Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Kampfe siegreich zurück. Bei Zamosc und Komarow, 
bei Tameszow und bei Tyszowcze waren die Öster- 
reicher siegreich und machten Tausende von Gefangenen. 
Am 28. August meldeten die österreichischen Zei- 
hingen: 
„Seit vorgestern ist eine Millionenschlacht zwischen Öster- 
reichern und Russen im Gange. Die Front der Armeen be- 
trägt 400 Kilometer von der Weichsel bis an den Dnyestr. 
Die westliche russische Gruppe ist bei Krasuik bereits geschlagen. 
Ebenso hatten die Österreicher gegen den rechten Flügel 
der russischen Zentralgruppe bereits namhafte Erfolge bei 
Rawaruska und Zolkiew. Im übrigen tobt der Kampf fort 
in dem Räume um Tarnopol." 
Am 1. September war nach siebentägigem Ringen 
der Sieg Auffenbergs entschieden. Er erbeutete 
200 Geschütze, und die Russen gingen über den Bug 
zurück. Auch Dankls Armee war in beständigem 
Vorrücken. Der rechte Flügel der großen russischen 
Armee war geschlagen. 
Anders lagen die Dinge nördlich und östlich von 
Lemberg. Auch hier wurde seit dem 26. August gekämpft. 
Die Österreicher und Ungarn standen in diesen Gegen- 
den dem russischen Zentrum und dem linken Flügel der 
Russen gegenüber, der ihnen vom ersten Tage an 
weit überlegen war an Zahl der Truppen und Ge- 
schütze und ihnen durch unausgesetzten Nachschub 
frischer Regimenter mit jedem Tage überlegener wurde. 
Trotz verschiedener Teilerfolge und trotz der Helden- 
mütigsten Tapferkeit mußten dem russischen über- 
starken Zentrum gegenüber die österreichisch-ungarischen 
Truppen am 6. September hinter Lemberg zurückgehen 
und die Hauptstadt Galiziens dem Feinde überlassen. 
Die einrückenden Russen benahmen sich hier zunächst 
ganz anders als in Ostpreußen. Unordnung und Uber- 
griffe kamen vor, aber von Mord und Brand und 
Plünderungen war keine Rede. Sie betrachteten 
offenbar Galizien schon als eine russische Provinz, 
die sie schonen wollten. 
Die Österreicher und Ungarn indessen dachten keines- 
wegs daran, ihnen das Land zu überlassen und sich über 
die Karpathen zurückzuziehen. Sie waren aus strategi- 
schen Gründen zurückgegangen, aber entmutigt waren 
sie ganz und gar nicht. Das bewiesen sie dadurch, daß 
sie am 9. September wieder zum Angriffe übergingen. 
Freilich konnten sie auch diesmal den Sieg nicht 
davontragen. Fünf Tage lang tobte die Riesenschlacht 
um Lemberg, dann mußte der österreichisch-ungarische 
Oberbefehlshaber den Befehl zum Rückzüge geben. 
Mit 10000 Gefangenen und zahlreichen erbeuteten Ge- 
schützen ging das österr.-ungar. Heer in voller Ord- 
nung rückwärts, unverfolgt von den Russen, die total 
erschöpft waren und ungeheure Verluste erlitten hatten. 
Auch die siegreichen Armeen Auffenbergs und Dankls 
wurden zurückgenommen, und die ganze österreichisch- 
ungarische Streitmacht bezog nun eine feste Stel- 
lung, wo sie der ungeheueren Übermacht der Feinde 
standhalten konnte. Die Russen wagten keinen 
Angriff, sondern blieben ihnen gegenüber bei Lem- 
berg stehen, indem sie immer neue Verstärkungen an 
sich zogen. 
Das fast dreiwöchentliche, furchtbare Ringen des 
österreichisch-ungarischen Heeres war also schließlich nicht 
mit Sieg gekrönt worden, obwohl der eine russische 
Flügel von Dankl und Auffenberg vollständig ge¬ 
schlagen war. Trotzdem bedeutete es einen großen 
Erfolg sowohl in moralischer wie in militärischer Hin- 
ficht. Warum hatten die Österreicher weichen müssen? 
Weil die Russen fast zehn Armeekorps mehr als sie 
auf den Plan stellen konnten. Aus keinem anderen 
Grunde. Hätte Österreich-Ungarn seine ganze Macht 
hier entfalten können, so wäre es ohne Frage sieg- 
reich gewesen. Aber einige Armeekorps mußten gegen 
Serbien im Felde stehen, eins gegen Montenegro, 
und nicht weniger als vier deckten die Grenze gegen 
den lieben Bundesgenossen im Süden. So hatte 
das tapfere Heer schließlich vor der erdrückenden Uber- 
macht zurückgehen müssen, das Gefühl der Uberlegen- 
heit aber war ihm nicht abhanden gekommen, das 
nahm jeder bis zum geringsten Troßknechte herab 
vom Schlachtfelde mit. Der russische Soldat war 
kein verächtlicher Gegner, er stand, wo er stand und 
ging erst nach den schwersten Verlusten zurück, aber 
zum kühnen Angriffe war er kaum zu bewegen. 
Jeder Schneid, jede Initiative, jede Beweglichkeit 
fehlte ihm. Gerade diese soldatischen Vorzüge zeigte 
der österreichisch-ungarische Krieger in hervorragender 
Weise, er mochte Magyar, Deutscher oder Slave sein. 
Auch war die Armee unvergleichlich besser diszipliniert 
und hatte endlich und vor allen Dingen der russischen 
Stumpfheit eine unverwüstliche Begeisterung entgegen- 
zusetzen. Sie wurde nicht wenig gefördert durch die 
mannhafte und tüchtige Haltung der Führung. Voller 
Stolz blickten alle Krieger der verschiedenen Volks- 
stämme auf die Söhne ihres Kaiserhauses hin, die 
mit ihnen in der Front gestanden hatten und den 
Kugeln nicht aus dem Wege gegangen waren. Und 
das Vertrauen auf den Leiter des Generalstabs, den 
tapferen, klugen und energischen Freiherrn Konrad 
von Hötzendorf, lebte in der ganzen Armee nach dem 
Rückzüge in genau derselben Stärke wie am Tage 
der Mobilmachung. 
Dabei wußte selbst der jüngste Leutnant, daß man 
trotz des Rückzuges den wichtigsten militärischen Er- 
folg errungen hatte. Nicht das russische Hauptheer 
zu zerschmettern war die Aufgabe der österreichisch- 
ungarischen Armee gewesen, sondern es aufzuhalten, 
zum Stehen zu bringen. Das war vollkommen ge- 
lungen. Die Russen konnten nicht vorwärts, denn 
dann hätten sie ihre Feinde in einer schwer einnehm- 
baren Stellung angreifen müssen. Sie konnten aber 
auch nicht abziehen und einen Vorstoß nach Schlesien 
hinein unternehmen, denn dann hätten sie die unge- 
brochene Hauptmacht der Österreicher in der Flanke 
und im Rücken gehabt. Sie wurden also in ihrer 
Stellung festgehalten, und der Plan, dem französischen 
Bundesgenossen durch den Marsch auf Berlin Luft zu 
verschaffen, war gänzlich gescheitert. Somit hatte die 
österreichisch-ungarische Armee die ihr zugefallene sehr 
schwierige Aufgabe glänzend gelöst. Sie hatte ihren 
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