Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Der bedeutsame Artikel war ein Signal dessen, 
was einen Monat später wirklich eintreten sollte und 
nicht allein durch Zeitungsartikel kündigte sich die 
große Erhebung des Islam an. Die Kurden gingen 
gegen die Russen vor und es kam zu blutigen Grenz- 
gefechten zwischen beiden, in denen sich die Soldaten 
des Zaren des Sieges nicht rühmen konnten. In 
Südpersien veranstaltete das Volk drohende Kund- 
gedungen gegen die Engländer, in Nordpersien gegen 
die Russen. Der Emir von Afghanistan rüstete und 
konnte eine große Gefahr für Indien werden. Auch 
dorthin drang trotz aller Absperrungsmaßregeln die 
Kunde, daß England mit Deutschland in einen 
schweren Krieg verwickelt sei. In Ägypten mußten 
täglich Verhaftungen vorgenommen werden, denn 
das Volk wurde immer schwieriger. Sogar unter 
den eingeborenen Truppen kamen schon Meutereien 
vor. Darum blieb die türkische Regierung den Dro- 
Hungen Englands und Rußlands gegenüber sehr kühl 
und die Blätter Konstantinopels erklärten geradezu, 
auf die englischen Drohungen sei nichts zu geben, 
denn man wisse ganz genau, daß England jetzt zu 
schwach sei, den Kampf mit dem Kalifat aufzunehmen. 
So war es in der Tat. England hätte die Ab- 
rechnung mit der Türkei gern auf eine gelegenere 
Zeit verschoben. Aber die Interessen des russischen 
Handels verlangten gebieterisch die Wiedereröffnung 
der Dardanellen. So setzte denn Rußland seine 
Flotte im Schwarzen Meer in Bewegung und ließ 
sie zunächst an der rumänischen und bulgarischen 
Küste kreuzen. Der russische Admiral wurde bei 
seinen Unternehmungen beraten von dem englischen 
Admiral Limpus, der bis vor kurzem der Leiter der 
englischen Marinemission in der Türkei gewesen war, 
d. h. in der türkischen Marine dieselbe Rolle gespielt 
hatte, wie im türkischen Heere der deutsche General 
Liman von Sanders. Es wurden sogar Zeitungs- 
Nachrichten verbreitet, daß der Engländer an die 
Spitze der russischen Flotte getreten sei. 
Das wurde am 17. Oktober bekannt, und jeden 
Tag erwartete nun die Welt den Ausbruch des See¬ 
krieges zwischen Rußland und der Türkei. Aber erst 
am 29. Oktober fiel der erste Schuß. Er kam aus 
einer russischen Kanone, denn die russische Flotte über- 
siel ohne vorhergegangene Kriegserklärung einen 
Teil der türkischen Flotte. Das gedieh ihr indessen 
zum schweren Verhängnis. Die Türken errangen in 
dem ungleichen Kampfe einen glänzenden Sieg. Sie 
bohrten einen Minendampfer in den Grund, der 
700 Minen zur Absperrung des Bosporus an Bord 
hatte, versenkten einen Torpedojäger, beschädigten 
zwei Schiffe so schwer, daß sie kaum entkommen konnten 
und nahmen den Russen einen Kohlendampfer weg. 
Nach diesem Seesiege versanken sie nicht in Untätig- 
keit, wie das früher türkischer Brauch gewesen war, 
sondern sie gingen sofort zum Angriff auf russische 
Küstenstädte vor, bombardierten Theodosia, schössen 
Sebastopol in Brand, erschienen im Hasen von Odessa 
und nahmen die dort vor Anker liegenden russischen 
Schiffe weg. Enver Pascha stand am 21. Oktober an 
der Spitze der gesamten türkischen Kriegsmacht zu 
Wasser und zu Land. Das erklärte die ganz unge- 
wohnte Schnelligkeit und Kraft des türkischen Angriffes. 
Am 31. Oktober stellten die Botschafter Englands 
und Rußlands die Angehörigen ihrer Staaten in der 
Türkei unter italienischen Schutz, forderten ihre Pässe 
und reisten ab. Ob wirklich noch der Versuch gemacht 
worden ist, den Überfall der russischen Flotte auf die 
türkische als ein Mißverständnis hinzustellen und so 
die Türkei noch zum Einlenken zu bewegen, läßt sich 
jetzt noch nicht feststellen, die türkischen Blätter be- 
haupten es. Unmöglich Ist es nicht, denn die Re- 
gierungen der beiden Großmächte wußten gar wohl, 
was das Eingreifen der Türkei in den Krieg zu be- 
deuten hatte und welch unermeßliche Gefahr ihnen 
daraus erwachsen konnte. Die Presse des Drewer- 
bandes aber verkündete der Welt das Ereignis in 
einem Tone, als habe die englische und russische Diplo- 
matie einen großen Triumph davon getragen und 
die „Times" schrieb hochfahrend: 
„Hinfort wird das türkische Reich in Europa nur noch in 
der Erinnerung existieren." 
Die deutschen Veröffentlichungen über die Vorgeschichte des Krieges. 
^Yfls Friedrich der Große durch seinen Einmarsch 
•%\inSachsen den siebenjährigen Krieg begann, da 
wurde er von seinen Feinden in ganz Europa als 
ruchloser Friedensbrecher ausgeschrieen. Das Geschrei 
mußte aber sehr bald verstummen, denn er hatte im 
Dresdner Staatsarchiv die Akten gefunden, aus denen 
urkundlich hervorging, daß seine Feinde einen Bund 
wider ihn geschlossen hatten und nur eine günstige 
Gelegenheit abwarteten, über ihn herzufallen. Die 
Eroberung Brüssels gab der deutschen Regierung die- 
selbe Waffe gegen Lüge und Verleumdung in die 
Hand, wie einst die Eroberung Dresdens dem großen 
König. Denn die belgische Regierung hatte bei der 
fluchtartigen Eile, in der sie ihre Hauptstadt verließ, 
das Staatsarchiv dort zurückgelassen und darin fanden 
sich über die Vorgeschichte des Krieges die wichtigsten 
Dokumente, die mit unwiderleglicher Klarheit die 
Ränke Englands aufdeckten. Schon seit Jahren vor 
Ausbruch des Krieges konnte von einer belgischen 
Neutralität nicht mehr die Rede sein, denn die Regie- 
rung des Landes hatte sich zu einem Geheimbündnis 
mit England bereit gefunden, das gegen Deutschland 
gerichtet war. 
Am 13. Oktober veröffentlichte die „Norddeutsche 
Allgemeine Zeitung" folgenden aufsehenerregenden 
Aufsatz: 
„Durch die eigenen Erklärungen Sir Edward Greys ist die 
Behauptung der englischen Negierung bereits als unhaltbar 
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