Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

hätte er jetzt die Gelegenheit ergriffen, den gefährlichen 
Oheim aus dem Sattel zu heben. Aber der schwache 
Träumer von Zarskoje Selo wagte das nicht, ließ 
ihn vielmehr weiter schalten und walten. Seine Kaiser- 
liche Hoheit blieb der unumschränkte Gebieter der 
russischen Streitmacht, und da er natürlich die Schuld 
der Niederlage, die er unzweifelhaft trug, nicht auf 
sich sitzen lassen wollte, so wählte er sich aus der Schar 
seiner Unterführer einige Sündenböcke aus, die sie auf 
sich nehmen mußten. Zunächst traf der Blitz den ehe- 
mals hoch gefeierten Rennenkampf. Der Großfürst 
gab ihm schuld, er sei bei Lodz zu spät eingetroffen, 
ließ ihn verhaften und seiner Stellung entheben. Dann 
jagte er mehr als ein Dutzend andere Generale aus 
dem Dienst, wobei er sich an einigen sogar höchst 
eigenhändig vergriff, ihnen die Ehrenabzeichen herab- 
riß und sie mit Schlägen traktierte, ganz wie es seit 
dem hochseligen Iwan dem Schrecklichen löblicher 
Brauch ist im heiligen Rußland. Unvernünftig war 
die Maßregelung der Generale übrigens nicht, denn 
viele der russischen Heerführer verdankten ihre Stellung 
nicht ihrer Tüchtigkeit, sondern dem Einflüsse hoch- 
stehender Damen. Aber solange der Großfürst selbst 
in seiner Stellung blieb, konnten alle diese Änderungen 
in den unteren Vefehlshaberstellungen dem russischen 
Heere nichts nützen. 
Die kämpfe der Österreicher und Ungarn mit den Russen und Serben 
bis Ende des Jahres 1914. 
Qfufcing November standen sich das österreichisch- 
-^.ungarische und das russische Heer auf galizischem 
Boden in der Linie Radymno-Medyka-Chyro-Sambor 
gegenüber. Sie befanden sich in einem erbitterten 
Stellungskampfe, bei dem im ersten Drittel des Monats 
die Russen überall den Kürzeren zogen. Am 
2. November büßten sie bei Kozwadow 400 Gefangene 
und 3 Maschinengewehre, bei Stary-Sambor 400 Ge- 
fangene ein. Am Z.November meldete der österreichische 
Generalstab, daß in den letzten Tagen bei Stary- 
Sambor und nordöstlich Turka 2500 Russen gefangen 
worden waren. An demselben Tage erbeuteten öfter- 
reichisch-ungarische Husaren bei Rybnik im Strytal 
eine stattliche feindliche Munitionskolonne, für die 
Russen bei dem Mangel an Schießmaterial ein be- 
sonders schmerzlicher Verlust. Am 4. November kam 
die Meldung, die österreichischen Truppen, die an der 
Lysa-Eora den Kampf mit den Russen abgebrochen 
hatten, wären mit 2300 Gefangenen abgezogen, und 
Teilerfolge ähnlicher Art wurden auch in den nächsten 
Tagen verkündigt. Aber die Russen zogen immer 
mehr Verstärkungen heran und entfalteten eine immer 
erdrückendere Übermacht. Das österreichisch-ungarische 
Heer mußte zurückgehen, die Russen rückten am 
10. November über die untere Wisloka, über Rzeszow 
in den Raum von Lisko, und Przemysl wurde 
zum zweiten Male eingeschlossen. Wiederum tobte ein 
greuelvoller, blutiger Kampf um die starke Festung, 
doch scheinen diesmal die unsinnigen Versuche, sie im 
Sturm zu nehmen, wenigstens bis zum Jahresende, 
nicht wiederholt worden zu sein. Ausfälle, die von 
den tapferen Verteidigern unternommen wurden, 
drängten die Russen auf der West- und Südwestfront 
so weit zurück, daß sie sich außerhalb der Tragweite 
der Festungsgeschütze hielten. Das russische Heer war 
überdies von vornherein tief entmutigt, denn in seinen 
Reihen ging die Sage, der Kommandant sei unbesieg- 
bar, weil er mit dem Teufel im Bunde stehe. Andere 
erklärten, die Stadt werde von der heiligen Jungfrau 
selbst beschützt, und es sei Sünde, einen solchen Platz 
anzugreifen. 
Acht Tage nach dem russischen Vordringen in 
Galizien erfolgte ein Vorstoß gegen Ungarn und die 
Bukowina. Am 18. setzte sich das Russenheer gegen 
die Karpathen in Bewegung, am 23. mußten ihm die 
Österreicher und Ungarn einige Karpathenpässe über- 
lassen, so daß es in die Komitate Ung und Zemplin 
eindringen konnte. Diese Freude dauerte aber nicht 
lange, denn am 27. wurde es bereits wieder hinaus- 
geworfen, auch der vielumstrittene Uzsoker Paß wurde 
ihm wieder entrissen. Am 29. wurden die auf 
Homona vorgedrungenen russischen Kräfte geschlagen 
und ließen 1500 Gefangene in den Händen der Sieger, 
am 30. November geriet der russische Generaloberst 
Semiratow mit 1200 Mann in Gefangenschaft. In 
der Bukowina dagegen hatten die Russen in den 
letzten Novembertagen einen Erfolg zu verzeichnen, 
indem sie die Österreicher und Ungarn zwangen, 
Czernowitz wieder zu räumen. 
Der Dezember brachte den Österreichern und Ungarn 
einen großen Erfolg in Galizien, den Sieg bei Lima- 
nowa. Vom 2. Dezember an wurde in der Gegend 
von Limanowa, Dobra-Skrzyzlan und Bochnia mit 
wechselndem Glücke gekämpft. Am 7. Dezember waren 
die Russen entschieden im Vorteil. Am 8. Dezember 
wendete sich das Blatt. Der österreichisch-ungarische 
Generalstab konnte von diesem Tage melden: 
„Die Kämpfe in Westgalizien nahmen an Heftigkeit zu. 
Nunmehr auch von Westen her angreifend, verjagten unsere 
Truppen den Feind aus seiner Stellung Dobczqce-Wieliczka. 
Der eigene Angriff dauert au, die Zahl der Gefangenen läßt 
sich noch nicht übersehen. Bisher wurden über 5000, darunter 
27 Offiziere, abgeschlagen." 
Die Schlacht dauerte den folgenden Tag fort, und 
die Zahl der gefangenen Russen stieg auf 10000. 
Am 10. Dezember brachten beide Teile starke Kräfte 
in den Kampf, aber eine Entscheidung konnte noch 
nicht herbeigeführt werden. Erst am 12. Dezember 
errangen die österreichisch-ungarischen Truppen den 
Sieg über den Südflügel des großen, in West- 
galizien stehenden Russenheeres. Bei der Verfolgung, 
die nun einsetzte, verloren die Russen 31000 Ge- 
fangene. 
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