Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

die zur Fortführung ihrer Wirtschaften erforderlichen 
Mengen an Getreide und Futtermitteln belassen werden. 
Waren für den Kleinhandel Höchstpreise bestimmt, und 
weigerte sich der Besitzer, solche Gegenstände trotz Auf- 
forderung der Behörde zu verkaufen, so konnten sie 
über seinen Kopf hinweg verkauft werden. Noch ein- 
schneidender waren die gleichzeitigen Verordnungen 
des Bundesrates zur Streckung der vorhandenen 
Getreidevorräte. Uber den Verkehr mit Brot wurde 
bestimmt: 
Weizenbrot darf in den Verkehr nur gebracht werden, wenn 
zur Vereitung auch Roggenmehl verwendet ist. Der Gehalt 
an Noggenmehl muß mindestens 10 Gewichtsteile auf 90 Ge- 
wichtsteile Weizenmehl betragen. Roggenbrot darf in den 
Verkehr nur gebracht werden, wenn zur Vereitung auch Kar- 
toffeln verwandt sind. Der Kartoffelgehalt muß bei Verwen- 
dung von Kartoffelslocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffel- 
stärkemehl mindestens 5 Gewichtsteile auf 95 Gewichtsteile 
Noggenmehl betragen. Roggenbrot, zu dessen Bereitung mehr 
Gewichtsteile Kartoffeln verwendet sind, muß mit dem Buch- 
staben „K" bezeichnet werden. Beträgt der Kartoffelgehalt 
mehr als 20 Gewichtsteile, so muß dem Buchstaben „K" die 
Zahl der Gewichtsteile in arabischen Ziffern hinzugefügt 
werden. Werden gequetschte oder geriebene Kartoffeln ver- 
wandt, so entsprechen 4 Gewichtsteile einem Gewichtsteil Kar- 
toffelflocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffelstärkemehl. Bäcker 
und Brotverkäufer haben einen Abdruck dieser Verordnung 
in ihren Kaufräumen auszuhängen. Zuwiderhandlungen werden 
mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bedroht. Die Bestimmungen 
gelten nicht für Brot, das aus dem Auslande eingeführt wird. 
Die Verordnung über den Verkehr mit Brot tritt mit dem 
1. Dezember in Kraft. 
Die dritte Bekanntmachung bestimmt, daß das Verfüttern 
von mahlfähigem Roggen und Weizen, auch geschrotet, sowie 
von Roggen- und Weizenmehl, das zur Vrotbereitung ge- 
eignet ist, verboten ist. Nur soweit dringende wirtschaftliche 
Bedürfnisse vorliegen, können die Landeszentralbehörden das 
Verfüttern von Roggen, der in landwirtschaftlichen Betrieben 
des Viehhalters erzeugt ist, für das in diesem Betriebe ge- 
haltene Vieh allgemein, für bestimmte Gegenden und bestimmte 
Arten von Wirtschaften im Einzelfalle zulassen. 
Die Verordnung über das Ausmablen von Getreide end- 
lich bestimmt, daß zur Herstellung von Noggenmehl der Roggen 
mindestens bis 72 v. H. durchzumahlen ist. Zur Herstellung 
von Weizenmehl ist der Weizen mindestens bis zu 75 Proz. 
durchzumahlen. Zuwiderhandlungen werden ebenfalls mit 
Geldstrafe bis zu 1500 Mark bedroht. 
Diese Verordnungen wurden noch wesentlich ver- 
schärst durch die Bestimmungen über die Streckung 
der Vorräte vom 5.Januar 1915. Weizenmehl mußte 
darnach noch weit stärker mit Kartoffelmehl durch- 
setzt, Roggen und Weizen noch vielmehr durch- 
gemahlen werden. Mahlfähiger Roggen und Weizen 
durften überhaupt nicht mehr verfüttert werden. Die 
Zusätze von Kartoffeln an Brot wurden noch bedeutend 
erhöht. Die Kuchenbäckerei wurde auf einige Tage 
in der Woche beschränkt, die Abgabe frischen Brotes 
verboten, das Backen während der Nachtzeit unter- 
sagt. Durch eine Verfügung vom 26. Januar wurde 
dann noch verordnet, daß mit dem 1. Februar die 
Beschlagnahme aller Getreide- und Mehlvorräte stalt- 
finden solle. Im März erfolgte dann die rationsweise 
Zuerteilung von Brot an die Bevölkerung. Jede 
Person erhielt ihre Brotkarte und konnte nur unter 
Vorlegung dieser Karte bei den Bäckern eine gewisse 
Menge von Brot, vier Pfund auf den Kopf für die 
Woche, erhalten. 
In Osterreich und Ungarn traten mit der Zeit 
diese deutschen Verordnungen auch allesamt in Kraft, 
natürlich mit den Veränderungen, die durch die be- 
sonderen Verhältnisse der verschiedenen Landesteile 
bedingt waren. 
In Frankreich und England spotteten die Zeitungen 
über den deutschen Kartosfelbrot-Geist und machten 
ihre Witze über das K-Vrot. Aber es war den Spöttern 
nicht wohl dabei. Ihre glänzendste Hoffnung war 
durch die Umsicht und Tatkraft der deutschen Regierung 
zuschanden gemacht worden. Schon im Februar be- 
gannen einige englische Zeitungen einzugestehen, daß 
der Plan einer Aushungerung Deutschlands wohl 
schwerlich durchführbar sein werde. Und welche Volks- 
disziplin trat hier in Deutschland zutage! Welche 
Willigkeit, kleine und auch größere tägliche Ent- 
behrungen um des großen Ganzen willen auf sich 
zu nehmen! Widerwillig erkannten das sogar die 
Feinde an, wenigstens die Engländer, und ein eng- 
lischer Minister sprach es offen aus: Er wünsche 
seinem Volke etwas von dem Kartoffelbrot-Geiste, 
der das deutsche Volk beseele. 
Durch diesen Geist der Hingabe und Opferwilligkeit 
wollten nun auch viele in Deutschland und im Aus- 
lande den großen Erfolg erklären, den Deutschland 
im Februar und März aus finanziellem Gebiete der 
staunenden Welt zu zeigen hatte. Aber das hatte 
seinen Grund viel weniger in diesen Tugenden, als 
in der Siegeszuversicht, von der das ganze Volk 
durchdrungen war. Schon die gewaltige llberzeichnung 
der ersten deutschen Kriegsanleihe hatte verblüffend 
gewirkt, und dasselbe war der Fall gewesen bei den 
3306 Millionen Kronen, die Österreicher und Ungarn 
im Januar aufgebracht hatten. Finanzkraft wollte 
man ja in London und Paris der Donaumonarchie 
noch weniger zutrauen, als irgendeine andere Kraft. 
Alles Dagewesene aber wurde weit überboten durch 
die zweite deutsche Kriegsanleihe, die am 27. Februar 
zum Kurse von 98^ % aufgelegt, am 19. März 
geschlossen wurde. Fünf Milliarden Mark waren 
gefordert — neun Milliarden sechzig Millionen Mark 
wurden gezeichnet, und zwar wieder der größere 
Teil von kleineren Sparern, und dieses Geld wurde 
nicht gebracht als ein Opfer, sondern jeder hatte das 
Gefühl, ein glänzendes Geschäft zu machen. Jeder 
hielt dieses Geld für unbedingt fest und sicher an- 
gelegt, denn an eine Niederlage Deutschlands glaubte 
kein Mensch. Wie Deutschland siegen werde, das 
war ja noch nicht ganz entschieden, daß es aber 
siegen werde, schien jedermann gewiß. Warum also 
dieses mündelsichere Papier mit den hohen Zinsen 
nicht zeichnen? Die unüberwindliche, unerschütterliche 
Siegeszuversicht des deutschen Volkes ward durch 
diese Kriegsanleihe der Welt glänzend bewiesen. Und 
noch zwei Dinge wurden dadurch den andern Völkern 
offenbart: Sein ungeheurer Reichtum und seine trotz 
des Krieges günstige finanzielle Lage. Sie war in 
der Tat günstiger als die aller feindlichen Staaten. 
Rußland schwebte am Rande des Staatsbankrottes, 
seine lieben Verbündeten mußten ihm fort und fort 
schweres Geld borgen und die Verzinsung seiner un- 
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