Volltext: Der Sammler 11. Jahrg. 1915 (1915)

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Herausgeber: Der Museal-Verein Schärding. — Verantwortlicher Redakteur: Joh. Vees, Schärding. 
Druck Vees, Schärding. 
zusehen, wie sie mit dieser verteufelten Geschichte 
fertig werden. 
Uebrigens: auch wir hätten damals zum 
Fragen nicht Zeit gehabt, denn als die besagte 
Patrone auS dem Lauf flog und den unglück 
seligen Weg durch die Jammerbauerische Dach 
luke nahm, gab es zunächst einen ungeheueren 
Krach!. Dann noch einen und wiederum einen 
und zum vierten Mal einen! Die vier Pulver 
fässer mit dem „ziemlichen" Pulvervorrat — 
wie es in der Chronik heißt — machten es der 
verführerischen Patrone nach, sie flogen auch in 
die Luft. 
Wer kann das Bild beschreiben, das die 
festliche Stadt bot, als diese vier Wutschreie 
einer entfesselten Urgewalt die Lust zittern 
machten? Unsere Feder versagt, sie muß ver 
sagen, denn schon ein Zeitgenosse und Lands 
mann , dessen handschriftliche Aufzeichnungen 
zwei Tage nach diesem Unglücke das Geschehnis 
festhalten wollten, kam mit den Tatsachen in 
Widerspruch. Das in der kgl. bayerischen 
Reichsbibliothek zu München hinterliegende Do 
kument behauptet, die „erschröckliche Feuers- 
brunst" wäre durch das Zerspringen eines los 
geschossenen Mörsers entstanden. 
Wir wissen es besser, obwohl wir nicht 
dabei waren, daß die Patrone, die Dachluke 
und die Pulverfässer des Herrn Jammerbauer 
Schuld an dem Unglück waren. Trotzdem 
können wir unmöglich ein auch nur annähernd 
getreues Bild von der Verwirrung, dem Elend 
und dem Jammer geben, welche an diesem 
Fronleichnamstag 1724 über die gute alte Stadt 
Schärding kam. 
Zwei Tage und zwei Nächte dauerte das 
Wüten der roten Furie; 32 Häuser der Stadt 
und das herrliche churfürstliche Schloß fielen den 
leckenden Flammenzungen zum Opfer. Im Eich 
büchel raste das Feuer, der Jammerbauer, die 
umstehenden Häuser am Platz und die Häuser 
zeile, Gemeindeamt, — R. v. Jäger, -- Seitz, 
— ehemalige Koschbrauerei — Weiglein — 
Wassertor brannte nieder und auch im Burg 
graben fand das gefräßige Element noch Nah 
rung. Ja, selbst der Inn bot keine Schutzwehr, 
das „Schloß in Neuhaus" brannte lichterloh. 
Die Passauer schickten Hilfe; für das 
Hochschloß Schärding war es schon zu spät, 
von diesem Tage an starb Schärdings herr 
lichste Zier den langsamen Tod. Der berühmte 
und berüchtigte „Zahn der Zeit", für den es 
immer noch keinen verläßlichen Zahnarzt gibt 
(die Musealvereine hätten wohl die Kunst, aber 
nicht die Zange, d. h. das Geld!) nagte an dem 
gewaltigen Bauwerk bis heute. 
Die braven Kapuziner - welche wir im 
Prozessionzuge erblickt haben, gruben verschüttete 
Menschen aus, dem Zwingseisen, dem Schrögl 
und dem Schlipfenbacher war, wie eingangs 
bereits gemeldet, — allerdings nicht mehr zu 
helfen. 
Der Stadtdoktor Andreas Wiehrer — 
siehe wir übersahen ihn im Zuge — und der 
gleichfalls unbeachtet gebliebene Franz Wolfgang 
Mayer, Bader am oberen Bad, hatten alle 
Hände voll zu tun. 
„Churfürst Max Emanuel von Bayern be 
willigte aus seiner Kasse den betroffenen Ab 
brändlern eine Brandsteuer von 4000 Gulden." 
Mit diesem Zitat aus Lamprechts Chronik 
wollen wir unsere mühsam zusammen gestellten 
Guckkastenbilder und daran geknüpften hoch 
weisen eigenen Betrachtungen beenden. 
Wir können uns aber nicht versagen, der 
Meinung Ausdruck zu geben, daß nicht so sehr 
die Hilfe des gütigen- Fürsten, sondern redlicher 
Gemeinsinn und die allesvermögende Liebe zur 
Heimatscholle das Wunder glücklicher Wieder 
geburt fertig brachten. 
Freimütig geben wir endlich noch der 
Hoffnung Raum, daß auch die Wunden, welche 
unsere Zeit mit ihren Millionen verhängnis 
vollen Schüssen uns schlägt, Heilung finden 
werden durch die Zauberkraft unverwüstlicher 
Heimatsliebe. 
Wie anno 1724 also auch anno 1915/1916. 
Kaust die Ansichts-Karten 
des Musealvereines! 
Zu haben bei R. v. Jäger, Seifensiederei, Schärding
	        
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