Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Unterseebooten gewaltsam Widerstand zu leisten. Unter diesen 
Umständen ist es für die deutschen Unterseeboote sehr schwierig, 
die neutralen Handelsschiffe als solche zu erkennen; denn auch 
eine Untersuchung wird in den meisten Fällen nicht erfolgen 
können, da die bei einem maskierten englischen Schiff zu er- 
wartenden Angriffe das Untersuchungskommando und das 
Boot selbst der Gefahr der Vernichtung aussetzen. 
Die Britische Negierung wäre hiernach in der Lage, die 
deutschen Matznahmen illusorisch zu machen, wenn ihre 
Handelsflotte bei dem Mißbrauch neutraler Flaggen verharrt 
und die neutralen Schiffe nicht anderweit in zweifelloser Weise 
gekennzeichnet werden. Deutschland mutz aber in dem Not- 
stand, in den es rechtswidrig versetzt wird, seine Matznahmen 
unter allen Umständen wirksam machen, um dadurch den 
Gegner zu einer dem Völkerrecht entsprechenden Führung des 
Seekriegs zu zwingen und so die Freiheit der Meere, für die 
es von jeher eingetreten ist und für die es auch heute kämpft, 
wiederherzustellen. 
Die Deutsche Negierung hat es daher begrüßt, daß die 
Amerikanische Negierung gegen den rechtswidrigen Gebrauch 
ihrer Flagge bei der Britischen Negierung Vorstellungen erhoben 
hat, und gibt der Erwartung Ausdruck, daß dieses Vorgehen 
England künftig zur Achtung der amerikanischen Flagge ver- 
anlassen wird. 
In dieser Erwartung sind die Befehlshaber der deutschen 
Unterseeboote, wie bereits in der Note vom 4. d. M. zum 
Ausdruck gebracht worden ist, angewiesen worden, Gewalt- 
tätigkeiten gegen amerikanische Handelsschiffe zu unterlassen, 
soweit sie als solche erkennbar sind. 
Um in der sichersten Weise allen Folgen einer Verwechs- 
hing — allerdings nicht auch der Minengefahr — zu begegnen, 
empfiehlt die Deutsche Regierung den Vereinigten Staaten, 
ihre mit friedlicher Ladung befrachteten, den englischen See- 
kriegsschauplatz berührenden Schiffe durch Konvoyierung kennt- 
lich zu inachen. Die Deutsche Regierung glaubt dabei voraus- 
setzen zu dürfen, datz nur solche Schiffe konvoyiert werden, 
die keine Waren an Bord haben, die nach der von England 
gegenüber Deutschland angewendeten Auslegung als Konter- 
bände zu betrachten sind. Uber die Art der Durchführung 
einer solchen Konvoyierung ist die Deutsche Regierung bereit, 
mit der Amerikanischen Regierung alsbald in Verhandlungen 
einzutreten. Sie würde es aber mit besonderem Dank aner- 
kennen, wenn die Amerikanische Regierung ihren Handels- 
schiffen dringend empfehlen wollte, jedenfalls bis zur Regelung 
der Flaggenfrage den englischen Seekriegsschauplatz zu ver- 
meiden. 
Die Deutsche Regierung gibt sich der zuversichtlichen Hoff- 
nung hin, datz die Amerikanische Regierung den schweren 
Kampf, den Deutschland um sein Dasein führt, in seiner ganzen 
Bedeutung würdigen und aus den vorstehenden Aufklärungen 
und Zusagen ein volles Verständnis für die Beweggründe und 
Ziele der von ihr angekündigten Matznahmen gewinnen wird. 
Die Deutsche Regierung wiederholt, datz sie in der bisher 
peinlich von ihr geübten Rücksicht auf die Neutralen sich nur 
unter dem stärksten Zwang der nationalen Selbsterbaltung 
zu den geplanten Maßnahmen entschlossen hat. Sollte es 
der Amerikanischen Regierung vermöge des Gewichts, das sie 
in die Wagschale des Geschickes der Völker zu legen berechtigt 
und imstande iit, in letzter Stunde noch gelingen, die Gründe 
zu beseitigen, die der Deutschen Regierung jenes Vorgehen 
zur gebieterischen Pflicht machen, sollte die 'Amerikanische Re- 
gierung insbesondere einen Weg finden, die Beachtung der 
Londoner Seekriegsrechtserklärung auch von feiten der mit 
Deutschland kriegführenden Mächte zu erreichen und Deutsch- 
land dadurch die legitime Zufuhr von Lebensmitteln und 
industriellen Rohstoffen zu ermöglichen, so würde die Deutsche 
Regierung hierin ein nicht hoch genug anzuschlagendes Ver- 
dienst um die humanere Gestaltung der Kriegführung an- 
erkennen und aus der also geschaffenen neuen Sachlage gern 
die Folgerungen ziehen. 
Die deutsche Regierung verharrte demnach mit 
Festigkeit auf ihrem Standpunkte und gab den Amerika- 
nern noch einmal zu verstehen, daß sie ihren Munitions- 
und Waffenhandel nach England und Frankreich als 
mit wahrer Neutralität nicht vereinbar erachte, wie 
das schon in der Denkschrift vom 4. Februar geschehen 
war. Am 18. Februar begann der angesagte Kampf 
gegen England. Die kleinen neutralen Staaten trafen 
alsbald die Maßregel, ihre Schiffe mit ihren Landes- 
färben zu bemalen, um sie auf diese Weise den Deut- 
schen kenntlich zu machen, da sie ja an der Flagge 
nicht mehr zu erkennen waren. Auf der Stelle ahmte 
England das nach — ein sicheres Zeichen, wie un- 
geheuer die Angst vor den deutschen Unterseebooten 
in dem Volke war, das angeblich die See beherrschte. 
Sie war erklärlich genug durch das, was England 
im bisherigen Verlaufe des Krieges schon erlitten 
hatte. Außerdem wußte man in London ganz gul, 
und die „Times" sprach offen darüber, daß Deutschland 
jetzt eine neue Art von Unterseebooten in die Wag- 
schale werfen konnte, die an Größe und Leistungs- 
fähigkeit alles bisher Dagewesene weit übertraf. 
Kurz nach der Kampfansage traten diese neuen deut- 
schen Schiffe in Tätigkeit und erwiesen mit jeder Woche 
mehr die Richtigkeit des Urteiles, das ein neutrales 
Blatt ausgesprochen hatte: 
„Auf den? Meere sind die Engländer Herren, aber ein paar 
Meter unterhalb des Meeresspiegels fängt die deutsche See- 
Herrschaft an." 
Die Kämpfe des deutschen Ost 
m Anfang des neuen Jahres war der deutsche 
Boden überall von den Russen gesäubert, und 
die deutschen Heeressäulen standen weit drin im 
Feindesland. Von den beiden wichtigsten Städten 
Russisch-Polens war die eine, Lodz, fest in deutschen 
Händen, die andere, wichtigere, Warschau, schien ernst- 
lich von Hindenburgs Scharen bedroht. Der große 
allgemeine Angriff auf die deutschen Ostprovinzen 
war zusammengebrochen, der „gigantische Plan" des 
Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch war gescheitert. 
Aber von einer völligen Uberwindung des Russen- 
Heeres war freilich noch nicht die Rede. Siege hatte 
Hindenburg erfochten, gewaltige, in der bisherigen 
Kriegsgeschichte einzig dastehende Siege, aber den 
Sieg halte er noch nicht davongetragen. 
eres im Januar und Februar. 
Es lag das an einigen Eigenschaften des russischen 
Volkes und Heeres, die man in Deutschland teils nicht 
recht gekannt, teils nicht richtig eingeschätzt hatte. Wie 
man hier in weiten Kreisen die englische Motte weit 
überschätzt hatte, was sogar einem deutschen Admiral 
nach seinem eigenen freudigen Eingeständnis geschehen 
war, so hatte man das russische Heer ohne Zweifel 
unterschätzt. Die Russen hatten nach ihrer ost-asiatischen 
Niederlage viel gelernt und an ihrem Heere viel ge- 
arbeitet. Die Reiterei zwar, auf die sie die höchsten 
Hoffnungen gesetzt hatten, taugte nicht viel, aber die 
Artillerie schoß ausgezeichnet, und die Fußtruppen 
waren wohl gedrillt. Die Ausrüstung und Bewaff- 
nung des russischen Heeres war nach dem japanischen 
Kriege nicht so erfolgt, wie sie mit den geborgten 
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