schießung verlief auch in den nächsten Tagen erfolglos.
Unbedeutende Außenforts wurden beschädigt, eine
größere Anzahl von Türken verwundet, aber keine
einzige türkische Batterie zum Schweigen gebracht,
und von einer Einfahrt in die Meerenge war keine
Rede. Die Verbündeten sahen ein, daß ein Erfolg
nur möglich war, wenn die Türken zugleich von der
Landseite aus angegriffen würden. Dazu reichten
aber die Truppen bei weitem nicht aus, die ihnen
zur Verfügung standen, und deshalb lenkten sie ihre
Blicke auf Griechenland und suchten es für die Wen-
teuer eines Krieges gegen die Türkei zu gewinnen.
Der griechische Ministerpräsident Venizelos war bereit,
sich darauf einzulassen, und da er als erfolgreicher
Staatsmann im ganzen Lande großes Ansehen genoß,
so wäre Griechenland um ein Haar der englischen
Lockung gefolgt. Dadurch wären aber unabsehbare
Verwickelungen heraufbeschworen worden, Bulgarien
hätte sofort gleichfalls in den Krieg eingegriffen, und
dadurch wäre auch Rumänien gezwungen worden,
aus seiner Neutralität herauszutreten. Da rettete
Griechenland sein König Konstantinos, der als rühm-
gekrönter Sieger im letzten Balkankriege die Armee
und das Volk, wenigstens zum großen Teile, hinter
sich hatte, vor dem Unsinn einer Selbstvernichtung
um Englands willen. Er sah ein, daß es nimmer-
mehr für Griechenland von Vorteil sein konnte, wenn
entweder England oder Nußland am Goldenen Horn
gebot, wußte auch, was englische und russische Ver-
sprechungen bedeuten. Daher ließ er es auf den
Kampf mit dem volksbeliebten Venizelos ankommen,
und es zeigte sich, daß er der Stärkere war. Der
Ministerpräsident nahm seinen Abschied, zog sich
grollend ins Privatleben zurück, und es gelang dem
Könige unschwer, ein neues Ministerium zu bilden.
Die Presse des Dreiverbandes schäumte natürlich vor
Wut über diese Wendung der Dinge in Griechenland
und begeiferte die Königin, die Schwester des Deutschen
Kaisers, mit wilden Schmähreden, denn in ihr sah sie
die Urheberin der Entschlüsse des Königs. Aber alles
Schimpfen konnte nichts helfen. Der Griechenkönig
ließ sich aus seiner Ruhe nicht herausbringen, und
den klugen Koburger auf Bulgariens Thron konnten
die Diplomaten des Dreiverbandes ebensowenig
dazu bringen, ihnen mit seiner Kriegsmacht Vorschub
zu leisten. Damit war eigentlich der große Kamps
vor den Dardanellen entschieden. Mit dem bloßen
Granatfeuer von den Schiffen aus war nun einmal
den türkischen Batterien nicht beizukommen, auch nicht,
als ein englisches Großkampfschiff aus der Bucht von
Saros über die Berge der Landenge das Feuer auf
sie eröffnete und in den Kampf eingriff. Es wurde
dadurch kein Schaden angerichtet. Auch das half
nichts, daß plötzlich die russische Schwarze-Meer-Flotte
sich aus ihrer Ruhe aufraffte. Nachdem sie einige
Häfen mit nicht eben großem Erfolge beschossen und
ein paar harmlose Handelsschiffe in den Grund ge-
bohrt hatte, verschwand sie von neuem. Ein Lan-
dungsversuch auf der Halbinsel Gallipoli scheiterte
kläglich. Die Türken ließen erst einen Teil der Truppen
ruhig ausschiffen, stürzten sich dann auf sie und trieben
sie ins Meer, wobei sie Steine als Wurfgeschosse
benutzten.
Trotzdem standen die Verbündeten von ihrem Vor-
haben nicht ab. Nachdem einige Tage vor den Dar-
daneilen Ruhe geherrscht hatte, begann am Morgen
des 18. März die vereinigte Flotte der Verbündeten,
die inzwischen noch sehr bedeutend verstärkt worden
war, eine neue Beschießung mit aller Kraft. Die
Kriegsschiffe wurden so rücksichtslos in den Kampf
eingesetzt, daß man erkennen mußte, hier sollte auf
jeden Fall eine siegreiche Entscheidung herbeigeführt
werden. Aber nicht der geringste Erfolg wurde er-
zielt. Dagegen wurden drei, nach späterer, glaub-
würdiger Meldung, vier Großkampfschiffe von den
türkischen Batterien zum Sinken gebracht und eine
große Anzahl so beschädigt, daß sie schleunigst aus
dem Feuer herausgeschleppt werden mußten. Am 19,
war die Niederlage der Verbündeten entschieden. Sie
dampften ab und brachten ihre Schiffe und Mann-
schaften teils in Ägypten und Zypern, teils auf den
griechischen Inseln, wie Lemnos, in Sicherheit. Von
einer Achtung der griechischen Neutralität war dabei
nicht die Rede. Der größte Teil der Mannschaften
wurde einstweilen in Ägypten eingestellt, wodurch
Zugleich das dortige Verteidigungsheer gegen die
heranrückende Türkenmacht verstärkt wurde.
Der Ertrag dieser ersten großen Dardanellenschlacht
bestand für die Verbündeten in der Zerstörung einiger
ziemlich wertloser Außenforts und der Tötung und
Verwundung einiger hundert türkischer Soldaten.
Sonst hatten sie schlechthin nichts erreicht. Die Meer-
engen blieben gesperrt. Rußland war und blieb somit
von Europa abgeschlossen. Konstantinopel war un-
versehrt und die Türkei nicht, wie englische und fran-
zösische Blätter vorher ausposaunt hatten, aufs Haupt
geschlagen, sondern sie stand jetzt so ruhmvoll da wie
seit Jahrhunderten nicht. Das Ansehen Englands
im Orient hatte einen furchtbaren Schlag erlitten,
der bis nach Indien hinein nachzittern mußte, und,
was vorderhand schwer wog, die Hoffnung, durch
einen großen Sieg die Neutralen auf die Seite der
Dreiverbandsmächte hinüberzuziehen, war kläglich
gescheitert. Fieberhaft, mit allen Mitteln der Lüge
und der Bestechung hatten die Diplomaten der drei
verbündeten Großmächte während der beiden ersten
Märzwochen in den Hauptstädten der neutralen
Länder gearbeitet. In Athen, Bukarest, Sofia, ganz
besonders in Rom, hatten sie alle Hebel in Bewegung
gesetzt, die Regierungen und die Völker für sich zu
gewinnen und zum Losschlagen zu bewegeu. Sie
logen den Italienern tagelang vor, ihre ungeheuere
Flottenmacht sei eben im Begriffe, zu siegen, und
suchten sie mit allen Künsten der Beredsamkeit davon
zu überzeugen, daß jetzt der letzte Augenblick ge-
kommen sei, sich der unfehlbar siegreichen Sache an-
zuschließen. Ein großer Teil des italienischen Volkes
war sehr bereit, ihren Lockungen zu folgen. Viele
252