Defensive gedrängt worden sei. Das waren gewaltige
Erfolge, die freilich nur errungen werden konnten
durch eine ungeheure Anspannung aller Kräfte, durch
unerhörte Marschleistungen der Truppen, durch furcht-
bare Opfer an Blut. Aber die deutsche Heeres-
leitung wußte, weshalb sie alles daransetzte, schnelle,
durchschlagende Erfolge zu erzielen. Es sollte den
neutralen Staaten gezeigt werden, welch ein gewagtes
Spiel für sie ein Krieg mit Deutichland wäre. Sie
alle, Italien und Spanien, die skandinavischen Mächte
und die Balkanstaaten, hatten ja allerdings erklärt,
daß sie dem Kriege fernbleiben wollten, aber unab-
lässig hetzte sie England zum Eingreifen an. Vor
allen Italiens Haltung war sehr unsicher und erweckte
überall in Deutschland und Osterreich das größte Er-
staunen und Befremden. Schlichte, einfache Gemüter
hatten geglaubt, der Dreibund verpflichte Italien zur
Waffenhilfe für seine Verbündeten. Jetzt mit einem
Male hieß es, er verpflichte nur zur Neutralität.
Aber selbst die schien auf sehr schwachen Füßen zu
stehen trotz aller Beteuerungen. Ein Teil der Nation
toar entschieden franzosenfreundlich gesinnt, wollte die
lateinische Schwesternation tatkräftig unterstützen und
bei der Gelegenheit die italienisch redenden Provinzen
Österreichs für Italien wiedergewinnen. Dagegen er-
hoben sich Stimmen in der Presse des Landes, die er-
klärten, Italien sei der Verachtung wert, wenn es seine
Bündnispflichten nicht erfülle. Wohin die Regierung
schließlich neigen werde, schien eine Zeitlang ganz unbe-
stimmt zu sein. Sie erklärte energisch und wiederholt, sie
wolle am Dreibunde festhalten, aber sie zog Truppen
von der französischen Grenze zurück, während sie an
der österreichischen Grenze starke Massen anhäufte.
Sie befand sich übrigens wirklich in einer schwierigen
Lage ihrem zwiespältigen Volke gegenüber und unter
dem Drucke beständigen Werbens und Drängens der
Engländer. Denn im Mittelmeere lag die ganze
französische Seemacht und eine große britische Flotte.
In den Tagen, als der italienische Botschafter in
Berlin und der frühere Reichskanzler Fürst Bülow
nach Rom eilen mußten, um den englischen Intrigen
entgegenzuarbeiten, stand es sicherlich nicht geheuer
mit der Neutralität. Sie wurde schließlich aufrecht
erhalten, aber wieviel die raschen und großen Erfolge
der deutschen Waffen dazu beigetragen haben, dürfte
jedem Einsichtigen klar sein.
Ganz ähnlich stand es mit Rumänien. Der alte
König Earol, der Zeit seines Lebens ein glänzender
Staatsmann gewesen war, neigte zu Deutschland und
Osterreich hin, fand aber eine starke Gegenströmung
in seinem Lande. Ein weniger rascher Sieg Deutsch-
lands oder gar eine Niederlage unserer Waffen hätte
auch hier verhängnisvoll werden können.
Wirkliche Sympathien fanden Deutschland und
Osterreich nur an vier Stellen: Bei den Deutschen
und Iren in Nordamerika, in der deutschen Schweiz,
bei den skandinavischen Völkern und bei den Türken.
In den Deutsch-Amerikanern loderte die Liebe zum
alten Vaterland jetzt mächtig empor. Sie wären zu
Tausenden herübergekommen, um in das deutsche
Heer einzutreten, wenn nicht das Meer von den Eng-
ländern beherrscht gewesen wäre, die jeden Dampfer
beschlagnahmten, aus dem sich Auswanderer nach
Deutschland befanden. Die Iren jenseits des Ozeans
kittete der Todhaß gegen England mit den Deutschen
zusammen. In Skandinavien und in der deutschen
Schweiz regte sich das verwandte Blut; auch kannte
man dort Deutschland und die Deutschen viel zu gut,
als daß man den britischen Lügen Glauben schenken
mochte. In Schweden kam dazu die Furcht vor Ruß-
land, denn jeder schwedische Bauer weiß, daß das
Zarenreich den Göteborger Hafen seit langem sehn-
lichst zu besitzen wünscht. Ebenso weiß jeder Türke,
daß die Durchfahrt durch die Dardanellen und der
Besitz Konstantinopels ein russischer Traum ist, der seit
den Tagen der großen Katharina bis jetzt alle Zaren
beherrscht hat. Das war der Grund dafür, daß man
den Deutschen im Lande des Halbmondes von ganzem
Herzen den Sieg wünschte, und daß sogar in den os-
manischen Moscheen für unsere Waffen gebetet wurde.
Japans Ultimatum. — Der Krieg mit England zur See und über See.
HsV^ährend in Europa nach der Kriegserklärung des
^^Königs der schwarzen Berge kein weiterer Feind
gegen uns auf den Plan trat, erstand uns plötzlich in
Asien ein Gegner, an den kaum jemand gedacht hatte.
Jedermann hatte gewähnt, Japan werde diese gute Ge-
legenheit benutzen, seinen alten Rivalen Rußland zu
bedrängen, der ihm vom letzten Kriege her noch viel
Geld schuldig war. So stand es auch kurz nach der
Mobilmachung in allen Zeitungen zu lesen, und das
Volk von Berlin umjubelte schon den japanischen
Botschafter, wo er sich zeigte. Da übermittelte am
19. August der japanische Geschäftsträger in Berlin
dem Auswärtigen Amt im Austrage seiner Regierung
eine Note, worin unter Berufung auf das englisch-
japanische Bündnis gefordert wurde, Deutschland solle
seine Kriegsschiffe aus den ostasiatischen Gewässern so-
fort zurückziehen oder diese Schiffe abrüsten, und es
solle das gesamte Pachtgebiet von Kiautschau bis zum
15. September bedingungslos an Japan abtreten.
Diese Forderungen seien bis zum 23. des Monats
unbedingt anzunehmen.
Die Stimmung, mit der das deutsche Volk dieses
Ultimatum aufnahm, ist schwer zu beschreiben. Es
war noch nicht lange her, daß die japanische Regie-
rung es öffentlich ausgesprochen hatte, wie viel Dank
ihr Volk den Deutschen schuldig sei für Belehrung
und Förderung aus allen Lebensgebieten, vor allem
dem des Militärwesens. Deutsche Offiziere hatten
die Japaner in der Kriegskunst unterrichtet und zu
Hunderten waren die Söhne der gelben schlitzäugigen
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