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Endlich Telegramm des Kaiserlichen Botschafters
in London an den Reichskanzler vom 2. August:
Die Anregungen Sir Edward Grey's, die auf dem Wunsche
beruhten, die Möglichkeit dauernder Neutralität Englands zu
schaffen, sind ohne vorherige Fühlungnahme mit Frankreich
und ohne Kenntnis der Mobilmachung erfolgt und inzwischen
als völlig aussichtslos aufgegeben. (gez.) Lichnowsky-
Der Vorschlag Grey's war natürlich nur deshalb
gemacht worden, daß Frankreich Zeit zum Aufmarsch
seiner Truppen gewinnen sollte!
sie mit perfider Treulosigkeit vergolten. Das ist gemein,
aber psychologisch sehr verständlich. Der deutsche Kaiser
überragt nämlich alle diese Herrschaften an Geist und
Charakter um mehr denn Haupteslänge. Nichts aber ist
gewöhnlichen Köpfen fataler, als das Vorhandensein
eines überragenden Geistes in ihrer Sphäre. Sie pfle-
gen solche Erscheinungen mit ihrem besonderen Hasse
zu beehren. Diese Erfahrung hat der Kaiser an seinen
gekrönten Vettern machen müssen. Er erntete Neid und
Haß, wo erZutrauen und Freundschaft hatte säen wollen
Jubelnde Begrüßung einrückender Reservisten auf dem Potsdamer Platz in Verlin.
Nach einer Originalzeichnung für die Jllustrirte Zeitung von Felix Schrvormstädt.
Alle diese Depeschen, die russischen wie die eng-
lischen, sind geschichtliche Dokumente von außerordent-
licher Bedeutung. Vor allen Dingen lassen sie ein helles
Licht fallen auf die Geistesart und die Gesinnung der uns
feindlichen Souveräne und ihrer Berater. Verlogenheit,
Betrugsversuche überall! Ferner zeigen sie das voll-
kommene Fiasko der von uns seit mehr als zwanzig
Jahren geübten Versöhnungspolitik. Wie wenig war
es doch dem Kaiser gelungen, den Zaren und die
englischen Vettern für sich zu gewinnen! Sie haben
seine Liebenswürdigkeiten, die er ihnen immer wieder
erwies, hingenommen und erwidert, aber sie haben
So war er denn gezwungen, das Schwert zu
ziehen. Frankreich gab auf die deutsche Anfrage, ob
es neutral bleiben wolle, zuerst überhaupt keine Ant-
wort, sondern ließ die ihm gesetzte achtzehnstündige
Frist ruhig verstreichen. Auf wiederholtes Drängen
des Botschafters in Paris erklärte dann endlich der
Ministerpräsident, „Frankreich werde tun, was sein
Interesse gebiete".
Damit war entschieden, daß wir den Krieg nach
zwei Fronten führen mußten, und so befahl denn
am 1. August der Kaiser die Mobilmachung des
deutschen Heeres.
Die Mobilmachung in Deutschland und Österreich. Ausmarsch der Truppen.
Innerhalb von 40 Minuten hatte der Telegraph
«xJdie Kunde von der Mobilmachung in das ganze
Deutsche Reich hinausgetragen, und die Aufnahme,
die sie fand, war eines großen Volkes würdig.
Niemand verhehlte sich den furchtbaren Ernst der
Stunde; man empfand selbst im kleinsten Dorfe, daß
die Nation vor einer ungeheuren Entscheidung stand.
Kein Mensch träumte von leichten Siegen — etwa