Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

englische Volk erfahren. Die Admiralität wagte zwar 
nicht zu sagen, daß eines der Niesen-Kampfschiffe 
völlig verloren sei, aber sie gab wenigstens zu, daß 
zwei stark beschädigt seien. 
Das Abbrechen des Gefechtes erklärte der englische 
Adrniral damit, daß deutsche Unterseeboote sich in ver- 
dächtiger Nähe aufgehalten hätten. „Es ist zweifellos 
ein Triumph für die deutsche Unterseeslotte," schrieb 
dazu ein holländisches Blatt, „daß sie bei einem regel- 
rechten Seegefechte eingreifen konnte und ihre An- 
Wesenheit so sehr gefürchtet wurde, daß die englische 
Flotte kehrtmachte und nach ihren Häfen zurück- 
eilte". Das war richtig, vor den deutschen Untersee- 
booten hatten die Engländer eine heillose Angst, seit- 
dem die Tat Weddigens ihnen gezeigt hatte, was 
ein einziges Unterseeboot unter einem kühnen und 
entschlossenen Führer zu leisten vermochte. Ja, schon 
vor dem Kriege war das Unterseeboot als eine große 
Gefahr für England von vielen bedeutenden Männern 
des Britenvolkes erkannt worden. Conan Doyle, der 
Verfasser vielgelesener, überhitzter Verbrecherromane, 
hatte kurze Zeit vor dem Ausbruch des Weltenbrandes 
eine Erzählung veröffentlicht, in der er schilderte, wie 
England durch einige Unterseeboote einer kleinen Macht 
von aller Zufuhr abgeschnitten und zum Frieden ge- 
zwungen wurde. Besorgte Gemüter hatten daraufhin 
an die bedeutendsten Männer der vereinigten König- 
reiche eine Umfrage gerichtet, ob so etwas wirklich 
möglich wäre. Alle Befragten hatten den Gedanken 
ernst genommen. Einige hatten erklärt, gäbe es Unter- 
seeboote, die um England herumfahren und in der 
Irischen See arbeiten könnten, so sei das Land aller- 
dings in einer großen Gefahr. Aber solche Gebilde 
gäbe es nicht und werde es wohl auch nicht geben. 
Darin hatten sich nun die Herren bitter getäuscht. 
Die deutsche Technik hatte Unterseeboote hergestellt, 
von deren riesigem Betätigungskreise niemand in Eng- 
land ahnte, und auf den deutschen Werften wurde 
fieberhaft gearbeitet, immer mehr davon fertigzustellen. 
Am 30. Januar wurden im Kanal und in der 
Irischen See drei britische Handelsdampfer versenkt. 
Die Deutschen waren also dahin gekommen, wohin 
sie nach der Ansicht der englischen Sachverständigen 
niemals kommen konnten. 
In der ganzen Welt erregte der Vorgang großes 
Aufsehen, das größte und unliebsamste natürlich in 
England. Zuerst war das Volk verblüfft, dann 
geriet es in große Besorgnis. Einzelne führende 
Blätter brachten Aufsätze, die sehr abstachen von dem 
Tone der Großsprecherei und Prahlsucht, die man in 
englischen Zeitungen seit Kriegsbeginn gewöhnt war. 
So schrieb zum Beispiel der „Eoening Standard": 
„England muß sich auf erheblich schärfere Folge des 
Krieges als bislang gefaßt machen und zur Erreichung 
des gesteckten Zieles auch zu bedeutend größeren Opfern 
als bisher bereit sein. Deutschland hat unzweifelhaft 
sehr leistungsfähige neue Unterseeboote im Vau und 
die Verwendbarkeit dieser Waffe wird gegen uns, 
da Deutschland zur Zeit keine Schiffahrt treibt, wir 
aber auf die Zufuhr von der See angewiesen sind, 
erheblich größer sein als umgekehrt. Die Folge wird 
sein, daß die Frachten und Versicherungsprämien für 
die Schiffe steigen, das Risiko des Handelsverkehrs 
zur See erheblich größer wird und die Lebensmittel- 
Verteuerung bisher in England ungekannte Formen 
annehmen wird. Es ist anzunehmen, daß Deutschland 
den Ausbau seiner Unterseebootsflotte mit Hochdruck 
betreibt und seine großen Unterseeboote vielleicht inner- 
halb 5bis 6 Monaten fertigstellen wird. Je länger 
der Krieg dauert, desto größer wird die Anzahl dieser 
furchtbaren Boote sein, und desto fühlbarer wird das 
Beschneiden der Lebensnerven Englands werden. 
Deshalb wird ein langes Hinziehen des Krieges ge- 
rade für England die schlimmsten Folgen haben. 
Diese Frage ist sehr kompliziert. Wünschenswert er- 
scheint uns jedoch die sehr baldige Aufnahme einer 
kräftigen Aktion zur Beschleunigung der Kriegsent- 
wicklung". Die meisten Zeitungen redeten allerdings 
nicht in diesem würdigen und vernünftigen Tone, 
sondern ergingen sich in wüsten Schmähungen und 
Schimpfereien gegen den Völkerrechtsbruch der Deut- 
schen, die wehrlose Handelsdampfer torpedierten. Sie 
vergaßen dabei, daß sie selbst allesamt seit Monaten 
triumphierend verkündigten, England werde Deutsch- 
land aushungern und so auf die Knie zwingen. Sie 
vergaßen, daß ihr erster Seelord Churchill öffentlich 
erklärt hatte, man werde Deutschland behandeln wie 
einen Menschen, dem man so lange einen Knebel in 
den Mund stecke, bis der Herzschlag aussetze. Der 
Unterseebootskrieg war nichts als eine Vergeltungs- 
Maßregel gegen den ruchlosen Versuch, ein ganzes Volk 
oder vielmehr zwei ganze Reiche, Deutschland und 
Österreich-Ungarn, mit ihrer ganzen Bevölkerung, 
Frauen, Kindern und Greisen, zum Hungertode oder 
zur unbedingten Unterwerfung zu zwingen. Der Ver- 
such war neu. Visher hatte die Welt eine derartige 
Gemeinheit noch nicht erlebt. Auch das Mittel der 
Abwehr war neu, und es war ohne Frage ein hartes 
und furchtbares Mittel. Aber Deutschland befand sich 
wirklich, wie ein schweizerisches Blatt schrieb, in der 
Lage dessen, der erwürgt werden soll, es trete nun 
den Würger, gleichgültig wohin. Es handele in der 
Notwehr und müsse in der Selbstverteidigung zu 
Mitteln greifen, die es nie benützen würde, wenn es 
von seinen Gegnern nicht dazu gezwungen würde. 
Am 4. Februar brachte der „Deutsche Reichs-und 
Staatsanzeiger" folgende Ankündigung an die Neu- 
tralen: 
Bekanntmachung. 
1. Die Gewässer rings um Großbritannien und Irland ein- 
schließlich des gesamten englischen Kanals werden hiermit als 
Kriegsgebiet erklärt. Vom 18. Februar 1915 an wird jedes in 
diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff 
zerstört werden, ohne daß es immer möglich sein wird, die 
dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren 
abzulenken. 
2. Auch neutrale Schiffe laufen im Kriegsgebiet Gefahr, 
da es angesichts des von der Britischen Regierung am 31. Ja- 
nuar angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen und der 
Zufälligkeiten des Seekrieges nicht immer vermieden werden 
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