, aber die Regierung und das Volk ließen sich 
doch zu der ungeheueren Torheit eines Anschlusses 
an Rußland nicht fortreißen. Die Anerbietungen, 
die Rußland machte, waren den rumänischen Staats- 
leitern nicht groß genug, auch hatten sie ernste Zweifel 
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