Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

zusammen. Aber erst am 17. August war ganz Lüttich, 
Festung und Stadt, fest in unserer Hand. 
Hier traten zum erstenmale die neuen Kruppschen 
42 cm-Kanonen in Tätigkeit, von deren Vorhanden- 
sein die Welt überhaupt keine Ahnung hatte, und die 
nun alles weit in den Schatten stellten, was bisher aus 
dem Gebiete des Eeschützwesens dagewesen war. Ein 
einziger Schuß riß Löcher von der Größe eines mitt- 
leren Wohnhauses in die Erd- und Betonumwallung, 
so daß die Verteidiger kompagnieweise unter den auf- 
gewühlten Schutzmassen begraben wurden. Die Pan- 
zertürme wurden aus ihrer Lagerung geschleudert und 
lagen herum 
wie zersprun- 
gene Riesen- 
kessel. Voll 
frohen Stau- 
nens fragte 
man sich in 
Deutschland, 
ob wohl die 
Forts von 
Paris fester 
gebaut sein 
möchten als 
die von Lüt- 
tich. 
Noch eine 
andereWaffe, 
die außer uns 
niemand be- 
sitzt, feierte 
hier ihre er- 
sten Kriegs- 
triumphe: 
die Zeppelin¬ 
kreuzer. Wie 
das Haus 
Krupp seit 
Jahren von einer Meute von Neidern und Hassern um- 
kläfft wurde, so hatten kluge Narren, an denen Deutsch- 
land ja keinen Mangel leidet, den greisen Grafen und 
sein starres Luftschiffsystem immer wieder angegriffen 
und verspottet. Nun erbrachte er den unwiderleglichen 
Beweis dafür, was seine Schiffe der Nation wert sind. 
Ein Zeppelinkreuzer über einer belagerten Stadt verbrei- 
tet nicht nur Furcht und Schrecken, wirkt also nicht nur 
moralisch auf die Eingeschlossenen, sondern er vermag 
auch durch Bombenwürfe von oben, wie es über Lüt- 
tich geschah, sehr bedeutende Verheerungen anzurichten. 
Schon jetzt war zu sehen, daß Krupp und Zeppelin 
uns ganze Armeekorps ersetzten, und wenn von einem 
früheren Kriege gesagt wurde, der deutsche Schul- 
meister habe ihn gewonnen, so wird man vielleicht 
einmal von diesem Kriege sagen, daß er ohne die 
deutschen Ingenieure und Techniker nicht hätte ge- 
wonnen werden können. 
Uberall wo die Kunde von der Erstürmung Lüttichs 
bekannt wurde, machte sie den tiefsten Eindruck. Sie 
Offiziersgräber in Lagarde. 
Nach einer Originalzeichnung für die „Illustrirte Zeitung" von Professor Hans von Hayek. 
wurde aber nicht überall bekannt. Die mit Deutschland 
Krieg führenden Kabinette verschwiegen sie ihren eige- 
nen Völkern, und ihre Zeitungen durften nichts dar- 
über bringen. Ja, die Regierungen belogen sich sogar 
untereinander, denn als die Stadt schon längst in 
deutschen Händen war, schickte der Zar an die Bürger- 
schaft einen Glückwunsch, daß sie dem deutschen An- 
griffe so tapfer widerstanden habe, und das Haupt der 
Französischen Republik verlieh ihr aus demselben 
Grunde das Kreuz der Ehrenlegion. Auch die neu- 
tralen Länder wurden schamlos belogen, und leider 
waren sie ja auf die englischen Kabel und die großen 
Nachrichten- 
büros, Reuter 
unddieAgen- 
ce Havas, die 
in den Hän- 
den unserer 
Feinde sind, 
angewiesen. 
Das Lügen 
wurde ganz 
systematisch 
betrieben. Es 
war ein groß 
angelegter 
Völkerbetrug, 
der den Zweck 
verfolgte, die 
deutsche und 
österreichische 
Macht als 
minderwertig 
und morsch, 
die Sitten der 
beiden Völker 
als roh und 
barbarisch 
hinzustellen. 
In Österreich, hieß es, geht alles drunter und drüber. 
Ein Volk steht wider das andere auf. Die Truppen 
halten nirgends stand. Wien wird demnächst von den 
Russen belagert. In Deutschland ist die Revolution 
ausgebrochen. Der Kaiser hat die sozialdemokrati- 
schen Abgeordneten erschießen lassen, weil sie gegen 
den Krieg waren. Der Süden des Reiches ist gleich- 
falls gegen den Krieg. Bayern hat sich überhaupt ge- 
weigert, zu mobilisieren und dergleichen Unsinn mehr. 
Dadurch sollten die fremden Völker womöglich be- 
wogen werden, über die ohnehin Verlorenen mit her- 
zufallen. Auch suchte man uns die Sympathien aller 
Kulturnationen dadurch zu entziehen, daß man ver- 
breitete, die Deutschen führten den Krieg in barbarischer 
Weise, hausten im Feindesland wie die Hunnen, 
ließen alle Ortschaften in Flammen aufgehen, er- 
schössen nicht nur die Männer, sondern auch die 
Weiber und Kinder. 
Daran war allerdings etwas Wahres. In Belgien 
wurden in der Tat viele Ortschaften verbrannt, viele 
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