Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Millionen Taler (dreihundertund sechzig Millionen Mark). Mit 
Mühe bekam er fünfundsechzig Millionen. Und welcher Wandel 
seither! Wir stehen staunend vor dem Wunder, das sich seit einem 
Menschenalter vollzogen hat. Das großrednerische Frankreich 
holt sich in Amerika einen ftorl) und pumpt mit Anstrengung 
in London lumpige zwei Millionen Pfund, muß glücklich sein, 
daß ihm der Bundesgenosse den Vettel von achtundvierzig Mil¬ 
lionen Kronen leiht. Lloyd George jongliert mit den silbernen 
Kugeln und meint mit Ironie: der letzten Milliarde wird 
der Sieg gehören. Wenn dem so wäre, wie der Krämer 
meint, wenn wirklich nicht Kraft und Geist und Tüchtigkeit 
und Opfermut das Schicksal entscheiden, es müßte ein teuf- 
lisches Verhängnis sein, wenn nicht das deutsche Volk es wäre, 
das die letzte Milliarde als Trumpf in den gebefreudigen 
Händen hielte." 
In England rvar man von diesem Ergebnis der 
deutschen Reichsanleihe besonders unangenehm über- 
rascht, denn beim Beginn des Krieges hatten die 
Eroberung Belgiens. 
HsU^ährend in Frankreich die Riesenschlacht stand 
^^und die Deutschen nur hie und da in müh- 
seligem Ringen Teilerfolge davontrugen, glückte es 
ihnen, aus belgischem Boden, einen Schlag auszu- 
führen, der in der ganzen Welt widerhallte, und 
Belgien bis auf einen geringen Rest in ihre Gewalt 
brachte. Sie nahmen Antwerpen ein, die stärkste 
Festung Belgiens und eine der stärksten Festungen 
der ganzen Welt. Nach dem Fall Lüttichs und 
Namurs hatte sich die Hauptmasse der belgischen Feld- 
armee, die in mehreren Gefechten geschlagen worden 
war, auf Antwerpen zurückgezogen. Der König mit 
seiner Familie und die Regierung waren schon am 
19. August dahin übergesiedelt. Mit englischer Hilfe 
hoffte man, sich dort zu halten und die Deutschen 
zurückzutreiben. Die Stadt war mit einem doppelten 
Fortgürtel versehen, und die meisten ihrer Außenforts 
waren von neuester Konstruktion und mit allen mo- 
dernen Verteidigungsmitteln ausgerüstet. Auch mit 
Geschützen waren sie vorzüglich versehen. In Ant- 
werpen selbst lagen ungeheure Vorräte an Munition, 
Lebensmitteln und Waren aller Art, und im Notfalle 
konnte die Stadt durch die Engländer über die Scheide 
von der Seeseite verproviantiert werden. Truppen zur 
Verteidigung waren genug vorhanden, und das ge- 
schlagene Belgierheer, das hier noch einmal Wider- 
stand leisten sollte, wußte wohl, daß von seiner Hal- 
tung die Existenz des Vaterlandes abhing. So 
mußten sich die Deutschen auf einen langen und 
hartnäckigen Kampf um den wichtigen Platz gefaßt 
machen. 
Das deutsche Heer konnte nur langsam in Belgien 
vorrücken, denn die zurückweichenden Feinde zerstörten 
alle Eisenbahnen und Brücken. Aber sein Vorrücken 
war dennoch unaufhaltsam. Nachdem es am 4. Sep- 
tember Dendermonde, am 8. Gent besetzt hatte, waren 
am 9. September alle Bahnlinien, die nach Antwerpen 
führten, in seinen Händen. 
Am 11. September unternahmen drei Divisionen 
des belgischen Heeres einen Vorstoß von Antwerpen 
aus gegen die Deutschen, denn in der Stadt war 
englischen Kriegstreiber den Sieg ihrer Nation mit 
großen Worten prophezeit und hatten als Grund 
ihrer Zuversicht die unbedingte finanzielle Uberlegen- 
heit Englands angegeben. Nun gab Deutschland 
den Beweis, daß es England auch finanziell durch- 
aus gewachsen war. Darob große Verlegenheit in 
der Downing Street, denn solche Nachrichten mußten 
ja das gute englische Volk betrübt und besorgt machen. 
Man half sich schließlich mit der Behauptung, die deutsche 
Reichsanleihe sei durch unerhörten staatlichen Druck 
zustande gekommen, die Sparkassen hätten die in 
ihnen niedergelegten Beträge auf Befehl zeichnen 
müssen. In England glaubten das einige Leute, 
in den neutralen Ländern glaubte es kein Mensch. 
Antwerpens Fall. 
das Gerücht verbreitet, die Truppen der „Barbaren" 
zögen sich zurück und wollten nach Frankreich ab- 
marschieren. Die Belgier trugen zunächst einige kleine 
Erfolge davon, wurden aber dann zurückgeworfen, 
wobei sie sehr beträchtliche Verluste hatten. Doch war 
ihr Widerstand außerordentlich hartnäckig, überhaupt 
zeigte von jetzt an die belgische Armee eine weit 
größere Zähigkeit, als man ihr nach ihren Leistungen 
am Anfang des Feldzuges hätte zutrauen dürfen. 
Sie machte den Deutschen viel zu schaffen, unternahm 
immer wieder Ausfälle und suchte die deutschen Um- 
fassungslinien zu durchbrechen. Das gelang ihr nun 
allerdings an keiner Stelle. Die Belagerungsarmee, 
die unter dem Befehl des schneidigen Generals 
v. Beseler stand, machte Tag für Tag größere Fort- 
schritte. Nach langwierigen und für beide Teile ver- 
lustreichen Kämpfen bei Aalst und Mecheln konnte 
am 28. September die Beschießung der Außenforts 
von Antwerpen eröffnet werden. Der Erfolg war 
derselbe, wie bei dem Bombardement Lüttichs und 
Namurs. Es zeigte sich, daß schlechthin kein Be- 
festigungsmittel den deutschen 42-Zentimeter-Geschützen 
widerstehen konnte. Die Lage der Festungen wurde 
infolgedessen bald eine sehr kritische. Schon am 
30. September waren zwei der stärksten Forts in 
Grund und Boden geschossen. Den Tag darauf 
wurde Mecheln besetzt, das übrigens trotz der mehr- 
maligen heftigen Beschießung nur wenig gelitten 
hatte. Ein besonderer Schlag war für die belagerte 
Stadt die Zerstörung des Wasserwerkes, wodurch be- 
wirkt wurde, daß es auf einmal in ganz Antwerpen 
kein Trinkwasser mehr gab. Am 1. Oktober wurde das 
Fort Wavre-St. Catherine und die Redoute Dorpweldt 
mit Zwischenwerk zerstört, Waelhem eingeschossen, 
Termonde genommen. Am 3. Oktober meldete das 
Große Hauptquartier: 
„Im Angriff auf Antwerpen fielen auch die Forts Lierre, 
Waelhem, Königshock und die dazwischen liegenden Redouten. 
In den Zwischenstellungen wurden dreißig Geschütze erobert. 
Die in den äußeren Fortgürtel gebrochene Lücke gestattet, 
den Angriff gegen die innere Fortlinie und die Stadt 
vorzunehmen." 
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