Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Abendstimmung bei Haidar Pascha. Im Hintergrund Konstantinopel. 
geheuern Staatsschulden übernehmen, sonst wäre es 
jetzt schon zum offenen Staatsbankrott gekommen. 
Sie gaben sehr widerwillig und nur gegen Ver- 
pfändung der staatlichen Weizenvorräte, die in Odessa 
und den anderen Hafenstädten des Schwarzen Meeres 
lagen und vorläufig wegen Sperrung der Dardanellen 
für sie nicht erreichbar waren. Oabei hatten sie große 
Mühe, ihre eigenen Finanzen auf der 
Höhe zu halten. Denn sie waren 
allesamt darauf angewiesen, 
den größten Teil ihres Be 
darfs an Munition und 
anderer zum Krieg- 
führen nötigen 
Dinge aus dem 
Auslande zu be- 
ziehen. Nur den 
kleinsten Teil 
davon konn- 
ten sie im 
Lande erzeu- 
gen. Natürlich 
nahmen ihnen 
ihre Lieseranten 
Wucherpreise da- 
für ab, und so ver- 
loren sie dadurch mo¬ 
natlich einige hundert 
Millionen Mark. In 
Deutschland blieb alles Geld 
im Lande, und litten einzelne 
Stände durch den Krieg — 
manche litten schwer darun- 
ter —, so verdienten andere 
das Zehnfache, was sie int 
Frieden verdient hatten, denn 
fast alles, was Deutschland zum 
Kriegführen bedurfte, wurde im Lande hervorgebracht. 
In Österreich-Ungarn war es nicht anders, und darum 
trugen die beiden Staaten die Lasten des Krieges leichter, 
als selbst die neutralen Länder Europas. Während in 
Skandinavien Teuerung und Arbeitslosigkeit herrschte 
Das Gebet beim feierlichen Abschied des Oberbefehlshabers 
der gegen den Suezkanal operierenden türkischen Truppen, 
Dschemal-Pascha (vorn in der Mitte), von Damaskus. 
Hinter ihm (mit dem Band des Eisernen Kreuzes in: 
Knopfloch) Oberst v. Frankenbei g, ihm zur Seite (den 
Handschuh in der Hand) Fakhriddine-Pascha, Gouverneur 
von Damaskus. 
und wenigstens die unbemittelten Klassen der Bevölke¬ 
rung darbten, während in Italien sogar Brotkrawalle 
ausbrachen, war in Deutschland, abgesehen von den 
Beschränkungen im Brotverbrauch, vom Kriege wenig 
zu merken. Die Speisekarte der Wirtshäuser zeigte 
noch dieselbe Fülle. Die Vergnügungslokale und 
Theater waren keineswegs leer. In Berlin war das 
Nachtleben zwar durch eine Polizeiver- 
ordnung, die dem Ernste der Zeit 
Rechnung trug, sehr einge- 
schränkt worden, sonst aber 
zeigte die Stadt fast 
dasselbe Gesicht wie 
im Frieden. Rei- 
sende Amerikaner 
konnten den Un- 
terschied zwi- 
schen Berlin 
und Wien 
einerseits und 
Paris undLon- 
don andrerseits 
gar nicht grell 
genug schildern. 
Die Hauptstädte 
Frankreichs und 
Englandswarennach 
Einbruch der Dunkel- 
heit fast in Finsternis ge- 
hüllt, denn nur die allernol- 
wendigsten Laternen durften 
brennen, weil man die deut- 
schen Zeppeline fürchtete. Ver- 
lin und Wien dagegen strahl- 
ten Abend für Abend bis in 
die Nacht hinein in hellstem 
Lichterglanze. In Großstädten 
wie Leipzig und Dresden merkte der Durchreisende nur 
an den vielen Feldgrauen und den zahlreichen Frauen 
in schwarzer Kleidung, daß sich Deutschland in seinem 
größten Kriege befand. Das Straßenbild war am Tage 
und am Abend unverändert dasselbe, das es im vorigen 
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