sie sich hinweggewälzt hatten, waren nun völlig zur
Wüste geworden.
In welcher Weise die Russen in Ostpreußen ge-
haust hatten, erfuhr das deutsche Volk zunächst nur
aus einzelnen Zeitungsnotizen, die allerdings schon
ahnen ließen, welche Greuel dort geschehen sein moch-
ten, die aber doch kein klares Bild,der Lage gaben.
Ein solches gab erst eine Denkschrift der deutschen
Regierung, die
mit Belegen
der Kaiserlich
Osterreichischen
und Königlich
Ungarischen
Regierung für
ein Weißbuch
zur Verfügung
gestellt war.
Sie wurde am
8. April ver-
öffentlicht und
nahm zwar
schon Bezug auf
einen späteren
Einfall russi-
scher Banden
in Memel, von
dem später die
Rede sein soll,
legte aber doch
den Haupt-
schwerpunkt ih-
rer Darstellung
aus die beiden
ersten Russen-
einfülle in Ost-
preußen. Sie
lautete:
Die russischen
Truppen haben
im gegenwärtigen
Kriege Greuel-
taten begangen,
die mit den Ge-
boten der Mensch-
lichkeit wie mit
den Gebräuchen
zivilisierter Völ-
ker unvereinbar
sind und ihre
Kriegführung als eine geradezu barbarische erscheinen lassen.
Diese Greueltaten richteten sich sowohl gegen die friedliche
Bevölkerung der von ihnen besetzten deutschen Gebietsteile,
als auch gegen deutsche Soldaten, die in ehrlichem Kampfe
ihnen gegenüberstanden und das Unglück hatten, in ihre Ge-
fangenschaft zu geraten.
Nach dem anliegenden Material handelt es sich nicht etwa
um einzelne Roheiten und Gewalttätigkeiten, sondern es sind
an so vielen Stellen und bei so vielen Truppenteilen Greuel-
taten selbst bestialischer Art vorgekommen, daß jedenfalls ein
sehr großer Teil der russischen Armee von dem Geiste un-
menschlicher Grausamkeit durchsetzt erscheint. Aus der großen
Zahl der bereits bekanntgewordenen Fälle werden in den An-
lagen diejenigen aufgeführt, die durch amtliche, insbesondere
eidliche Vernehmungen oder dienstliche Meldungen einwand-
frei festgestellt worden sind. Diese Fälle können indes nur
Hinter der Front auf dem östlichen
Auf Grund einer photographischen Aufnahme für die
als eine Auslese der tatsächlich vorgekommenen ungezählten
Greueltaten angesehen werden.
Es ist aller Welt bekannt, daß infolge der barbarischen
Kriegführung der Russen vorher blühende Teile Ostpreußens
jetzt ein Bild trostloser Verwüstung bieten, daß ganze Ort-
schaften niedergebrannt und verödet sind, daß die friedlichen
Bewohner, um sich vor Raub und Mord zu retten, flüchten
und Hab und Gut im Stich lassen mußten. Nach amtlichen
Feststellungen sind bei dem ersten wie bei dem zweiten Ein-
fall der Russen in Ostpreußen Tausende von Männern,
Frauen und Kindern weggeschleppt, andere Tausende ermordet,
etwa 20000 Ge-
bände zerstört
oder eingeäschert
und allein bei dem
zweiten Einfall
etwa80000Woh-
nungen ausge-
plündert und ver-
wüstet worden;
auch die letzte rus-
sische Unterneh-
mung gegen Me-
mel kennzeichnet
sich als ein wüster,
von Schandtaten
aller Art beglei-
teter Raubzug.
Welche Gewalt-
tätigkeiten und
Grausamkeiten
die Bewohner im
einzelnen erdul-
det haben, dafür
legen die in den
Anlagen enthal-
tenen Bekundun-
gen ein beredtes
und erschrecken-
des Zeugnis ab.
In jeder denk-
baren Art haben
die russischen
Truppen die be-
wegliche Habe
der Armen wie
der Wohlhaben-
den gestohlen, ge-
raubt, geplündert
oder mutwillig
zerstört. Vieh und
Vorräte wurden
ohne Bezahlung
und ohne Ausstel-
lung von Gut¬
scheinen wegge-
nommen,Männer
und Frauen muß-
ten den geldgieri-
gen Soldaten ih-
ren letzten Gro-
schen geben. Die
Wohnungen
wurden durch-
sucht und daraus
geplündert, was dem einzelnen in die Augen stach, oft von
verschiedenen Truppenteilen hintereinander. Schließlich wur-
den sinn- und zwecklos Häuser, Wirtschaftsgebäude und Vor-
räte in Brand gesteckt und dadurch vernichtet.
Die Bevölkerung, darunter auch Frauen und Kinder, wurde
unter nichtigen Vorwänden oder ohne jeden Grund miß-
handelt, obwohl sie alles tat, um die Wünsche der russischen
Soldaten wegen Unterkunst und Verpflegung zu befriedigen.
Diese Mißhandlungen waren zum Teil von ausgesuchter
Grausamkeit; so wurden in einem Falle die männlichen Be-
wohner eines ganzen Ortes, darunter der Amtsrichter, unter
gleichzeitiger Bedrohung mit dem Tode ausgepeitscht. Auf
Flüchtlinge wurde ohne weiteres geschossen. Vor allem aber
wurden zahlreiche friedliche Bürger ohne jeden Anlaß, zum
Teil sogar unter furchtbaren Martern oder in Gegenwart
ihrer Angehörigen, ermordet. Junge Leute, die nichts be¬
Kriegsschauplatz: Löhnungsappell.
„JNustrirte Zeitung" gezeichnet von Alfred Liebing.
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