Volltext: Der Sammler 11. Jahrg. 1915 (1915)

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Herausgeber: Der Museal-Berein Schärding. — Verantwortlicher Redakteur: Joh. Vees, Schärding. 
Druck I. Bees, Schärding. 
Oberingenienr der Stadt München, in Verbin 
dung zu treten, sowie mit Herrn Preen, dem 
schon so vielfach bewährten Berater des Museal 
vereines. 
Berichte über den Erfolg dieser Veranlas 
sungen wird der Musealverein in Vorlage 
bringen. 
erfüllte das zierliche Gebäude seinen Zweck, 
dann kam die große Feindin aller Städte, das 
Feuer und vernichtete dieses Schmuckstück. Im 
großen Stadtbrand 1779, dem 80 Häuser zum 
Opfer fielen, wurde auch die St. Sebastians 
kirche ein Raub der Flammen. 
Man dachte auch an den Wiederaufbau; 
der heute noch stehende, von uns als plump 
und unschön gekennzeichnete Holzturm ist das 
traurige Ueberbleibsel dieser Bestrebungen. 
Der im Jahre 1784 ergangene allerhöchste 
Befehl sperrte die Kirche, die dann in späterer 
Zeit vorübergehend ein - Theater wurde! 
Heute ist die Bezeichnung „Theaterkirche" noch 
ab und zu gebräuchlich. 
Und jetzt surren die Räder klatschen die 
Riemen auf den drehenden Scheiben, frißt sich 
die Bandsäge schnarrend durch weißgelbe Holz 
fasern und kräuseln sich die Eisenspäne über das 
Messer der Drehbank. Hastende Arbeit herrscht 
in dem Kirchenraum, der einstmals fünf Gene 
rationen stiller Beter sah. 
Wenn wir tatsachenliebend und kühl real 
uns oft über die Phantasien unwahrer Roman 
schriftsteller ärgern, ausgehend von dem Ge 
danken, „daß es so etwas nicht gäbe", so wer 
den wir von der Geschichte eines anderen be 
lehrt. Die unmöglichsten, seltsamsten und när 
rischesten Dinge, die grellsten Widersprüche, die 
absurdesten Jdeenverbindungen leisten sich die — 
Jahrhunderte. 
Wenn auch unser Leben scheinbar in ganz 
„verstandsamen" Bahnen verläuft und ein Men 
schenleben oftmals nur ein brav gelöstes 
Rechenexempel darstellt, weil wir nur immer die 
Minute anbeten und die Forderungen des 
Augenblicks erfüllen, so sieht der rückwärts- 
schanende Betrachter doch die wunderlichen 
Krümmungen, welche die Menschheitsgeschichte 
geht. Nur scheinbar ist unser Weg gerade, das 
Stücklein Straße, welches uns zugemessen wurde, 
ist nur ein Teilchen jener Zickzacklinien, deren 
Anfang und Ende wir nicht kennen. 
Die drei toten Kirchen sind sichtbare 
Meilensteine dieses wunderlichen Weges. 
Die Schloßkapelle — ein Pferdestall, die 
Allerheiligenkirche — ein Wohnhaus, die hlg. 
Geistkirche — eine ehemalige Hufschmiede, und 
die Sebastianskirche — eine Gewerbehalle! 
Halt ein, Phantast, halt ein, unwahrer 
Erzähler, „so etwas gibt, es ja nicht". 
Die drei toten Kirchen schreien stumm: 
Ja, mein kleines Menschlein, mit deinem 
Mückenhorizont, die Zeit ist eine große Zau 
berin ; alles fließt. Und das Absonderlichste ist 
just das Wahre. Lebe nur drei Jahrhunderte 
und du wunderst dich über nichts mehr. 
„Gemach, gemach", brummt der Granit 
felsen, auf welchem die letzte der drei toten 
Kirchen steht. 
„Ich sah noch die — Haifische vor zwölf 
Millionen Jahren. Was wißt Ihr, was ehe 
dem war". 
Wir lächeln ungläubig und fühlen uns 
nach wie vor selbstsicher in unserem Mücken- 
Daheim. 
Denn wir leben noch und die toten Kirchen 
sind wirklich tot. 
Und doch ist uns niemals das lauteste, 
eindringlichste Mahnwort so tief gegangen, als 
die stumme Sprache der „drei toten Kirchen". 
Kaust die Ansichts-Karten 
des Musealvereines! 
Zu haben bei R. v. Jäger, Seifensiederei, Schärding
	        
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