Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Auch eine ungeheuere Erhöhung des Soldes half nicht 
viel, obwohl Hunderttausende armer Teufel in London 
und in anderen großen Städten saßen und nicht 
wußten, wovon sie sich nähren sollten, da sie infolge 
des Krieges brotlos geworden waren. Die Masse des 
englischen Volkes war nun einmal nicht für das 
Kriegswesen zu begeistern. Sie strömte dahin, wo 
Fußballspiele stattfanden, um zu gaffen und zu wetten. 
Zog dagegen ein Regiment Soldaten durch die Straßen, 
so nahm von den Vaterlandsverteidigern kaum ein 
Mensch Notiz. Der Krieg wurde wohl von der Re- 
gierung, nicht aber vom Volke so ernst genommen, wie er 
wirklich war. Erst als ein deutsches Geschwader einen 
Ort an der engli- 
schen Ostküste be- 
schössen hatte (3. No- 
vember), fuhr das 
Volk bestürzt aus wie 
aus einem Traume 
erwachend, sank aber 
sehr bald wieder in 
seine Gleichgültigkeit 
zurück. Das war 
nicht verwunderlich, 
denn es erfuhr die 
Wahrheit über seine 
Lage nicht, sollte 
und durfte sie nicht 
erfahren. Die Zei- 
tungen redeten ihm 
täglich vor, daß alles 
gut gehe. Schlappen 
und Niederlagen, die 
England oder seine 
Verbündeten erlit- 
ten, wurden ent- 
weder gar nicht er- 
wähnt oder als klein 
und belanglos hin¬ 
gestellt. In Frank- 
reich stand nach den 
Zeitungsnachrichten 
alles gut. Die ver- 
einigten Heere mach- 
ten Tag für Tag 
Fortschritte gegen die Deutschen, und ging einmal eine 
Stellung verloren, so hatte das nichts zu bedeuten. 
Die Deutschen drangen ja doch nicht nach Calais durch, 
und der ganze Kampf in Flandern und Frankreich 
hatte ja eigentlich nur den Zweck, sie solange hinzu- 
halten, bis die Russen vor Berlin standen und somit 
das deutsche Westheer zum Heimzuge nötigten. Von 
Hindenburgs gewaltigen Siegen, von der Zertrüm- 
merung ganzer russischer Heere wurde nur ganz lang- 
sam Einiges bekannt und nie etwas Bestimmtes. In 
London wie in Paris träumte man bis in den November 
hinein noch immer von der riesigen russischen Dampf- 
walze, die über Deutschland hingehen und es zerquet- 
schen werde. Warum sollte ein Volk, das von seiner 
Phantastische Vrandruinen in Lille. 
Nach einer Zeichnung des Sonderzeichners der „Jllustrirten Zeitung" Professor Hans v.Hayel 
eigenen Regierung belogen und in falsche Sicherheit 
gewiegt wurde, seinen Gewohnheiten entsagen und zu 
den Waffen greifen? Ganz besonders töricht mußte 
das vielen erscheinen, nachdem die Regierung starke 
Truppenmassen aus den Kolonien auf den Kriegs- 
schauplatz geworfen hatte, deren kriegerische Tüchtig- 
keit täglich in den Zeitungen gelobt und gepriesen 
wurde. Es kamen Tausende von Kanadiern übers 
Meer, um England zu helfen. Ägyptische und in- 
dische Truppen wurden massenhaft verladen, um nach 
Frankreich zur Schlachtbank geführt zu werden. Hindus 
und Mohammedaner wurden aufgeboten gegen die 
verwünschten Deutschen. Indianer und Nordameri- 
kaner und die wil- 
den Stämme der 
Sikhs und Gurkhas 
wurden von der 
französischen Presse 
mit besonderem Ju- 
bei begrüßt, denn 
auf ihre grausame 
Blutgier und totver- 
achtende Tapferkeit 
setzten die verbün- 
deten Völker die 
größten Hoffnun- 
gen. Das ritterliche 
Frankreich konnte 
hinter dem gottseli- 
gen England nicht 
Zurückstehen, wenn 
es galt, Kulturnatio- 
nen gegen die „Hun- 
nen" und „Barba¬ 
ren" ins Feld zu 
führen. Es über- 
trumpfte sogar die 
Freunde an der 
Themse, indem es 
Halbraubtiere, echte 
Neger vom Senegal, 
gegen die deut- 
schen Schützengrä- 
ben Sturm laufen 
ließ. Mit Recht fragte 
ein deutsches Witzblatt, ob nun die glorreiche Republik 
auch die Gorillas und Paviane auf den Feind los- 
lassen wolle. 
Das alles hatte aber nur den Erfolg, daß die 
beiden Länder ihren Namen mit Schmach beluden, 
denn so tapfer auch die fremdrassigen Truppen für 
ihre Unterjocher und Bedrücker kämpften, so wenig 
vermochten sie den Gang der Dinge irgendwie zu 
ihren Gunsten zu wenden, und als dann Herbst und 
Winter kamen, da zeigte es sich, daß die Kinder 
Afrikas und Asiens das nordische Klima nicht ver- 
trugen. Seuchen und Krankheiten räumten schrecklich 
auf in ihren Reihen. Sie mußten allmählich alle 
aus der Kampffront entfernt und in die Lazarette 
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