Hodler tat das nur aus innerer Haltlosigkeit, Maeter-
lincl dagegen erwies sich als giftiger und gemeiner
Charakter, der über das Volk, dessen Genius er früher
gepriesen hatte, jetzt die niederträchtigsten Schmähungen
ausschüttete.
Aber das Lügenspiel erreichte einen noch höheren
Grad der Gemeinheit. Es war längst bekannt gewor-
den, daß unsere Feinde sich solcher Waffen bedienten,
die völkerrechtlich verboten sind. In Maubeuge waren
riesige Vorräte sogenannter Dum-Dum-Geschosse ge-
funden worden und Maschinen zu ihrer Massen-
Herstellung. Die Militärattaches der neutralen
Staaten hatten sich zu ihrem Erstaunen
davon überzeugen können. Trotzdem
wagte es die Dreiverbandspresse, den
Spieß umzudrehen und die Deut-
schen der Verwendung solcher
Geschosse zu beschuldigen. Sogar
der Präsident der französischen
Republik erniedrigte sich zu dieser
Lüge, die er in einem offi-
ziellen Telegramm an den
Präsidenten der Vereinigten
Staaten auszusprechen wagte.
Ebenso wurden alle Greuel,
die von französischen und bei-
gischen Soldaten und beson-
ders von den Franktireurs ver-
übt worden waren, den Deut-
schen angedichtet. Sie achteten
nicht das Rote Kreuz, so klagten
die englischen Zeitungen, sie ver-
übten Roheiten und unsagbare
Greuel an den Pflegerinnen, schössen
auf die Arzte und Krankenträger.
Eine englische Zeitung brachte eine
Illustration, worauf deutsche Sol-
daten abgebildet waren, die auf
einem Krankenwagen des Roten
Kreuzes versteckt ein Maschinen-
gewehr bei sich führten, also einen
schändlichen Mißbrauch mit dem völkerrechtlich ge-
heiligten Zeichen trieben. Die Deutschen wurden in
den englischen und französischen Blättern nie anders
als „Barbaren" oder „Hunnen" genannt. Der
deutsche Kaiser erschien als der moderne Attila, die
Gottesgeißel, der die Erde um seines unersättlichen
Ehrgeizes willen mit Blut überschwemmen wollte.
In der Verunglimpfung dieses Mannes, der ein
Vierteljahrhundert hindurch der Hort des europäischen
Friedens gewesen war, feierten besonders die eng-
lischen Blätter wahre Orgien. Die brutale Pöbel-
haftigkeit, die einen Grundzug des britischen National-
Charakters bildet, trat hier in abscheulicher Ungeschminkt-
heit zutage. „Die gekrönte Kanaille" nannte ihn ein
Londoner Blatt und forderte seine augenblickliche Er-
schießung, wenn er in englische Hände fiele. Andere
Zeitungen verlangten wenigstens, er müsse nach dem
Frieden auf eine wüste Insel verbannt werden. Nichts
General der Infanterie v. Veseler,
der Eroberer des „uneinnehmbaren" Antwerpen,
(Kgl. Hofphot. Ernst Sandau, Berlin.)
erbitterte das deutsche Volk so, wie diese Niedertracht
und nichts bezeugte so deutlich den sittlichen Nieder-
gang, die innere Fäulnis der englischen Nation, denn
ein Volk, in dem noch ein Rest von Würde und Seelen-
größe ist, muß seine Presse frei zu halten wissen von
derartigem Schmutz.
Ganz Deutschland erregte dieser Feldzug der Lüge
und Gemeinheit fast ebenso tief wie die Ruchlosigkeit
der Feinde, die sich in der Kriegführung kund tat.
Mit Zorn und Trauer sah man, daß der gute Name
der Deutschen in der Welt durch bübische Verleum-
dung geschändet wurde, und zugleich hatte
man die sehr richtige Empfindung, daß
die Meinung des Auslandes uns gar-
nicht gleichgültig fein konnte und den
vielen Reichsangehörigen in der
Fremde noch weniger. So ver-
suchte man mancherlei zur Auf-
klärung der neutralen Staaten.
Es bildeten sich Vereine und
Büros zu diesem Zwecke. Man
verfaßte Schriften in fremden
Sprachen, um den anderen
Nationen zu sagen, wie die
Dinge wirklich lagen. Die
deutsche „Intelligenz" ließ ein
Flugblatt herausgeben, das
von vielen der ersten Namen
des Reiches unterzeichnet war
und einen kräftigen Protest
erhob gegen die Lügen des
Dreiverbandes. Aber es hatte
wenig Erfolg, denn natürlich er-
widerten die englischen und anderen
feindlichen Blätter darauf: „Diese
wackeren Gelehrten und Künstler
sitzen alle weit vom Kriegsschauplatz,
reden wohl in der besten Meinung,
werden aber von ihrer eigenen Presse
schamlos belogen". Bedeutend tiefe-
ren Eindruck machten zwei Kund-
gedungen, die von den höchsten Stellen des Reiches
ausgingen. Die nordamerikanische Regierung hatte
den Schutz der Deutschen in den kriegführenden Staaten
übernommen. Darum richtete der Kaiser einen
Protest an den Präsidenten der Union, der Kanzler
v. Bethmann Hollweg einen Protest an die Presse
der Vereinigten Staaten. Das Telegramm des Kaisers
vom 7. September lautet:
„Ich betrachte es als meine Pflicht, Herr Präsident, Sie,
als den hervorragendsten Vertreter der Grundsätze der Mensch-
lichkeit, zu benachrichtigen, daß nach der Einnahme der fran-
zösischen Festung Longwy dort Tausende von Dum-Dnm-
Geschossen entdeckt wurden, die durch eine besondere Regierungs-
werkstätte hergestellt waren. Ebensolche Geschosse wurden bei
getöteten oder verwundeten Soldaten und Gefangenen auch
britischer Truppen gefunden. Sie wissen, welche schrecklichen
Wunden und Leiden diese Kugeln verursachen, und daß ihre
Anwendung durch die anerkannten Grundsätze des inter-
nationalen Rechtes streng verboten ist. Ich richte daher an
Sie einen feierlichen Protest gegen diese Art der Krieg-
führung, die dank den Methoden unserer Gegner eine der
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