Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

gangen halten, wurden, nur well sie militärpflichtig waren, 
erschossen. Ein Flüchtlingstransport wurde überfallen; die 
Männer wurden von den Frauen getrennt, und ohne irgend- 
welches Verfahren getötet. Ein Oberförster, der einen Trans- 
port deutscher Strafgefangener begleitete, wurde von rus- 
fischen Truppen gefangengenommen, vor den General 
Rennenkampf geführt und" — anscheinend auf dessen be¬ 
rüchtigten Befehl, alle deutschen Förster zu töten — kurzer¬ 
hand erschossen. 
Selbst vor Greisen, Frauen und Kindern machte die bru- 
tale Mordwut der russischen Soldaten nicht halt. Besonders 
schwer liegt der Fall der Ermordung eines kleinen Mädchens 
von zwei oder drei Jahren. 
Grauenhaft ist die Feststellung, wie eine ganze Familie 
der Mordlust russischer Soldaten zum Opfer gefallen ist: der 
Mann war am Tische, ein Kind an der Tür festgenagelt, der 
Frau waren die Brüste abgeschnitten und der Leib aufge- 
schlitzt. In einem anderen Falle waren Mann und Frau mit 
den Zungen an den Tisch genagelt, so daß sie durch Hunger 
und Blutverlust zugrunde gingen. 
Zahllos sind endlich die Fälle bestialischer Vergewalti- 
gungen von Mädchen und Frauen. Vielfach wurden die be- 
danernswerten Opfer von mehreren Soldaten nacheinander 
mißbraucht, teilweise auch mit Geschlechtskrankheiten von ihnen 
angesteckt, hochschwangere Frauen fielen den viehischen Lüst- 
lingen zum Opfer, selbst Greisinnen über 70 Jahre wurden 
nicht geschont. Ein kleines Mädchen von acht Jahren wurde 
von zwei russischen Soldaten hintereinander vergewaltigt. 
Auch Offiziere haben sich zu solchen Untaten hinreißen lassen. 
Über die Greueltaten, die von russischen Truppen an 
deutschen Kriegsgefangenen verübt worden sind, geben weitere 
Anlagen Aufschluß. In zahlreichen Fällen sind gefangene 
deutsche Soldaten ausgeraubt, angespien oder sonst grundlos 
mißhandelt worden. Ein russischer Offizier hat deutsche Sol- 
daten, welche die Ihrigen nicht verraten wollten, mit dem 
Tode bedroht und tatsächlich einen von ihnen erschießen lassen. 
Russische Truppen haben Gefangene in enge Erdlöcher vor 
ihrer Artilleriestellung eingesperrt, in der augenscheinlichen 
Absicht, sie durch das deutsche Feuer töten zu lassen. Kosaken 
haben gefangenen deutschen Soldaten im Vorbeireiten die 
Köpfe abgeschlagen und andere schwer verletzt oder durch Ab- 
schneiden von Gliedmaßen verstümmelt. Ein deutscher Ge- 
fangener wurde in grausamster Weise an ein Göpelwerk 
gebunden, um dort Hungers zu sterben. In einer Scheune 
wurden drei Husaren mit den Köpfen nach unten aufgehängt 
und mit abgeschnittenen Nasen und Ohren aufgefunden, so 
daß sie unter furchtbaren Qualen gestorben sein müssen. 
Auch vor barbarischer Verstümmelung und Hinmordung 
verwundeter deutscher Soldaten sind die russischen Horden 
nicht zurückgeschreckt. So haben sie Verwundeten die Ver- 
bände abgerissen, um sie verbluten zu lassen; anderen sind 
die Augen ausgestochen, die Zunge, die Ohren, die Finger 
und die Füße abgeschnitten und die Schädel eingeschlagen 
worden. 
In verschiedenen Fällen haben die Greueltaten sogar den 
Charakter teuflischer Marterungen angenommen. Es waren 
einem Leichtverwundeten, der mit einem Seitengewehr durch 
den Mund hindurch auf den Holzboden einer Veranda fest- 
genagelt war, die Fleischteile an den Unterarmen vom Ell- 
bogen bis zur Handwurzel abgeschält, auch die Finger bis 
zur Handwurzel auseinandergeschnitten worden. Ein anderer, 
der eine Schädelverletzuug erlitten hatte, war mit einem Kalb 
in einem Stalle derartig zusammengebunden, daß das Tier 
bei jeder Bewegung mit dem Maul das bloßgelegte Gehirn 
berühren mußte. 
Das Ungeheuerlichste aber ist ein bei einem höheren rus¬ 
sischen Offizier vorgefundener Befehl der Obersten russischen 
Heeresleitung, beim Angriff alle männlichen Einwohner in 
arbeitsfähigen! Alter von zehn Jahren ab vor den Sturm- 
kolonnen herzutreiben; dieser scheußliche Befehl, durch den 
der russische Oberbefehlshaber seinen Namen für alle Zeiten 
an den Pranger gestellt hat. war offenbar in der Absicht ge- 
geben, daß die deutschen Soldaten, um den russischen Angriff 
zu begegnen, ihre eigenen Angehörigen niederschießen sollten. 
Die kaiserlich deutsche Negierung glaubte, dieses barba- 
rische, jedem Kriegsgebrauch wie jeder Menschlichkeit höhn- 
sprechende Verhalten der russischen Truppen vor aller Welt 
brandmarken zu sollen, und legt hiermit gegen deren un- 
erhörte Greueltaten, als gegen eine Schande des zwan- 
zigsten Jahrhunderts, auf das schärfste und feierlichste Ver- 
Währung ein. 
Es gab in Deutschland noch immer Leute, die 
entweder mit der feierlichen Miene des llbergerechten 
oder mit der salbungsvollen Miene des llberfrommen 
Warnungen über Warnungen auszustoßen pflegten, 
das alles zu glauben, rvas über die Greueltaten der 
Feinde Deutschlands verbreitet rverde. Das meiste 
davon sei übertrieben, meinten sie, in aufgeregten 
Zeiten werde ja so vieles übertrieben, entstellt oder 
geradezu erfunden. Das alles könne nur dazu dienen, 
die Seele des deutschen Volkes zu vergiften und die 
Wiederanknüpfung freundschaftlicher Beziehungen 
zwischen den Völkern nach dem Friedensschlüsse zu 
gefährden oder gar unmöglich zu machen. Diese 
Leute zogen jetzt sehr verlegene Gesichter und schwiegen 
eine Zeitlang mäuschenstill. Denn eine amtliche Dar- 
stellung der deutschen Regierung ließ sich beim besten 
Willen nicht als böswillige oder leichtsinnige Uber- 
treibung bezeichnen, und was da ans Tageslicht 
gekommen war, das war so grauenhaft, daß die 
wildeste Phantasie es kaum hätte erfinden können. 
Die Scheußlichkeiten des dreißigjährigen Krieges waren 
durch die Russengreuel noch überboten, ein Schrei 
des Entsetzens hallte durch Deutschland. Bezeichnender- 
weise aber wendete sich der Zorn des Volkes weniger 
gegen Rußland, als gegen England. Die Russen 
waren Vieh, und ihre Führer hatten kein Gewissen, 
das wußte man in Deutschland und hatte nie etwas 
anderes als Viehisches von ihnen erwartet. Niemals 
aber hätte ein Zar es wagen dürfen, seine Mord- 
banden auf das gesittete Europa loszulassen, wenn 
nicht England der großen Verschwörung gegen das 
Deutschtum beigetreten wäre. Das gottselige, äugen- 
verdrehende Heuchlervolk jenseits des Kanals, das 
aus der blutigen Verwüstung Mitteleuropas ein großes 
Handelsgeschäft zu erzielen hoffte, das hatte auch 
diese Greuel auf dem Gewissen, und neben Tönen 
des Schreckens und des Jammers, die in allen deutschen 
und österreichisch-ungarischen Blättern erklangen, er- 
scholl lauter als zuvor der Ruf: „Gott strafe England!" 
Wirkung des Krieges auf das wirtschaftliche Leben der Völker bis Frühlingsanfang 1915. 
versteht sich von selbst und braucht nicht erst 
V.-'gesagt zu werden, daß der Weltkrieg allen Völkern 
der Erde, nicht nur den kriegführenden, auch den 
neutralen, vielfache und teilweise sehr schwere Schä- 
digungen ihres wirtschaftlichen Lebens brachte. Das 
hätte unter keinen Umständen anders sein können, 
denn kein Kulturvolk bringt alles, was es zum Leben 
bedarf, im eigenen Lande hervor. Viele Waren, die 
ihm nötig sind, muß es aus anderen Ländern beziehen 
und die Waren oder Güter, die es im Überfluß her- 
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