Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

In einzelnen Punkten arbeiten sich unsere Truppen nun 
wie im Festungskriege mit Laufgräben vorwärts. In der 
vergangenen Nacht wurden mehrere Angriffsversuche der 
Russen blutig abgewiesen. Auch heute ist die Schlacht auf 
der ganzen Linie im Gange. Unsere schwere Artillerie hat 
angegriffen. Die Verfolgung des nördlich Wyszkow ge- 
worfenen Feindes wird fortgesetzt. 
Andere Teile unserer über die Karpathen vorgedrungenen 
Kräfte sind bis Lubience auf die Höhen nördlich Orow und 
in den Raum von Uroz vorgedrungen. 
19. Oktober: 
In der Schlacht östlich von Chyrow und Przemysl brachte 
uns der gestrige Tag neuerdings große Erfolge. 
Besonders erbittert war der Kampf bei Mizyniec. Die 
Höhe Magiera, die bisher in den Händen des Feindes war 
und unserem Vordringen bedeutende Schwierigkeiten bereitet 
hatte, wurde nach mächtiger Artillerie-Vorbereituug nach- 
mittags von unseren Truppen genommen. 
Nördlich Mizyniec kam unser Angriff bis auf Sturmdistanz 
an den Gegner, östlich Przemysl bis an die Höhe von 
Medyka heran. 
Am südlichen Schlachtflügel wurden die namentlich gegen 
die Höhen von Stary-Sambor gerichteten, noch nachts fort- 
gesetzten Angriffe der Russen abgeschlagen. 
Äm Stryj und Swicatale sind unsere Truppen kämpfend 
im weiteren Vordringen begriffen. 
Auch am San wurde gestern an mehreren Punkten gekämpft. 
Ein nach Einbruch der Dunkelheit eingesetzter Angriff auf 
unsere bei Jaroslaw auf das östliche Ufer des Flusses über- 
geschifften Kräfte scheiterte vollständig. 
Langsam drang das österreichisch-ungarische Heer 
in den nächsten Tagen vor. Die Russen hatten be- 
deutende Verstärkungen von Lemberg her an sich 
gezogen und waren an Zahl ihren Gegnern weit 
überlegen Auch waren sie dadurch im Vorteil, daß 
sie sich in der Verteidigungsstellung befanden. Dabei 
leistet bekanntlich ein russisches Heer immer das Beste, 
weil die Offensive dem Volkscharakter zuwider ist, 
die Defensive, ihm entspricht. Zudem hatten sie ihre 
Stellungen stark verschanzt, sich überall in die Erde 
eingegraben — eine Kunst, die seit den Erfahrungen 
des Krieges gegen Japan bei der Ausbildung des 
russischen Soldaten an die erste Stelle gesetzt worden 
ist. Man kann sich deshalb vorstellen, welche Blut- 
opfer diese erbitterten Kämpfe von den Österreichern 
und Ungarn forderten. Aber die tapferen Truppen 
ließen sich nicht schrecken. Am 20. Oktober konnte 
ihr Generalstab melden: 
Die Schlacht in Mittel-Galizien hat namentlich nördlich 
des Strwiaz-Flusses noch an Heftigkeit zugenommen. 
Unser Angriff gewinnt stetig Raum nach Osten. Um ein- 
zelne besonders wichtige Höhen wurde von beiden Seiten mit 
äußerster Heftigkeit gekämpft. Alle Versuche des Feindes, 
uns die Magiera wieder zu entreißen, scheiterten. Dagegen 
eroberten unsere Truppen die vielumstrittene „Baumhöhe" 
nordöstlich Tyszkowice. Südlich der Magiera wurde der 
Gegner aus mehreren Ortschaften geworfen. 
In diesen Kämpfen wurden wieder viele Russen, darunter 
ein General, gefangen genommen und auch Maschinengewehre 
erbeutet. 
Die Gefangenen berichten von der furchtbaren Wirkung 
unseres Artilleriefeuers. 
Südlich des Strwiaz, wo unsere Front über Stary-Sambor 
verläuft, steht die Schlacht. 
Stryj, Körösmezö und Seret wurden von unseren Truppen 
nach Vertreibung des Feindes in Besitz genommen. 
22. Oktober: 
In der Schlacht beiderseits der Strwiaz gelang es uns 
nun auch im Raum südlich dieses Flusses den Kampf vor- 
wärts zu tragen Auf der beherrschenden Trigonometer- 
höhe 668 südöstlich Stary-Sambor wurden zwei hinterein- 
anderliegende Verteidigungsstellen des Feindes genommen. 
Nordwestlich des genannten Ortes gelangte unsere Gefechts- 
linie näher an die Chaussee nach Starasol heran. Nach den 
bisherigen Meldungen wurden in den letzten Kämpfen 3400 
Russen, darunter 25 Offiziere, gefangen genommen und 
15 Maschinengewehre erbeutet. 
Die nächsten Tage brachten nur die Nachricht, daß 
mit der größten Hartnäckigkeit weitergekämpft würde 
und daß die österreichisch-ungarische Armee überall 
Boden gewinne, wenn auch unter großen Schwierig- 
leiten. 
Mit welchen Mitteln die biederen russischen Kultur- 
träger den Krieg führten, davon ward am 24. Ok- 
tober der Welt eine erstaunliche Probe gegeben. Ein 
Mensch, der sich ins österreichisch-ungarische Lager 
eingeschlichen hatte, unternahm auf einen der Ge- 
nerale — auf welchen wurde nicht mitgeteilt — ein 
Attentat. Es mißlang, er wurde ergriffen und ver- 
hört. Und dabei kam die erbauliche Tatsache an den 
Tag, daß die russische Heeresleitung auf die Tötung 
eines feindlichen Hauptführers einen Preis von 
80000 Rubel ausgesetzt hatte. Durch russische Ee- 
fangene wurde das bestätigt, und es ist nie widerrufen 
worden. Die russische Regierung hüllte sich dieser 
Behauptung gegenüber in ein vorsichtiges Schweigen. 
Uber die Denkungsart, die sich in diesem Preis- 
ausschreiben kundgab, verwunderten sich nur wenige. 
Es ist ja bekannt, wie die hohe russische Gesellschaft 
über den Meuchelmord denkt, und man weiß es 
längst, daß die Untaten in den Balkanländern von 
Stambulows Abschlachtung bis zum Morde von 
Serajewo in Petersburger Kreisen gebilligt, wenn 
nicht angestiftet worden sind. Verblüffend wirkte nur 
die Offenheit, mit der die russischen Heerführer ihr 
Asiatentum an den Tag legten. 
Am 30. Oktober konnte der österreichisch-ungarische 
Generalstab melden: 
„Am unteren San wurden stärkere südlich von Nisko über 
den Fluß gegangene feindliche Kräfte nach heftigem Gefechte 
zurückgeworfen. 
Bei Stary-Sambor sprengte unser Geschützfeuer ein rus- 
sisches Munitionsdepot in die Luft. Alle feindlichen Angriffe 
auf die Höhen westlich dieses Ortes wurden abgeschlagen. 
An Raum nordöstlich von Turka gewannen unsere an- 
greifenden Truppen mehrere wichtige Höhenstellungen, die 
der Feind fluchtartig räumen mutzte. Unser Landsturm machte 
in diesen Kämpfen viele Gefangene. 
Die Gesamtzahl der in der Monarchie internierten Kriegs- 
gefangenen betrug am 28. Oktober 649 Offiziere, 73179 Mann. 
Nicht eingerechnet sind die auf beiden Kriegsschauplätzen sehr 
zahlreichen noch nicht abgeschobenen Gefangenen aus den 
Kämpfen der letzten Wochen. 
Dazu kamen am folgenden Tage die Meldungen, 
daß die russischen Angriffe bei Turka, Stary Sambor 
und Nisko unter großen Verlusten für die Angreifer 
zurückgeschlagen waren. 
Das Ergebnis der Oktober-Kämpfe war also für 
Osterreich-Ungarn im ganzen ein recht günstiges. Es 
war gelungen, Przemysl zu entsetzen, die russische 
Przemysl-Armee aus Westgalizien zurückzuwerfen, 
in einen Riesenkampf mit ungeheurer Schlacht- 
front zu verwickeln und sie so zum Stehen zu bringen 
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