Volltext: Der Sammler 12. Jahrg. 1916 (1916)

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Hier sehen wir am — Ausgang des 30- 
jährigen Krieges — die verfluchten „Schön 
heiten" der guten alten Zeit. 
57 Jahre später, man schriebt das Jahr 
des Heils Eintausendsiebenhundertfünf, hören wir 
eine ähnliche Jammermelodie, welche wahrlich 
nicht zum Lob und Preis der guten alten Zeit 
angestimmt wurde, aus einer „Vorstellungs 
schrift", welche der Bauernkongreß zu Braunau 
an den Reichskonvent zu Regensburg richtete 
und in welcher die von der Soldateska drang 
salierte Bauernschaft dartun will, warum sie zu 
den Waffen greifen mußte. Es war, wie wir 
schon andeuteten, die Zeit des großen bayeri 
schen Bauernaufstandes anno 1705—1706. 
Da lesen wir unter vielerlei an 
der e n K l a g e n : 
„Die Soldaten des Wendtschen Regiments 
zu Fuß haben in einem Orte des Gerichtes 
Braunau neun Personen in ein enges Höll- 
oder Stubenpödl zusammengeworfen und nach 
Verschluß der Türe mit Holz dermassen zuge 
feuert, daß sie beinahe sämtliche vor ungeheurer 
Hitz verschmachten oder sich mit einem Stück 
Geld loskaufen mußten, wie denn bald darauf 
einer aus diesen armen Leuten mit Tod abge 
gangen ist." 
„Ein armer Bauer wurde durch den Bart 
und das Kinn an den Tisch genagelt und so 
lange und so viel an dieser Marter gelassen, 
bis er sich mit Geld losgekauft hatte." 
Wieder andere wurden in den „Bock ge 
spannt" oder es sind ihnen die Hände am Ge 
nicke oder am Halse so fest als möglich zusam 
mengebunden und sie in diesem Zustande „er 
bärmlich gereide.lt" worden. Wenn sie aber den 
Mund zur Klage öffneten, wurden sie grausam 
und tyrannisch mit Prügeln geschlagen. 
„Wein, Bier, Meth, Gesottenes und Ge 
bratenes mußte auf dem Tische stehen, wenn die 
Soldaten kamen." Und unter jeden Teller 
mußte ein Gulden gelegt werden. 
„Aber man verlangte das Zehnfache! Bei 
solch unerhörten Unbilden wurden wohl den 
Bauern die heißen Tränen aus den Augen ge 
trieben. Auf seine eigenen Unkosten mußte er 
für die Gastereien, die sich das Kriegsvolk gab, 
alles nötige oft etliche Meilen weit herbei 
schaffen. Der Lohn dafür aber war meistens, 
daß alle auf den Tisch gestandenen Speisen samt 
Schüsseln und Tellern auS purer Bosheit dem 
Bauer auf den Kopf oder hinter die Türe ge 
worfen wurden. Die fruchtbaren Obstbäume 
wurden verschnitten, Feldfrüchte mutwillig ver 
dorben." 
(Lamprechts Chronik von Schärding, erster 
Teil, Seite 214.) 
Heute, da ein ungeheures Ringen die Welt 
durchtobt, an welchem gemessen alle Kämpfe 
früherer Zeiten Scharmüzel waren, zahlen unsere 
Soldaten prompt und genau jede Ware und 
jede Leistung. Wo ist die gute alte Zeit? Um 
fangreiche Bücherschränke könnte man mit den 
Schilderungen der zweifelhaften Herrlichkeit die 
ser sehr zweifelhaften guten alten Zeit füllen. 
Wir müssen uns eine eingehende Beweis 
führung versagen. Doch ehe wir die Vorbemer 
kungen schließen, wollen wir noch aus der Zeit 
der Napoleonkriege — welche selbst die über 
zeugtesten Schützer und Verteidiger der herrlichen 
Vergangenheit nicht als glückliche Daseins 
erscheinungen werten können — und zwar über 
den Staatsbankerott anno 1811, ein Wörtchen 
verlieren: 
Friedrich von Schmied, derzeit General 
sekretär der österreichisch - ungarischen Bank, 
schreibt in einer lichtvollen Darstellung „Die 
Gründung der Nationalbank" u. a.: 
„Im Jahre 1810 waren beiläufig 1000 
Millionen Gulden Bankozettel im Umlauf; am 
4. Dezember desselben Jahres war der Kurs 
der Zettel auf Augsburg auf 1240 gestiegen, 
das heißt, 100 Gulden Silber mußten mit 
1240 Gulden in Bankozettel bezahlt werden. 
Eine ganz unglaubliche Teuerung war die Folge 
dieser Entwertung deS Staatspapiergeldes. Be 
sonders die städtische Bevölkerung und vor allen 
die auf feste Geldbezüge angewiesenen Beamten 
litten entsetzlich. Was half es, daß der Staat 
seinen Bediensteten Teuerungszulagen bis zur 
vollen Höhe ihres Gehaltes bewilligte, wenn die 
Preise der unentbehrlichen Lebensbedürfnisse auf 
das zehn- und fünfzehnfache gestiegen waren? 
Es kam vor, daß höhere Staatsbeamte nachts 
in den Vorstadt-Gasthäusern zum Tanz auf 
spielten, um sich ein Nachtessen zu verdienen. 
Frauen nnd Töchter von Beamten verdingten 
sich als Mägde oder gehörten der — — — 
Stadt. 
Eine furchtbare Bestechlichkeit riß ein und 
untergrub das Ansehen des früher mit Recht so 
hochgeachteten österreichischen Beamtenstandes." 
Was uns diese hohe Finanz-Autorität mit 
klarer und nicht anzweifelbarer Wahrhaftigkeit 
schildert, paßt so gar nicht zu den Lobeshymnen 
„Ach, es war einmal." 
Aber — — wo bleiben die Lumpereien? 
Richtig, dieser hätten wir beinahe ganz ver 
gessen : Also, flugs vier solche herausgebeutelt 
aus der moderigen Welt der guten alten Zeit, 
wo der Biedersinn, die Ehrlichkeit, die Redlich 
keit und Treue am hellichten Tage und in stock 
finstrer Nacht der Menschen stete Begleiter 
waren, wo es noch nicht so verderbt zugegangen 
ist wie heute. 
So beginnen wir also mit der Lumperei 
Nummer 1. 
Im Jahre 1779, am 29. März, brach in 
Schärding im damals Johann Paul Peyrer- 
ischen Brauhause, welches heute zum Hotel Alt 
mann gehört und die Buchhandlung Heindl be 
herbergt, infolge Fahrlässigkeit Feuer aus;
	        
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