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werden, bei welchen die Individualität mehr zur Geltung kommt
Die Turnstunde soll nie zur Ueberanstrengung der Kräfte des
Zöglings führen.
Zum Turnen, zum freien Regen und Bewegen, gehört auch
ein passendes Kleid, besonders beim Mädchen-Turnen, bei
welchem so leicht in dem Ablegen des langen Straßenkleides ein
Abweichen vom Weiblichen und Schicklichen gesehen wird,
während es nicht gegen die weibliche Würde oder gegen die
Sittsamkeit verstoßt, wenn junge Damen im ausgeschnittenen
Kleide mit entblößten Armen und Schultern im Ballsaale tanzen.
Das Mädchen wird daher auch ruhig im Turnsaale, wo sie
nur unter ihren Genossinnen weilt, in jenem geteilten Rocke, wie
ihn Turninspektor Möller bei den Altonaer Turnvereinen einführte,
oder in der nach dem Vorschläge von Sanitätsrat Dr. Thiersch
von dem Rate zu Leipzig vorläufig probe
weise eingeführten Turn-Kleide turnen
können. Dieses letztere bestellt aus einer
Cheviothose, welche unterhalb des Knies
lose geschlossen ist, und sich von der
Taille ab als Leibchen nach oben verlän
gert. In die Hose, welche hinten durch
Herabklappen ihres oberen Teiles geöffnet
werden kann, ist eine Einknöpfhose ans
waschbarem Stoffe vorgesehen.
Ueber die Hosenweste wird eine ge
schmackvolle Blouse (Matrosen - Form)
gezogen, mit Druckknöpfen an die Unter
kleidung befestigt, und der Turnanzug
ist fertig.
Will man einen solchen Anzug in
Volksschulen einführen, so wird er durch
Hinzufügen eines Röckchens, welches an
die Hose anzuknöpfen, nicht anzubinden
ist, ergänzt; er präsentiert sich nun als
gewöhnlicher Straßen- oder Hausanzug,
der sich äußerlich in nichts von anderen
derartigen Kleidern unterscheidet.
Dieser Anzug kann daher beständig
getragen werden, nicht bloß an jenen
Tagen, an welchen Turnunterricht ist.