zusammen. Aber erst am 17. August war ganz Lüttich,
Festung und Stadt, fest in unserer Hand.
Hier traten zum erstenmale die neuen Kruppschen
42 cm-Kanonen in Tätigkeit, von deren Vorhanden-
sein die Welt überhaupt keine Ahnung hatte, und die
nun alles weit in den Schatten stellten, was bisher aus
dem Gebiete des Eeschützwesens dagewesen war. Ein
einziger Schuß riß Löcher von der Größe eines mitt-
leren Wohnhauses in die Erd- und Betonumwallung,
so daß die Verteidiger kompagnieweise unter den auf-
gewühlten Schutzmassen begraben wurden. Die Pan-
zertürme wurden aus ihrer Lagerung geschleudert und
lagen herum
wie zersprun-
gene Riesen-
kessel. Voll
frohen Stau-
nens fragte
man sich in
Deutschland,
ob wohl die
Forts von
Paris fester
gebaut sein
möchten als
die von Lüt-
tich.
Noch eine
andereWaffe,
die außer uns
niemand be-
sitzt, feierte
hier ihre er-
sten Kriegs-
triumphe:
die Zeppelin¬
kreuzer. Wie
das Haus
Krupp seit
Jahren von einer Meute von Neidern und Hassern um-
kläfft wurde, so hatten kluge Narren, an denen Deutsch-
land ja keinen Mangel leidet, den greisen Grafen und
sein starres Luftschiffsystem immer wieder angegriffen
und verspottet. Nun erbrachte er den unwiderleglichen
Beweis dafür, was seine Schiffe der Nation wert sind.
Ein Zeppelinkreuzer über einer belagerten Stadt verbrei-
tet nicht nur Furcht und Schrecken, wirkt also nicht nur
moralisch auf die Eingeschlossenen, sondern er vermag
auch durch Bombenwürfe von oben, wie es über Lüt-
tich geschah, sehr bedeutende Verheerungen anzurichten.
Schon jetzt war zu sehen, daß Krupp und Zeppelin
uns ganze Armeekorps ersetzten, und wenn von einem
früheren Kriege gesagt wurde, der deutsche Schul-
meister habe ihn gewonnen, so wird man vielleicht
einmal von diesem Kriege sagen, daß er ohne die
deutschen Ingenieure und Techniker nicht hätte ge-
wonnen werden können.
Uberall wo die Kunde von der Erstürmung Lüttichs
bekannt wurde, machte sie den tiefsten Eindruck. Sie
Offiziersgräber in Lagarde.
Nach einer Originalzeichnung für die „Illustrirte Zeitung" von Professor Hans von Hayek.
wurde aber nicht überall bekannt. Die mit Deutschland
Krieg führenden Kabinette verschwiegen sie ihren eige-
nen Völkern, und ihre Zeitungen durften nichts dar-
über bringen. Ja, die Regierungen belogen sich sogar
untereinander, denn als die Stadt schon längst in
deutschen Händen war, schickte der Zar an die Bürger-
schaft einen Glückwunsch, daß sie dem deutschen An-
griffe so tapfer widerstanden habe, und das Haupt der
Französischen Republik verlieh ihr aus demselben
Grunde das Kreuz der Ehrenlegion. Auch die neu-
tralen Länder wurden schamlos belogen, und leider
waren sie ja auf die englischen Kabel und die großen
Nachrichten-
büros, Reuter
unddieAgen-
ce Havas, die
in den Hän-
den unserer
Feinde sind,
angewiesen.
Das Lügen
wurde ganz
systematisch
betrieben. Es
war ein groß
angelegter
Völkerbetrug,
der den Zweck
verfolgte, die
deutsche und
österreichische
Macht als
minderwertig
und morsch,
die Sitten der
beiden Völker
als roh und
barbarisch
hinzustellen.
In Österreich, hieß es, geht alles drunter und drüber.
Ein Volk steht wider das andere auf. Die Truppen
halten nirgends stand. Wien wird demnächst von den
Russen belagert. In Deutschland ist die Revolution
ausgebrochen. Der Kaiser hat die sozialdemokrati-
schen Abgeordneten erschießen lassen, weil sie gegen
den Krieg waren. Der Süden des Reiches ist gleich-
falls gegen den Krieg. Bayern hat sich überhaupt ge-
weigert, zu mobilisieren und dergleichen Unsinn mehr.
Dadurch sollten die fremden Völker womöglich be-
wogen werden, über die ohnehin Verlorenen mit her-
zufallen. Auch suchte man uns die Sympathien aller
Kulturnationen dadurch zu entziehen, daß man ver-
breitete, die Deutschen führten den Krieg in barbarischer
Weise, hausten im Feindesland wie die Hunnen,
ließen alle Ortschaften in Flammen aufgehen, er-
schössen nicht nur die Männer, sondern auch die
Weiber und Kinder.
Daran war allerdings etwas Wahres. In Belgien
wurden in der Tat viele Ortschaften verbrannt, viele
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